Bereits zum 4. Mal in Folge rief das Musicaldarsteller-Paar Marjan Shaki und Lukas Perman seine Kollegen auf, sich in den Dienst der guten Sache zu stellen und diese kamen gern und zahlreich.
Wie Marjan Shaki in ihrer Begrüßung feststellte, wird in Katastrophenzeiten meist sehr gern gespendet, verschwinden die Themen aus den Medien, lässt auch die Spendenbereitschaft sichtlich nach, obwohl es meist Jahre braucht, den Menschen in diesen Regionen wieder ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Shaki und Perman haben es sich auf die Fahne geschrieben, weiterhin für die von Sean Penn gegründete Organisation »J/P HRO Gemeinsam für Haiti« mit Spenden zu unterstützen. So fand am 19. Mai 2014 mit Unterstützung der Vereinigten Bühnen Wien und einiger anderer Sponsoren das diesjährige Benefizkonzert unter dem Titel »Die größten Musicalhits von Kunze & Levay« im Wiener Ronacher statt, bei dem die beiden zusätzlich die Produktionsleitung übernahmen und das Konzept lieferten.
Wie Shaki betonte, waren Michael Kunze und Sylvester Levay bei allen bisherigen Konzerten für den guten Zweck zugegen, und es ergab sich der Wunsch der Initiatoren, den Abend mit Liedern aus Stücken der beiden Erfolgsautoren zu bestreiten – so aus »Elisabeth«, »Rebecca«, »Marie Antoinette«, »Mozart!« und zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum präsentiert wurde »Lady Bess«, die letzte Auftragsarbeit der beiden kreativen Köpfe für die japanische Film- und Theaterproduktion Toho Co. in Tokio.
Den ersten großen Applaus gab es bereits als das 34 Mann starke Orchester der VBW unter Leitung von Koen Schoots zwischen den Häuserschluchten von Güllen (Bühnenbild aus »Der Besuch der alten Dame«) auf der farbig schön ausgeleuchteten Bühne (Lichtgestaltung: Gerhard Landauer) Platz nahm.
Den Anfang machte Ethan Freeman als Cagliostro mit ›Illusionen‹ aus »Marie Antoinette«, gefolgt von »Ich« Wieske van Tongeren mit ›Zeit in einer Flasche‹ aus »Rebecca« und Yngve Gasoy Romdal, der als Mozart erneut die Frage stellte: ›Warum kannst du mich nicht lieben‹. Alle Drei verkörperten ihre Figuren schon in den jeweiligen Ur- bzw. Erstaufführungen und man merkte ihnen an, wie viel Spaß sie daran hatten, ihre zentralen Songs erneut zu präsentieren.
Begeisterte Pfiffe aus dem Publikum erhielt Pia Douwes bereits, als sie Bühne betrat, um das für das Publikum unbekannte Lied der Anne Boleyn ›All for Love‹ aus »Lady Bess« zu interpretieren, was die Zuhörer mit großem Applaus honorierten. In dem Song versichert Anne Boleyn ihrer Tochter Lady Bess, die von ihrer Halbschwester Mary damit gedemütigt wird, dass sie die Tochter eines Ehebrechers sei, dass das nicht stimmt, denn alles was sie getan habe, habe sie aus Liebe zu Bess‘ Vater, Heinrich VIII. getan.
Danach kam zum ersten Mal das neben den Solisten auftretende Ensemble (Einstudierung Adrian Manz) – Rachel Colley, Julia Edtmeier, Sophia Gorgi, Christa Helige, Emma Hunter, Madeleine Lauw, Daniela Lehner, Raphaela Pekovsek, Shari Lynn Stewen, Katharina Strohmeyer, Niklas Abel, Noud Hell, Jan-Eike Majert, Stefan Mosonyi, Kevin Perry, Wolfgang Postlbauer, Jakob P. Semotan – mit dem Titel ›Strandgut‹ aus »Rebecca« in der Choreographie von Jerôme Knols, der insgesamt für das Staging des Abends verantwortlich zeichnete, zum Zuge.
Den Höhepunkt des Konzerts bestritt Annemieke van Dam mit ihrer berührenden Ballade der Lady Bess, ›Why‹, in der sich die junge Elizabeth fragt, warum sie im Tower von London gefangen gehalten wird, um auf ihren Tod zu warten. Ihr Vortrag berührte nicht nur die Zuhörer im Saal – bei einigen Bühnenkollegen waren feuchte Augen zu sehen – auch Annemieke van Dam schämte sich ihrer Tränen nicht.
