Viel ist bereits geschrieben worden über ein unheimlich bewegendes Stück Theatergeschichte. Viel Lob und Anerkennung wurde dem extrem guten und harmonisch eingespielten Ensemble zuteil, und das zu Recht.
Ich habe viele Produktionen und Besetzungen national und international gesehen und es bleiben natürlich Inszenierungen wie die Wiener Fassung der deutschsprachigen Erstaufführung von 1988 mit Darstellern wie Alexander Goebel, Luzia Nistler, Nicholas Saverine, Ernst-Dieter Suttheimer, Joke de Kruijf, Thorsten Tinney und natürlich Ethan Freeman, um nur einige zu nennen, und Produktionen in Hamburg und Las Vegas in sehr guter Erinnerung.
Aber ist neben einer damalig erstklassigen Produktion in Wien nun Zeit und Raum für eine Neuinszenierung? Definitiv ja, denn die äußerst flotte Umsetzung in Bildern von Cameron Mackintoshs spektakulärer Neuproduktion von Andrew Lloyd Webbers »Das Phantom der Oper« würde die damals gediegene Fassung wahrscheinlich nicht mehr zeitgemäß erscheinen lassen. Lassen wir uns auf diese ein. Anton Zetterholm als Phantom, Lisanne Clémence Veeneman als Christine Daaé, Roy Goldman als Raoul, Vicomte de Chagny, Thomas Sigwald als Monsieur Firmin, Rob Pelzer als Monsieur André, Milica Jovanović als Carlotta Guidicelli, Greg Castiglioni als Ubaldo Piangi, Patricia Nessy als Madame Giry und Laura May Croucher als Meg Giry und nicht zu vergessen das Ensemble. Jeder Einzelne trägt zu einer tollen Gesamtleistung bei.
Doch wir sollten – bei all der wunderbaren Musik – die Kernaussage des Romans von Gaston Leroux nicht vergessen. Geht es doch um die wahre Schönheit im Inneren des Menschen und nicht nur um das äußere Erscheinungsbild, welches manchmal trügerisch wirken kann. Die Suche nach Identität, die Macht der Liebe und die Grenzen des vermeintlich Erlaubten werden uns in einer dramatischen Entwicklung vor Augen geführt. Eric (Das Phantom) als verkanntes Genie wurde durch seinen Lebensweg beziehungsweise seinen Leidensweg geprägt. Trotz seiner Handlungen und seinem Auftreten entstehen beim Besucher Sympathien für diese Person.
Anton Zetterholm als Phantom vermag die Entwicklung dieses Charakters eindrucksvoll und stimmgewaltig auf die Bühne des Raimund Theaters zu bringen. Aber auch Lisanne Clémence Veeneman als stimmlich und schauspielerisch wundervoll agierende Christine Daaé und nicht zu vergessen Roy Goldman als Raoul, Vicomte de Chagny verleihen dieser Dreiecksbeziehung die richtige Dynamik.
Das Kreativteam angeführt von Seth Sklar-Heyn, der für die Regie in Wien verantwortlich zeichnet, hat ein in sich stimmiges Theaterstück auf die Bühne gebracht.
Es gibt einige überraschende Umsetzungen im technischen und dramaturgischen Bereich. Diese können der – auch von mir anfangs skeptisch begegneten Neuinszenierung – sicherlich keinen Abbruch tun. Ganz im Gegenteil. Der Luster fällt und das spektakulärer als damals.
Zusätzlich getragen wird das Stück durch das fantastisch spielende 28-köpfige Orchester der Vereinigten Bühnen Wien unter der Leitung von Carsten Paap.
Die Vereinigten Bühnen Wien haben in den letzten Jahren ein sehr gutes Händchen in der Stückauswahl bewiesen und die Ticketverkäufe geben auch in diesem Fall recht. Der Besucher will unterhalten werden und das wird er. Völlig irrelevant ob man in Erinnerung an die Produktion vor fast 40 Jahren schwelgt, oder ob man dem Phantom das erste Mal begegnet, wird jede(r) das Theater am Ende verlassen und sicher gerne wiederkommen.