Jekyll & Hyde

Musical nach dem Roman »The Strange Case of Dr. Jekyll & Mr. Hyde« von Robert Louis Stevenson

Musik und KonzeptFrank Wildhorn
KonzeptSteve Cuden
Buch und LiedtexteLeslie Bricusse
Original TitelJekyll & Hyde
Vorlage»The Strange Case of Dr. Jekyll & Mr. Hyde« von Robert Louis Stevenson
Uraufführung Am 24. Mai 1990 im Alley Theatre, Houston / Texas (USA) unter Regie von Gregory Boyd
Europäische Erstaufführung Am 26. September 1997 durch Koninklijk Ballet van Vlaanderen Tour in den Niederlanden und Belgien
Deutschsprachige Erstaufführung & Deutsche Erstaufführung Am 19. Februar 1999 im Musical Theater Bremen unter Regie von Dietrich Hilsdorf
Österreichische Erstaufführung Am 29. September 2001 im Theater an der Wien (AT)
Deutsche ÜbersetzungSusanne Dengler
Deutsche ÜbersetzungEberhard Storz
Verlag Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Produktionen

Handlung

„Jekyll & Hyde“ erzählt von dem jungen aufstrebenden Wissenschaftler Dr. Henry Jekyll, der im London des späten 19. Jahrhunderts mit ansehen muss, wie sein Vater dem Wahnsinn verfällt und in der Psychatrie stirbt. Wahnsinn entsteht seiner Ansicht nach, weil das Böse im Menschen über das Gute siegt. Fanatisch sucht er nach einem Weg, Gut und Böse zu trennen. Dann, so glaubt Dr. Jekyll, ist dem Bösen beizukommen. Seine Kollegen an der Universität und auch sein zukünftiger Schwiegervater halten nichts von dieser Vision. In seiner überheblichen Forschungsgläubigkeit plant Dr. Jekyll, alle in einem Selbstversuch zu überzeugen. Für sein Experiment nimmt er eine Droge zu sich, die in ihm ungeahnte zerstörerische Kräfte freisetzt, die der Wissenschaftler nicht kontrollieren kann. Dr. Jekyll wird zu einem anderen Menschen mit rücksichtslosem brutalen Wesen. Diese Seite gewinnt immer mehr Macht über ihn. Während Jekyll sich immer weiter zurückzieht, lebt Mr. Hyde die verborgenen Neigungen aus. Er mordet. Seine Opfer sind vor allem scheinheilige Charaktere, die nur vorgeben, ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft zu sein, während sie ein dunkles Geheimnis verbergen. Jekyll indes wird  seiner Verlobten Lisa immer fremder. Trotzdem verteidigt sie ihn gegen alle Angriffe ihres Vaters. Lisa traut sich nicht, in Jekylls Labor einzudringen, aber sie spürt, dass etwas nicht stimmt. Dr. Jekyll verlässt sein Labor kaum noch. Als er es doch einmal tut, lernt er die Prostituierte Lucy kennen, die sich gegen ihren Willen in ihn verliebt. Aber auch Hyde erfährt von Lucys Existenz und lebt bei ihr als Kunde seine brutalen Neigungen aus. Hyde schlägt Lucy und Jekyll versorgt ihre Wunden. Endlich begreift Jekyll, dass er die Kontrolle über sein anderes Ich verloren hat. Er bittet seinen Freund und Anwalt John Utterson, Lucy in seinem Namen Geld zu bringen, damit sie sich woanders ein neues Leben aufbauen kann, doch diese zögert zu lange und Hyde ermordet auch sie. In seinen wenigen klaren Minuten fasst Jekyll den Entschluss, Hyde zu zerstören, auch wenn er dabei selbst umkommt. Doch am Ende ist es Lisa, die die Kraft besitzt, in Hyde die letzten Kräfte des guten Jekylls zu mobilisieren. Damit macht sie Jekyll fähig, sich selbst zu töten und damit Jekyll von Hyde zu befreien.

