Pressevorstellung und Interviews zu »Wahnsinn!« im Theater am Marientor in Duisburg

»Es ist eine Geschichte, die nicht im Showgeschäft, sondern im alltäglichen Beziehungs-Wahnsinn spielt«

Die 4 Paare von »Wahnsinn!« (v.l.): Thomas Hohler mit Dorina Garuci, Vera Bolten mit Enrico De Pieri, Carina Sandhausen mit Mischa Mang und (vorne) Jessica Kessler mit Detlef Leistenschneider

Die 4 Paare von »Wahnsinn!« (v.l.): Thomas Hohler mit Dorina Garuci, Vera Bolten mit Enrico De Pieri, Carina Sandhaus mit Mischa Mang und (vorne) Jessica Kessler mit Detlef Leistenschneider
Foto: Birgit Bernds

Am 20. November 2017 stellte Semmel Concerts Entertainment im Theater am Marientor in Duisburg ihr neues Stück »Wahnsinn!« vor. Das Musical, das sich um die Hits von Wolfgang Petry rankt, wird dort am 21. Februar 2018 seine Uraufführung feiern und von da aus auf Tour gehen.

Um es gleich vorweg zu nehmen, das Stück ist kein Biographie-Musical über Wolfgang Petry, auch wenn es einige Rollennamen gibt, die sich an Liedtitel oder Namen rund um den Sänger anlehnen, wie Peter (Petry), Wolf (Wolfgang), Karsten Remling (Der Geburtsname von Wolfgang Petry ist Franz Hubert Wolfgang Remling), Gianna (Liedtitel von Petry). Zudem wird es auch Karohemden und Freundschaftsbänder geben.

Vorgestellt wurden die 8 Hauptcharaktere mit ihren Darstellern, die vier Paare bilden, die sich alle in verschiedenen Lebenssituationen befinden. Sie kommen aus unterschiedlichen Generationen, haben jeweils einen anderen Lebensstandard und leben in verschiedenen Welten.

Paar I

Da gibt es zum einen den Inhaber einer Speditionsfirma, Peter und seine Frau Sabine, welche sich immer erträumt hat, mit ihrem Mann die Welt zu bereisen, was dieser mit seinem LKW auch tut, nur eben ohne sie. Sabine dagegen sitzt zu Hause im goldenen Käfig, bis sie beschließt, selbst auf Tour zu gehen …

Enrico de Pieri und Vera BoltenFoto: Birgit Bernds

Enrico de Pieri und Vera Bolten
Foto: Birgit Bernds

Peter und Sabine werden gespielt von Enrico De Pieri (Dschinni in »Aladdin«, Hamburg) und Vera Bolten (Christa Lubanski in »Das Wunder«, Hamburg).

Enrico De Pieri studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg Lied und Oratorium und stand schon während seines Studiums in verschiedenen Opernrollen auf der Bühne. Inzwischen hat er sich dem Musical verschrieben und freut sich bei der Uraufführung von »Wahnsinn!« seine Rolle selbst kreieren und den ersten Brummifahrer in einem Musical spielen zu dürfen.
Dadurch, dass er aus Norddeutschland kommt, hatte er bis jetzt wenig Berührungspunkte mit der Musik von Wolfgang Petry. Mittlerweile hat er sich in die Musik und da in erster Linie in die Live-Alben von Petry eingehört und hat überrascht festgestellt, welch ein guter Sänger Wolfgang Petry ist.

United Musicals: Ist ein Schlagermusical nicht eine ganz andere Welt, wenn man ursprünglich von der Oper kommt?

Enrico De Pieri: Ja, aber das ist doch das Schöne, was das Leben eines Darstellers so besonders macht: dass man immer neue und andere Sachen machen kann. Für den Dschinni in »Aladdin« habe ich zum Beispiel steppen gelernt. Jetzt muss ich mich in das Leben eines Spediteurs hineindenken, der eine 20-jährige Ehe mit Problemen führt. Genau das macht unseren Beruf doch so spannend.

UM: In Deutschland wird doch immer noch unterschieden zwischen U- und E-Musik.

EDP: Was ich sehr schade finde.

UM: Sie würden also auch, wenn ein Angebot käme, wieder als Opernsänger arbeiten?

