»Die Eiskönigin – Das Musical« als deutschsprachige Erstaufführung in Hamburg: Nicht nur Schnee, auch Herzen schmelzen!

Vorab aus blickpunkt musical 01/2022

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Anna (Celena Pieper) und Elsa (Sabrina Weckerlin) beschreiben einander endlich ihre wahren Gefühle
Foto: Morris Mac Matzen

Am 8. November 2021 feierte im Theater an der Elbe das Disney-Musical »Die Eiskönigin« (»Frozen«), eine prachtvolle, magische, deutschsprachige Erstaufführung sowie Deutschlandpremiere. Dabei war die Location, Disney gebührend, an das »Eiskönigin«-Thema angepasst, bis hin zu Getränken und Snacks. Erstmals erlebten die Premierengäste wieder eine große Hamburger Musical-Premiere.

Disneys »Die Eiskönigin«, produziert von Disney Theatrical Productions unter der Leitung von Thomas Schumacher, feierte im März 2018 Broadway-Premiere und erhielt die renommierte Tony-Award-Nominierung als »Bestes Musical«. Auf den Broadway und eine Nordamerika-Tour folgte die Britische Erstaufführung im Londoner West End und nun die Hamburger Premiere auf dem europäischen Kontinent. Weltweit sind weitere Produktionen von »Frozen« geplant.

Das Bühnenportal zwischen Vorhang und Orchester, das sogenannte Proszenium, ist mit Symbolen im Stil der Samen, der Ureinwohner Nordeuropas, verziert, und zeigt bekannte Disney-Symbole. Wer genau hinsieht, kann Mickey Maus, Arielle, Bambi, Mogli, Pocahontas, Tarzan und viele mehr entdecken.
Die Vorstellung beginnt, und vom ersten Orchesterton an fällt ein aüßerst fein abgemischter sehr guter Ton und ein voller Klang des 10-köpfigen Orchesters auf, das auch mit Keycomp-Unterstützung arbeitet und unter der Leitung von Aday Rodriguez Toledo aufspielt.

Anna und Elsa sind zu Beginn der Geschichte noch als Kinder auf der Bühne und diese waren in der Premiere großartig mit Anastasia und Isabella besetzt. Erstere spielt so keck, leicht und unglaublich witzig unterhaltsam, dass die Zuschauer ihr Spiel schon in den ersten Minuten mit Zwischenapplaus würdigten. Überhaupt war in der letzten Zeit in einer Musicalpremiere eher selten einen Szenenapplaus wahrnehmbar, an diesem Tag jedoch gab es ihn wiederholt, was an der Perfektion des Timings und an den Überraschungsmomenten der gesamten Performance liegt, die man so gebündelt auch selten findet.

Elsa (Sabrina Weckerlin) erstrahlt nicht nur stimmlich in ihrem Eispalast, sondern glitzert auch visuell auf ganzer Linie
Foto: © Disney / Johan Persson

Als Anna und Elsa zusammen in ihrem Kinderzimmer einen Schneemann bauen (›Ein kleiner Teil von Dir/Willst Du einen Schneemann bauen?‹) entdeckt Elsa das erste Mal ihre unglaublichen Zauberkräfte und verletzt ihre Schwester Anna damit schwer. Nur die Wesen des Verborgenen Volkes können die kleine Anna noch retten, weil »das Herz noch nicht vom Zauber verkühlt wurde« und der »Verstand stets lernen kann«. Fortan glaubt Elsa, nichts fühlen zu dürfen, denn nur dann kann sie ihre Magie im Schach halten.
Anna und Elsa werden älter. Die Hauptrolle der Elsa spielt Sabrina Weckerlin, die jetzt den weltberühmten Hit ›Lass jetzt los‹ (›Let it go‹) live auf der Bühne singen darf. Celena Pieper übernimmt die Rolle der Anna.