Historie

  • Grundlage: Der Roman ‚The Strange Case of Dr. Jekyll & Mr. Hyde‘ von Robert Louis Stevenson (geschrieben 1885, veröffentlicht am 25. Januar 1886)
  • 1887: Erste Bühnenadaption von Thomas Russell Sullivan auf Tour durch Großbritannien
  • 4. August 1888: Premiere im Lyceum Theatre, London. Richard Mansfield spielte auf Einladung von Henry Irving die Doppelrolle von ‚Dr. Henry Jekyll‘ und ‚Mr. Hyde‘
  • 24. Mai 1990: Uraufführung des Musicals ‚Jekyll & Hyde‘ von Frank Wildhorn und Leslie Bricusse unter Regie von Gregory Boyd im Alley Theatre, Houston/Texas (USA), mit Chuck Wagner als ‚Jekyll & Hyde‘, Linda Eder als ‚Lucy‘, Rebecca Spencer als ‚Lisa‘
  • 1990: Studio-Cast Aufnahme mit Colm Wilkinson als ‚Jekyll & Hyde‘ und Linda Eder als ‚Lucy‘
  • 1995: Studio-Cast Gesamtaufnahme mit Anthony Warlow in der Titelrolle, Linda Eder als ‚Lucy‘ und Carolee Carmello als ‚Lisa‘
  • 28. April 1997: Premiere am Broadway im Plymouth Theatre, New York (USA) mit Robert Cuccioli als ‚Jekyll & Hyde‘, Linda Eder als ‚Lucy‘, Christiane Noll als ‚Lisa (Emma)‘
  • Seit 1920: zahlreiche Verfilmungen des Themas
  • 26. September 1997: Europäische Erstaufführung durch Koninklijk Ballet van Vlaanderen Tour in den Niederlanden und Belgien mit Hans Peter Janssens als ‚Jekyll & Hyde‘, Hilde Norga als ‚Lucy‘, An Lauwereins als ‚Emma‘
  • 1997: Original Broadway Cast Aufnahme mit Robert Cuccioli, Linda Eder und Christiane Noll
  • 19. Februar 1999: Deutschsprachige Erstaufführung in einer Übertragung von Melitta Edith und unter Regie von Dietrich Hilsdorf im Musical Theater Bremen, mit Ethan Freeman als ‚Jekyll & Hyde‘, Lyn Liechty als ‚Lucy‘ und Susanne Dengler als ‚Lisa‘
  • 1999: Highlights-CD der Original Deutschland Cast mit Ethan Freeman, Lyn Liechty und Susanne Dengler
  • 17. September 1999: Schwedische Erstaufführung in Norrköping (S), mit Anders Ekborg in der Titelrolle, Sharon Dyall als ‚Lucy‘ and Anna Maria Hallgarn als ‚Emma‘
  • 16 Februar 2001: Ungarische Erstaufführung am Musical Színház mit Lászlsó Molnár as ‚Jekyll & Hyde‘, Kata Janza / Erika Borbás / Szilvia Molnár als ‚Lucy‘, Nikolett Füredi / Bernadett Tunyogi als ‚Emma‘
  • 29. September 2001: Österreichische Erstaufführung im Theater an der Wien (A) mit Thomas Borchert als ‚Jekyll & Hyde‘, Eva Maria Marold als ‚Lucy‘, Maya Hakvoort als ‚Lisa‘
  • 2001: CD-Aufnahme der Original Ungarn Cast mit Tibor Ács und Patrícia Bartus
  • 5. November 2001: Japanische Erstaufführung im Nissay Theater, Tokio in Japan, mit Takeshi Kaga als ‚Jekyll & Hyde‘, Marsia als ‚Lucy‘, Ayumi Shigemori als ‚Emma‘