EDP: Ich sage niemals nie, halte es allerdings für sehr unwahrscheinlich. Aber wenn das Stück, die Rolle und die Umstände stimmen, könnte ich mir das schon vorstellen. Einen guten Papageno könnte man wohl von mir schon noch erwarten, glaube ich. Aber ich bin da, wo ich jetzt bin, im Musical, super glücklich.

UM: Verändert sich die Stimme, wenn man nur noch Musical singt und seine Stimmbänder ganz anders benutzt?

EDP: Wenn ich zu einem Vorsingen gehen würde für eine Oper, müsste ich mir Zeit nehmen, um die Stimme zu trainieren. Da sind ganz andere Muskeln aktiv, die dann wieder umtrainiert werden müssen. Das würde schon ein paar Wochen in Anspruch nehmen. Ein Opernsänger ist sehr spezialisiert, der kann auch nicht sofort Musical singen. Wir Musicaldarsteller haben den Vorteil, dass wir ein Mikrophon haben. Somit liegt der Fokus mehr auf Text, Ausdruck und auf der Verständlichkeit, als wenn man unverstärkt über ein 60-Mann-Orchester singen muss. Das sind ganz verschiedene Parameter, die da greifen.

UM: Was hat Sie dazu bewogen, zum Casting für »Wahnsinn!« zu gehen?

Vera Bolten und Enrico De Pieri singen ›Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n‹Foto: Birgit Bernds

Vera Bolten und Enrico De Pieri singen ›Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n‹
Foto: Birgit Bernds

EDP: Ich war nicht beim Casting. (grinst) Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben angefragt worden, und das finde ich ganz großartig und toll.

UM: Hatten Sie nicht zuerst Bedenken wegen der Musik, dem Schlager?

EDP: Ich mache den Beruf jetzt schon so lange und bewahre mich davor, Vorurteile gegen etwas zu haben. Ich schaue und höre mir immer erst alles an, um dann zu entscheiden, und gebe nichts auf Meinungen anderer.

UM: Es ist aber schon etwas ganz anderes als der Dschinni aus »Aladdin«.

EDP: Ja, das ist natürlich etwas ganz anderes und wird die Leute vielleicht nicht so aus dem Sitz reißen wie bei »Aladdin« jeden Abend. Aber darum geht es nicht. Ich finde es schön, dass wir hier eine stringente Geschichte haben und ich nicht nur der Gag-Geber bin oder der, der die Leute zum Toben bringt. Hier führe ich durch den Abend mit meiner Geschichte und kann mein Herz ausschütten.

UM: Die Liedtexte von Wolfgang Petry sind gut eingebettet in die Geschichte?

EDP: Ich finde, überraschend gut. Wenn es vorher keiner wüsste, dass es die Lieder schon gab, würde das, glaube ich, keiner merken. Die Lieder funktionieren im Zusammenhang sehr gut und ich denke, die Zuschauer werden überrascht sein, was für ein toller Musicalabend ihnen geboten wird.

Vera Bolten absolvierte ihre Ausbildung zur Musicaldarstellerin an der Univ­ersität der Künste in Berlin, die sie mit Diplom und Auszeichnung beendete. Sie wusste schon in jungen Jahren, dass sie einmal Musical spielen will, weil sie dort Theaterspielen und Singen – was sie schon immer gerne getan hat – verbinden kann. Ansonsten versucht sie zwischen ihren Engagements ein ganz normales Familienleben zu leben.

Sabine ist eine Frau um die 40, die gerade an dem Punkt angekommen ist, an dem sie sich fragt: »War’s das jetzt? Ist das mein Leben, wie ich es mir vorgestellt habe oder gibt es noch Träume, die ich mir erfüllen möchte?«

Paar II

Jessica Kessler und Detlef LeistenschneiderFoto: Birgit Bernds

Jessica Kessler und Detlef Leistenschneider
Foto: Birgit Bernds

Das zweite Paar besteht aus Karsten und Gabi, die auch schon mal glücklicher waren. Karsten machte Musik, als die beiden sich kennenlernten, was er aber aufgab, weil die Einnahmen nicht ausreichten, um eine Familie zu ernähren. Heute arbeitet er auf einem Schrottplatz, ist zwar ein patenter Typ, aber Gabi würde sich wünschen, dass er wieder zu dem Mann wird, in den sie sich einst verliebt hat. Gabi wiederum unterstützt die musikalischen Ambitionen ihres Sohnes, was Karsten eher kritisch sieht. So sind Konflikte vorprogrammiert …

Gespielt werden Karsten und Gabi von Detlef Leistenschneider (Richard Lubanski in »Das Wunder«, Hamburg) und Jessica Kessler (Barbara Gerl in »Schikaneder«, Wien).