Uwe Kröger tauchte nach 8 Jahren erneut in die Rolle des Maxim de Winter ein, die er von der Uraufführung von »Rebecca« im Jahre 2006 an zwei Jahre lang in Wien verkörpert hatte und erklärte »Ich«, Wietske van Tongeren, so emotional, als hätte er die Rolle jeden Abend bis kurz vor dem Konzert gespielt: ›Kein Lächeln war je so kalt‹. Im Anschluss bedankte er sich beim Autorenteam Kunze & Levay für 3 Uraufführungen, an denen er in Abständen von jeweils 7 Jahren teilhaben durfte.
Nach ›Gold von den Sternen‹ aus »Mozart!« gesungen von Maya Hakvoort, interpretierte Mark Seibert das dritte Lied aus »Lady Bess«. Es ist der Song ›I’m Rover‹ des Robin Blake, ein Bänkelsänger, in den sich die junge Lady Bess verliebt, und der hier über sein bisheriges ungebundenes Leben singt. Sollte das Stück jemals im deutschsprachigen Raum zur Aufführung kommen, wäre Mark Seibert sicher ein Aspirant für diese Rolle.
Carin Filipčić stellte als Vierte im Bunde den von ihr sehr gefühlvoll gesungenen Titel ›You Are Not Alone‹ aus »Lady Bess« vor, in dem wiederum der Geist der verstorbenen Mutter Anne Boleyn schwört, ihrer Tochter Lady Bess, die im Tower von London sitzt, wo einst Anne Boleyn selbst auf ihre Hinrichtung wartete, sie zu beschützen.
Das Ensemble zeigte sich temperamentvoll ›Hier in Wien‹ und Yngve Gasoy Romdal erbat vom Publikum einen Rat: ›Wie wird man seinen Schatten los‹, beides aus »Mozart!«.
Marjan Shaki sang mit schöner Stimme ›Blind vom Licht der vielen Kerzen‹, in der Rolle der Margrid Arnaud aus »Marie Antoinette«.
Den ersten Teil des Abends beendeten vier Gäste aus dem Budapesti Operettszínház – Lilla Polyák, Bernadett Vágó, György Szomor und Pál Feke – die das einzige Lied des Abends vorstellten, das nicht aus einem Musical stammt ›Te itt Vagy‹ zu Deutsch ›Hand in Hand‹, welches Sylvester Levay 2010 anlässlich der Flutkatastrophe in Ungarn geschrieben und dessen Erlös er den Flutopfern zur Verfügung gestellt hatte. Die Gäste sangen die Strophen des Titels in Ungarisch und alle Solisten zusammen den von Michael Kunze verfassten deutschen Text des Refrains, der laut Lukas Perman genauso auch zu Haiti passt: »Wenn eine Hand die and’re hält, wächst manchmal aus Trümmern eine neue Welt. Gemeinsam tragen wir schwere Lasten leicht, manchmal wird das Unmögliche erreicht.«
Im zweiten Teil des Abends eroberten sich selten gehörte Darstellerkombinationen mit Duetten und Quartetten die Herzen der Zuschauer.
Den Opener machte wiederum Ethan Freeman, diesmal als Luigi Lucheni (»Elisabeth« 1992) zusammen mit dem Ensemble, in ›Milch‹ aus »Elisabeth«, um im Anschluss daran zu bezeugen, dass es für einen Schauspieler und Sänger eine große Freude und eine Bereicherung ist, in Stücken von Michael Kunze und Sylvester Levay mitzuspielen.
Ihm folgten Elisabeth und Der Tod, besser gesagt beide im Doppelpack: Maya Hakvoort (Elisabeth in der Wiederaufnahme 1994 in Wien) und Mark Seibert (Der Tod auf der Jubiläums-Europatournee zum 20-jährigen Bestehen und in der Jubiläumsfassung in Wien) begannen ›Wenn ich tanzen will‹, Pia Douwes und Uwe Kröger (in den Hauptrollen bei der Uraufführung 1992 in Wien und in weiteren Produktionen) stießen dazu, und so wurde aus dem eigentlichen Duett ein wunderbares Quartett, frenetisch gefeiert vom Publikum.
Lukas Perman brachte den Zuhörern ›Ein bissl für’s Hirn und a bissl für’s Herz‹ aus »Mozart!«, gefolgt von Maya Hakvoort mit ›Nichts, nichts, gar nichts‹ als Elisabeth, die im Anschluss noch ein paar Anekdoten aus ihrer »Elisabeth«-Zeit zum Besten gab.