  • 2002: Highlights-CD der Original Wien Cast mit Thomas Borchert als ‚Jekyll & Hyde‘, Eva Maria Marold als ‚Lucy‘, Maya Hakvoort als ‚Lisa‘
  • 12. März 2003: Wiederaufnahme der deutschen Erstaufführung im Musical Dome Köln mit Yngve Gasoy Romdal und Drew Sarich in der Titelrolle, Anna Montanaro und Lucy Diakovska als ‚Lucy‘, Nicole Seeger als ‚Lisa‘
  • 2003: CD-Aufnahme der Original Japan Cast
  • 2004: CD-Aufnahme der Original Korea Cast
  • 22. Juli 2005: Deutschsprachige Freilicht-Premiere auf der Felsenbühne Staatz (A) mit Werner Auer in der Titelrolle, Brigitte Treipl als ‚Lucy‘, Elisabeth Sikora als ‚Lisa‘
  • 2005: CD-Aufnahme der Original Österreich Cast, live aufgenommen auf der Felsenbühne Staatz mit Werner Auer, Brigitte Treipl, Elisabeth Sikora
  • 4. März 2005: Tschechische Erstaufführung im Karlin Musical Theater in Prag mit Jekyll/Hyde: Daniel Hulka / Marián Vojtko als ‚Jekyll & Hyde‘, Tereza Duchková / Michaela Nosková als ‚Lucy‘, Katerina Brozová / Iveta Dufková als ‚Emma‘
  • 2005: CD-Aufnahme der Original Prag Cast mit Daniel Hulka, Michaela Nosková und Katerina Brozová
  • 2006: Resurrection Studio Cast CD-Aufnahme mit Rob Evan, Kate Shindle und Brandi Burkhardt, mit neuen Arrangements und rockigen Orchestrierungen von Frank Wildhorn
  • 2006: CD-Gesamtaufnahme der Original Korea Cast
  • 24. März 2007: Premiere an der Oper Chemnitz mit Randy Diamond und Christoph Goetten in der Titelrolle, Maricel Wölk als ‚Lucy‘, Nadine Hammer als ‚Lisa‘
  • 2. September 2007: Premiere im Theater Bielefeld mit Veit Schaefermeier in der Titelrolle, Roberta Valentini als ‚Lucy‘, Cornelie Isenbürger als ‚Lisa Carew‘
  • 16. Mai 2007: Premiere bei den Vereinigten Bühnen Bozen (I) mit Henrik Wager in der Titelrolle, Sigalit Feig ‚Lucy‘, Beatrix Reiterer als ‚Lisa‘
  • 30. Juni 2007: Premiere auf einer deutschen Freilichtbühne in Tecklenburg mit Patrick Stanke als ‚Jekyll & Hyde‘, Simone Geyer als ‚Lucy‘, Karin Seyfried als ‚Lisa‘
  • 15. Dezember 2007: Premiere im Saarländischen Staatstheater, Saarbrücken mit Mischa Mang in der Titelrolle, Sanni Luis als ‚Lucy‘, Bettina Mönch als ‚Lisa‘
  • Weitere Aufführungen von ‚Jekyll & Hyde‘ in: Schweden, Spanien, Ungarn, Canada, Australien, Japan, Neuseeland, Griechenland, Dänemark, Süd Korea, Großbritannien, Irland, Mexiko, Tschechien, Italien
  • seit 2005 in Planung: Verfilmung des Musicals nach dem Muster von ‚Chicago‘ und ‚The Phantom of the Opera‘
  • 25. Januar 2008: Premiere an der Staatsoperette Dresden mit Chris Murray in der Titelrolle, Susanna Panzner als ‚Lucy‘, Gabriele Rösel als ‚Lisa‘