Detlef Leistenschneider kam auf dem klassischen Weg über Kirchenchor, Schulchor und Musical-AG in der Schule zum Musical. Er studierte den Studiengang an der Hochschule der Künste in Berlin. Schon während seines Studiums verkörperte er Rollen in verschiedenen Produktionen. Trotz seiner umfangreichen Engagements arbeitet Leistenschneider auch als Dozent an der »Joop van den Ende Academy« in Hamburg.

Die Rolle Karsten ist ein Mittvierziger, der die Musikleidenschaft seines Sohnes Tobias anhand seiner eigenen Erfahrung kritisch sieht und ihn deshalb von diesem Weg abhalten will. Die Songs von Wolfgang Petry gefallen ihm, weil es darin menschelt, was sie deshalb so besonders macht. Seine erste Berührung mit dessen Liedern hatte er durch seine zwei älteren Geschwister, die diese Musik gehört haben.

Für Jessica Kessler, aufgewachsen in Duisburg, wird die Rolle der Gabi ein Heimspiel. Musical-infiziert wurde sie von »Les Misérables«, was sie in der deutschen Erstaufführung im Theater am Marientor gesehen hat. Danach wusste sie, dass Theaterspielen auch ihr Berufswunsch sein wird.
Die ehemalige Eiskunstläuferin startete ihr Karriere 2001 im Ensemble von »Mozart!« in Hamburg.

Ihre erste Berührung mit einem Lied von Wolfgang Petry war der Song ›Jessica‹, bei dem sie sich immer hinter ihrer Mutter versteckt hat, weil ihr Name darin genannt wurde und ihr das als Kind komisch vorkam. Natürlich kennt sie die Lieder von Petry, denn im Ruhrgebiet sind viele seiner Songs einfach Hymnen, die auf jeder Party gesungen werden, und auf die getanzt wird.

Gabi ist ein Partygirl, jung Mutter geworden und quatscht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, halt Ruhrpott-Deutsch. Ihr Mann dagegen war ein Rocker mit eigener Band und als sie sich verliebten, wurden sie kurze Zeit später schon Eltern.

UM: Ein Musical mit der Musik von Wolfgang Petry. Sie kommen aus dem Ruhrgebiet und haben wahrscheinlich diese Musik schon mit der Muttermilch verabreicht bekommen.

Jessica Kessler: Ja, nach mir wurde ja einer seiner Songs benannt. (grinst) Ach, Quatsch, aber viele haben mich gefragt, ob meine Eltern mich nach dem Song benannt haben. Ich habe das dann mal gegoogelt, aber das Lied kam nach meiner Geburt heraus, insofern kann das nicht sein.

UM: Was hat Sie bewogen, die Rolle der Gabi spielen zu wollen?

JK: Es ist ein Traum für mich, einmal diese Lieder singen zu dürfen und das vor allem als Frau. Das ist ja auch ganz neu, das gab es bis jetzt nicht, und sehr spannend. Ich liebe Wolfgang Petrys Musik. Ich mache ja auch selbst einiges im Schlagerbereich, von daher hat mich das Stück sehr gereizt. Dazu kommt noch, dass ich in meinem Heimatdialekt sprechen darf.

UM: Nur sprechen oder auch singen?

JK: Nein, singen nicht, das passt nicht, dazu ist die Sprache zu hart.

UM: Wenn Sie und Ihre Kollegen Dialekt sprechen, haben Sie keine Sorge, dass Sie zum Beispiel die Münchener nicht verstehen?

JK: Nein, ich denke, dass der Ruhrpott-Dialekt, der einzige ist, den man überall versteht, weil er sehr simpel und direkt gehalten ist, keine Schnörkel hat und nicht so tief im Hals gesprochen wird, wie zum Beispiel Bayerisch oder Sächsisch, wo sie manchmal sogar andere Begriffe für Dinge haben. Bis jetzt haben mich alle Menschen verstanden, egal wo ich gewohnt habe, selbst in der Schweiz. (lacht)

UM: Wie sind die Lieder in die Geschichte integriert?