Eine noch nicht gesehene bzw. gehörte Duettkombination stellten Yngve Gasoy Romdal (Mozart in der Uraufführung des gleichnamigen Stücks 1999) und Wietske van Tongeren (»Ich« in der Uraufführung 2006 von »Rebecca«) dar, mit dem Titel ›Dich kennen heißt dich lieben‹ aus »Mozart!«.
Mark Seibert schlüpfte in die für ihn neue Rolle des Herzogs von Orleáns mit ›Weil ich besser bin‹ aus »Marie Antoinette«, was ihm wunderbar gelang.
Nachdem Marjan Shaki ein kurzes Gespräch mit Michael Kunze über die Themenauswahl seiner Musicals führte, überraschten die ungarischen Gäste mit einem vierstimmig auf Ungarisch wunderschön gesungenen ›Hilf mir durch die Nacht‹ aus »Rebecca« und im Anschluss tanzten zwei Tode, nämlich Uwe Kröger und Mark Seibert, den ›Letzten Tanz‹ mit Elisabeth.
Nach Pia Douwes‘ Interpretation von ›Rebecca‹ hielt es im Zuschauerraum niemand mehr auf den Stühlen und sichtlich gerührt verließ Mrs Danvers die Bühne, um Mozarts Vater Leopold (Ethan Freeman) für seinen gut gemeinten Rat an seinen Sohn ›Schließ dein Herz in Eisen ein‹ Platz zu machen.
Carin Filipčić (Mrs van Hopper in der Uraufführung von »Rebecca«) erklärte noch einmal sehr eindringlich »I’m an american woman« und schmiss sich zum Vergnügen der Zuschauer lachend dem »stattlichen, ledigen« Koen Schoots an den Hals.
Nach Annemieke van Dams emotionaler Darbietung von ›Ich weine nicht mehr‹ aus »Marie Antoinette« kam es zum eigentlichen Höhepunkt des Abends, der Bekanntgabe der Spendensumme, die sich zusammensetzte aus dem Erlös der Eintrittskarten und einer am Abend im Theater durchgeführten Tombola, bei der 2 x 2 Karten für ein Meet & Greet mit den Darstellern, sowie die Teilnahme an der sich anschließenden Aftershow-Party, verlost worden waren.
Sean Penn, der angeblich seinen Flug verpasst hatte, entschuldigte sein Fernbleiben via Videoansprache und bedankte sich bei Marjan Shaki und Lukas Perman für ihr Engagement. Zudem wurde ein Film gezeigt, der dem Publikum näherbrachte, was von den Spendengeldern bisher bezahlt wurde bzw. welche weiteren Projekte in Zukunft noch Hilfe benötigen werden.
Thomas Drozda und Christian Struppeck bedankten sich bei allen, die an diesem Abend dabei waren und natürlich bei Sylvester Levay und Michael Kunze für ihre Stücke, die man laut Christian Struppeck bestimmt noch in 50 Jahren spielen wird, und machten nochmals klar, dass es für sie eine Selbstverständlichkeit sei, das Engagement von Shaki und Perman zu unterstützen, welches in diesem Jahr eine Spendensumme in Höhe von 66.883,56 Euro eingebracht hat.
Nach der Verlosung beendete ein vierstimmig von Pia Douwes, Maya Hakvoort, Wietske van Tongeren und Annemieke van Dam gesungenes ›Ich gehör‘ nur mir‹, das die Zuschauer wiederum von den Sitzen riss, den auch von der Tonqualität im Ronacher in jeder Hinsicht gelungenen Abend (Tontechnik: Herbert Kopitar, Hubsi Dolznig und Patrick Polly). Der nicht enden wollende Applaus des Publikums ließ die Künstler nicht mehr von der Bühne und erzwang sich als Zugabe ›Die Schatten werden länger‹, bei der sich gleich zwei Tode um Rudolf Lukas Perman bemühten, während das gesamte Ensemble Spaß daran hatte, den Refrain mitzusingen.
Es bleibt zu sagen, dass das unterstützungswerte Engagement von Marjan Shaki und Lukas Perman eine tolle Win-Win-Situation für die Zuschauer und den guten Zweck – hier die J/P HRO – darstellt und hoffentlich weitere Konzerte und somit weitere Spendengelder nach sich ziehen wird.