  • 11. Juni 2008: Premiere der deutschsprachigen Neubearbeitung von Susanne Dengler und Eberhard Storz bei den Bad Hersfelder Festspielen unter Regie von Frank Alva Buecheler mit Jan Ammann in der Titelrolle, Maaike Schuurmans als ‚Lucy‘, Annemieke van Dam als ‚Lisa‘
  • 11. Juni 2008: Premiere bei den Burg Festspielen Bad Vilbel mit Alexander di Capri in der Titelrolle, Anne Hoth als ‚Lucy‘, Eva Aasgaard als ‚Lisa‘
  • 8. November 2008: Premiere im Stadttheater Bremerhaven mit Hans Neblung in der Titelrolle, Anna Thorén als ‚Lucy‘, Karolina Pasierbska als ‚Lisa‘
  • 2006: Wiederaufnahme in Schweden im Karlstads Teater der Värmlandsoperan in Värmland (S) mit Christer Nerfont als ‚Jekyll & Hyde‘, Cecilie Nerfont als ‚Lucy‘, Lisa Gustafsson als ‚Emma‘
  • 26. Januar 2008: Premiere im China Teatern in Stockholm (S) unter Regie von Stafan Aspegren, mit Mikael Samuelsson als ‚Jekyll & Hyde‘, Sarah Dawn Finer als ‚Lucy‘,  Myrra Malmberg als ‚Emma‘
  • 2008: CD-Aufnahme der Original Schweden Cast Stockholm 2008 mit Mikael Samuelson, Sarah Dawn Finer und Myrra Malberg
  • 10. Januar 2009: Premiere am Landestheater Coburg mit Randy Diamond in der Titelrolle, Ulrike Barz als ‚Lucy‘, Katrin Diekelt als ‚Lisa‘
  • 18. April 2009: Premiere im Opernhaus Magdeburg unter der Regie von Andreas Gergen und Christian Struppeck mit Yngve Gasoy Romdal in der Titelrolle, Katharine Mehrling als ‚Lucy‘, Tamara Weimerich als ‚Lisa‘ und ab Oktober 2009 Leah Delos Santos in dieser Rolle
  • 19. September 2009: Premiere im Theater Lübeck mit Thomas Christ in der Titelrolle, Vasiliki Roussi als ‚Lucy‘, Anna Baxter / Sonja Freitag als ‚Lisa‘
  • 16. Juni 2010: Premiere im Stadttheater Regensburg mit Randy Diamond in der Titelrolle, Astrid Vosberg als ‚Lucy‘, Gesche Geier als ‚Lisa‘
  • 4. September 2010: Premiere am Stadttheater Hagen mit Henrik Wager in der Titelrolle, Maricel Wölk als ‚Lucy‘, Tanja Schun als ‚Lisa Carew‘
  • 1. Oktober 2010: Premiere an der Oper Leipzig mit Marc Clear in der Titelrolle, Marysol Ximénez-Carillo als ‚Lucy‘ und Corinna Ellwanger als ‚Lisa‘
  • 9. Oktober 2010: Premiere am Staatstheater Cottbus mit Heiko Walter/Hardy Brachmann in der Titelrolle,Camilla Kallfaß als ‚Lucy‘, Cornelia Zink/Gesine Forberger als ‚Lisa Carew‘
  • 29. Oktober 2010: Premiere am Theater Nordhausen mit Daniel Eriksson in der Titelrolle, Femke Soetenga als ‚Lucy‘, Corinna Ellwanger als ‚Lisa‘
  • 10. Dezember 2010: Premiere der Tour durch Deutschland, Österreich und Schweiz in der Mageburger Inszenierung von Andreas Gergen und Christian Struppeck mit Yngve Gasoy Romdal als ‚Jekyll & Hyde‘, Sabrina Weckerlin als ‚Lucy‘ und Leah Delos Santos als ‚Lisa‘