Anna wächst getrennt von ihrer Schwester auf und versteht nicht warum. Nachdem die Eltern bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen sind, steht die große Krönungs-Zeremonie von Elsa an und die Pforten des Schlosses öffnen sich das erste Mal seit langem wieder. (›Zum ersten Mal seit Ewigkeiten‹). Das Ensemble stürzt mit einer solchen Spielfreude ins Schlossinnere, dass es eine wahre Freude ist, dieser Cast zuzusehen! Unter dieser befindet sich auch Milan van Waardenburg, der ›Hans aus dem Süden‹, Prinz in 13. Geburtenfolge, sängerisch warm und herrlich kitschig smart spielt.

Kristoff (Benet Monteiro, l.) mit Rentier Sven (Antoine D. Banks-Sullivan / Petter Linsky) ist nicht nur ein wahrer Freund, er erwärmt auch Annas Herz auf ihrer eisigen Reise
Foto: © Disney / Johan Persson

Elsa verwandelt nach einem emotionalen Zusammenstoß mit Anna durch ihre unkontrollierbaren Kräfte das Königreich in eine winterliche Eislandschaft. Die Effekte sollen an dieser Stelle nicht verraten werden. Doch so viel soll gesagt sein: Eine derartige Umsetzung, die fast schon cineastische Züge annimmt, hat der Redakteur so noch nie in einer Live- Produktion gesehen (Special Effects: Jeremy Chernick / Videoprojektionen: Finn Ross). Die Videowand hinter der Bühne wurde speziell für das Musical gebaut und misst 12 mal 9 Meter, wiegt dabei 3 Tonnen und enthält mehr als 4,5 Millionen einzelne LEDs. Fast jede Kulisse wird irgendwann während der Show als Projektionsfläche verwendet (einschließlich des Bodens). Über 30 unterschiedliche Computer steuern die Projektionen. Als Zuschauer erschreckt man auch kurz, wenn Eiskristalle auf die Bühne schießen oder Winterstürme simuliert werden.

›Im Sommer‹ – Olafs (Elindo Avastia) Sommerträume
Foto: © Disney / Johan Persson

Elsa flüchtet ins Exil, um niemanden weiter in Gefahr zu bringen. Vor allem nicht ihre geliebte Schwester Anna, die sich trotz aller Risiken auf die abenteuerliche Reise begibt, um Elsa zu finden und zu retten. Dabei trifft sie auf Kristoff (Benet Monteiro) und sein Rentier Sven, gespielt von einem akrobatisch sehr fähigen Darsteller (Antoine D. Banks-Sullivan) und den Schneemann Olaf (großartig gesungen und geradezu verschmolzen mit seiner Puppe: Elindo Avastia), der mit dem ersten Showstopper des Abends daherkommt: ›Im Sommer‹. Im funkelnden Eiskristallschloss singt dann kurz vor der Pause Sabrina Weckerlin ein so grandioses ›Lass jetzt los‹, dass es die Zuschauer nicht mehr auf den Sitzen hält. Die Vorhänge der Show wurden mit über 40.000 Swarovski-Kristallsteinen besetzt, um den Palast zum Funkeln zu bringen. Allein der Hauptkristallvorhang besteht aus über 21.352 Swarovski-Kristallen. Jedes einzelne der 154 Kostüme auf der Bühne wurde für die Show maßgeschneidert, mit Ausnahme von ein paar Schuhen, Socken und Handschuhen. 41 Tage Handarbeit stecken allein in Elsas ikonischem Eiskleid, um die über 18.000 Perlen, Kristalle und Steine darauf aufzunähen.

Das Ensemble der Hamburger Produktion mit Anna (Celina Pieper, Mitte) die bei ›Zum ersten Mal seit Ewigkeiten‹ die Schlosstüren in Arendelle wieder öffnen
Foto: © Morris Mac Matzen

Die Kostüme von Christopher Oram sind stark an die Filmszenen angelegt, in Elsas Krönungsszene sind sie beispielsweise von der Opulenz des 18. Jahrhunderts in Schweden beeinflusst, auf Annas Reise im Land von Kristoff und den Trollen bildet die Kleidung der Samen, die mit ihren Rentieren Gebiete in Schweden, Norwegen und Finnland durchzogen, das Vorbild.
Die sehr erdverbundene Choreographien von Rob Ashford machen Freude (Charlie Williams, Associate Choreograph in Hamburg) und reichen von Walzern bis hin zum Tanz um den Maibaum sowie zu großen Ensemblenummern und schwierigen Sprüngen. Das Storytelling wird dabei stets sinnvoll unterstützt und stimmt die Musicalbesucher dann mit ›Hygge‹ und einer Portion Hüttenzauber auf den Beginn des zweiten Teils ein.