Musiktitel

AKT 1 AKT 2
PROLOG
(instrumental und Chor)
MÖRDER, MÖRDER
(Arbeiterklasse und Oberklasse)
ICH MUSS ERFAHREN
(Dr. Henry Jekyll)
DA WAR EINST EIN TRAUM/ALS DAS HIER BEGANN Reprise
(Lisa Carew)
DER VORSTAND DES ST. JUDE HOSPITALS
(Dr. Henry Jekyll, Simon Stride, Mitglieder des Vorstands: Sir Danvers Carew, Lady Beaconsfield, Lord Savage, Archibald Proops, Bischof von Basingstoke, General Lord Glossop)
WENN DU MICH LIEBST
(Lisa Carew)
WIE SOLL ES WEITERGEHEN?
(Dr. Henry Jekyll und John Utterson)
DIE WELT IST VÖLLIG IRR
(Dr. Henry Jekyll)
FASSADE
(Arbeiterklasse und Oberklasse)
EIN GEFÄHRLICHES SPIEL
(Lucy Harris und Mr. Edward Hyde)
DIE VERLOBUNGSFEIER
(Lisa Carew, Sir Danvers Carew, Dr. Jekyll, Simon Stride, Gäste)
KÖNNTEST DU VERSTEHN , WIE SEHR ICH LIEBE
(Lisa Carew)
Neu bei der Magdeburger Fassung
ALS DAS HIER BEGANN
(Lisa Carew und Dr. Henry Jekyll)
NUR SEIN BLICK
(Lisa Carew und Lucy Harris)
NIMM MICH, WIE ICH BIN
(Lisa Carew und Dr. Henry Jekyll)
EIN NEUES LEBEN
(Lucy Harris)
FASSADE Reprise
(Arbeiterklasse und Oberklasse)
MITGEFÜHL, ZÄRTLICHKEIT
Reprise (Mr. Edward Hyde)
MÄNNER HER
(Lucy und Prostituierte der ‚Roten Ratte‘)
DIE KONFRONTATION
(Dr. Henry Jekyll/Mr. Edward Hyde)
LUCY TRIFFT JEKYLL
(Lucy und Dr. Henry Jekyll)
DIE HOCHZEITSFEIER
(Dr. Henry Jekyll/Mr. Edward Hyde, Lisa Carew, John Utterson, Sir Danvers Carew, Simon Stride, Hochzeitsgäste) hier nur gesprochen
DIES IST DIE STUNDE
(Dr. Henry Jekyll )
DA WAR EINST EIN TRAUM Reprise
( Dr. Henry Jekyll & Lisa Carew)
ICH MUSS ERFAHREN Reprise
(Dr. Henry Jekyll)
DU BIST FREI NUN / WENN DU MICH LIEBST Reprise
( Lisa Carew)
DIE VERWANDLUNG
(Dr. Henry Jekyll/Mr. Edward Hyde)
DAS SEIN VON EDWARD HYDE I
(Mr. Edward Hyde)
LUCY TRIFFT HYDE/GEFÄHRLICHES SPIEL
(Mr. Edward Hyde)
DAS SEIN VON EDWARD HYDE II
(Mr. Edward Hyde)
NUR ARBEIT NOCH, NICHTS ANDRES ZÄHLT
(Lisa Carew, Dr. Henry Jekyll, John Utterson, Sir Danvers Carew)
MITGEFÜHL, ZÄRTLICHKEIT
(Lucy Harris)
JEMAND WIE DU
(Lucy Harris)
DAS SEIN VON EDWARD HYDE III
(Mr. Edward Hyde)