Anna (Celena Pieper) und Hans (Milan van Waardenburg) schweben hier noch auf Wolke 7
Foto: © Disney / Johan Persson

Anna trifft auf ihre Schwester Elsa und beide besingen mit ›Du bist alles‹ (›I Can’t Lose You‹) ihre ganz eigene Perspektive auf das bisherige Leben. Das Publikum belohnte die Erstaufführung eines der 12 Lieder, die eigens für die Bühnenfassung geschrieben wurden, zu Recht mit Szenenapplaus. Beide Stimmen glänzten hier! In der deutschen Fassung finden sich 8 übersetzte Filmsongs (Tommy Amper). Die deutschsprachigen Adaptionen der 12 eigens für die Bühnenfassung geschriebenen Songs übernahm Kevin Schroeder, während Ruth Deny das Buch übersetzte.

Nach dem emotionalen Duett rauscht die Handlung geradezu durch. Der smarte Hans entpuppt sich als gerissen und Anna erkennt im weiteren Verlauf ihre wahre Liebe zu Kristoff, der von einem smarten Benet Monteiro gespielt und sehr eigen angelegt gesungen wird. Sabrina Weckerlin als Elsa schafft mit ›Monster‹ noch einmal einen Gänsehautmoment und intoniert hier stimmlich besonders sensationell gut geführt von zart hauchend bis zum kraftvollen Belt, bevor dann mit ›Kälter immer kälter‹ auch schon das ›Finale‹ mit der Auflösung des bösen Zaubers eingeleitet wird.

Die Schwestern Elsa (Sabrina Weckerlin, l.) und Anna (Celena Pieper, r.) fassen sich endlich an den Händen, beobachtet von Olaf (Elindo Avastia, hinten)
Foto: © Disney / Johan Persson

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass diese Produktion durch die Bank weg exzellent besetzt ist. Als lustig schurkisch verschrobener Darsteller in einer Nebenrolle ist hier noch unbedingt Eric Minsk in der urkomischen, aber nicht übertriebenen Rolle des Von Pitzbühl zu erwähnen. Hinsichtlich Diversität wurden mutige Wege beschritten, denn die Eltern von Elsa und Anna, Königin Iduna (Lanie Sumaniloog) und König Agnarr (Dominik Doll) sind asiatisch und als People of Color besetzt, was vermutlich die multikulturelle Wahrnehmung einer solchen Produktion unterstreichen und auch fördern soll. Auch die wiedereröffnete Broadway-Produktion ist in dieser Weise divers besetzt. Ob dies jemanden angesichts des Bruchs mit dem Mendelschen Gesetz stört, muss jeder selbst entscheiden. Dem überzeugenden Spiel tat es keinen Abbruch.

Im zweiten Teil wäre es wünschenswert, dass die Personenregie sich noch mehr in die Tiefe entwickelt und die Brüche einzelner Rollen, wie beispielsweise die vom einst liebenden, herzlichen Prinz Hans aus dem Süden hin zum Fiesling, nachhaltiger erzählt werden. Auch die Ensemblenebenrollen finden kaum Raum, sich nachhaltig zu entwickeln.
Dennoch überzeugt das Gesamtkunstwerk mit seinen erpobt mitreißenden Melodien, der grandiosen Ausstattung, den filmischen Effekten, dem spiel- und gesangsstarken Ensemble und mit seiner Botschaft von Freundschaft und Geschwisterliebe, die selbst ein erkaltetes Herz heilt. Jung und Alt dürfte dieses Fest für die Sinne im Theater an der Elbe begeistern.

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