Kulturhistorischer Hintergrund

Im Mittelpunkt von Jekyll & Hyde steht das Motiv des „Doppelgängers“.
Ausgangspunkt dieser Vorstellung ist der Mythos vom Narziss (Metamorphosen des Ovid III 383-510, verfasst um den Zeitenwechsel), der sich in sein Spiegelbild verliebt, sich nach ihm verzehrt und vor Sehnsucht nach ihm schließlich vergeht. Das Spiegelbild ist hier Sinnbild des geteilten Ichs und doch hat es kein eigenes Ich, sondern ist wie ein Schatten.
In der Literatur der europäischen Romantik (19. Jh.) spielt das Motiv des Phantom-Doppelgängers eine große Rolle. Der Doppelgänger hat entweder eine positiv belehrende und befreiende Funktion, häufig aber ist er ein böses Gegenbild des Ichs, das wie der Teufel zu Verbotenem verführt. In jedem Fall ist der Doppelgänger ein physisch ähnliches Wesen, das auf die Originalperson eine besondere Wirkung hat, ist er doch die andere Seite, eine hellere oder dunklere Seite ihres Ichs. In der deutschen Romantik sind es Josef von Eichendorff („Das Marmorbild“, 1818) und vor allem E.T.A Hoffmann („Der goldene Topf“, 1814), die mit dem Thema des gespaltenen Ich-Bewusstseins spielen. Ein Mensch besitzt zwei Gesichter – hierfür hat ein Jahrhundert zuvor Johann Wolfgang von Goethe die Grundlage gelegt, indem er seinen Wissenschaftler Faust über die Zerrissenheit zwischen Wissenschaft und Leben folgendes sagen lässt:

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, 
Die eine will sich von der andern trennen; 
Die eine hält, in derber Liebeslust, 
Sich an die Welt mit klammernden Organen; 
Die andere hebt gewaltsam sich vom Dust 
Zu den Gefilden hoher Ahnen. 
(Faust I, Vers 1112-1117, zitiert nach der Hamburger Ausgabe, Bd.3, München 1989, S.41 )

Im angelsächsischen Raum bearbeitet neben Robert Luis Stevenson vor allem Edgar Allan Poe das Motiv des Phantom-Doppelgängers. So gilt Poes „William Wilson“ (1839) als Vorbild für Stevensons „The Strange Case of Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ (1886), eben die Novelle, die Grundlage auch des Musicals „Jekyll & Hyde“ ist. In „William Wilson“ ist der Doppelgänger die bessere Hälfte des Ichs, die dem Erzähler mahnend seine Untaten vorhält und versucht, ihn auf einen besseren Weg zu führen. Am Ende von beiden Erzählungen, der von Poe und der von Stevenson, steht der Zweikampf mit dem Doppelgänger, der sich in William Wilson allein durch seine Stimme von dem Original unterscheidet. Im Tod werden beide Stimmen eins, wie auch der Doppelgänger mit seinem Ich eins wird. Beide sterben.
Die Verbindung zwischen Dr. Jekyll und Mr. Hyde besitzt eine noch stärkere psychologische Komponente, hat Jekyll seinen Doppelgänger doch durch eine Droge aus sich selbst freigesetzt. Er ist Ergebnis eines Experiments. Wie der Doppelgänger in William Wilson hat Hyde eine ganz andere Stimme als Dr. Jekyll; er spricht leise und heiser. Mit dem unzureichenden Wissen dieser Zeit über die menschliche Psyche und in seiner wissenschaftlichen Hybris glaubt Dr. Jekyll, Gut und Böse trennen zu können, um so seine dunkle Seite zu vernichten. Die Erkenntnis der Psychoanalyse lässt Sigmund Freud ein Vierteljahrhundert (ca. 1919) später zur Problematik des Doppelgängers sagen, dass er die verdrängte Seite des eigenen Ichs ist und in seiner Ähnlichkeit besonders unheimlich. Freuds Schüler Carl Gustav Jung nennt den Doppelgänger die „dunkle Seite“ des Ichs. Diese Seite aber gehört zum eigenen Ich dazu und eine Trennung führt zu einer Persönlichkeitsspaltung, mit der der Mensch nicht leben kann. In „The Strange Case of Dr. Jeykyll und Mr. Hyde“ begeht Hyde die Verbrechen, vor denen Henry Jekyll noch Skrupel hatte und wird auf dessen Kosten immer stärker. Aber auch Hyde kann sich nicht von Jekyll befreien, denn auch er kann ohne ihn nicht leben.

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