Detlef Leistenschneider und Jessica Kessler singen ›Nichts von Alledem‹Foto: Birgit Bernds

Detlef Leistenschneider und Jessica Kessler singen ›Nichts von Alledem‹
Foto: Birgit Bernds

JK: Fantastisch! Wir haben im Sommer den Workshop hier gemacht und waren alle so positiv überrascht und sind total überzeugt, dass die Geschichte gut funktioniert. Selbst unser Regisseur (Gil Mehmert), der am Anfang selbst skeptisch war, hat so tolle Sachen gefunden, auch gemeinsam mit uns als Gruppe. Deshalb sind wir ja auch fast in derselben Konstellation geblieben, weil es mit uns als Gruppe im Workshop so gut funktioniert hat. Und ich denke, das wird letztendlich das Stück auch ausmachen. Diese Musik, der Ruhrgebietscharme und die Konflikte – das wird ein tolles Stück.

UM: Haben Sie im Workshop Wolfgang Petry schon kennen gelernt?

JK: Oh ja! Er ist ein sehr stiller Mensch, dem man aber sofort angemerkt hat, wie berührt er war. Er hat sogar ein paar Tränen verdrückt bei dem Song von Karsten (Detlef Leistenschneider) und mir und hat am Ende die Hand auf sein Herz gelegt. Das war für mich ein großes Kompliment, weil wir ja eigentlich das witzige Paar sind, mit diesem Ruhrpott-Dialekt. Dass wir am Ende des Stücks so einen ehrlichen Moment haben, ist wirklich toll. Wir hoffen, dass das die Zuschauer auch berühren wird.

UM: Es ist ja auch ein unheimliches Lob für einen Künstler, wenn derjenige, der das Lied geschrieben und sehr oft auf der Bühne performt hat, so reagiert.

JK: Das ist mit eines der Highlights meines Lebens – nachdem ich auch schon mit »Queen« auf der Bühne stehen durfte –, das ich nie vergessen werde.

UM: Wobei die Musik natürlich total konträr ist, einmal sind Sie die Rockröhre bei »We Will Rock You« und nun Gabi in »Wahnsinn!«.

JK: Diese verschiedenen Stücke zu spielen, ist mega spannend. Letztes Jahr habe ich in Wien bei »Schikaneder« gespielt, was total klassisch war. Da war es auch eine neue Erfahrung, meine klassischere Stimme zu suchen und zu finden. Mir macht es Spaß, immer wieder neue Dinge auszuprobieren, wie Rockmusik und jetzt Schlager. Ich spiele hier in Duisburg und in Dortmund mein Solo-Programm in den Sitzungen zu Karneval, und letztes Jahr habe ich sogar bei der Eröffnung eines Bistros auf Mallorca mit Jürgen Drews gesungen.

Paar III

Dorina Garuci und Thomas HohlerFoto: Birgit Bernds

Dorina Garuci und Thomas Hohler
Foto: Birgit Bernds

Das dritte Paar bilden Tobi, der Sohn von Karsten und Sabine, mit seiner Freundin Gianna. Tobi, der gerade seine Schule abgeschlossen hat, ist frisch verliebt in die Italienerin Gianna. Er ist hin- und hergerissen zwischen seinem Wunsch, Musik zu machen und dem seines Vaters, Karriere zu machen. Gianna gibt sich selbstbewusst und bestärkt ihren Freund darin, seinen Weg zu gehen, obwohl sie im Inneren sehr verletzlich ist und ein Geheimnis mit sich herumträgt.

Gespielt werden die Charaktere von Thomas Hohler (Frank Crawley in »Rebecca«, Tecklenburg) und Dorina Garuci (Diva in »Priscilla – Königin der Wüste«, München).

Thomas Hohler hat früh Blut geleckt auf den Brettern, die die Welt bedeuten, spielte er doch schon im Alter von 11 Jahren Gavroche in »Les Misérables« in Duisburg. Seitdem ließ ihn das Genre nicht mehr los und er studierte Musical an der Universität der Künste in Berlin, um danach in vielen Produktionen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und sogar in Shanghai in China auf der Bühne zu stehen.

Tobi ist ein junger Mann von gerade einmal 19 Jahren, fertig mit der Schule, der auf Wunsch seiner Eltern ein berufsvorbereitendes Jahr machen soll. Allerdings hat dieser darauf überhaupt keine Lust, ist er doch ein leidenschaftlicher Gitarrist und Sänger, der das zu seinem Beruf machen will.

UM: Vom DramaMusical »Rebecca« in Tecklenburg zum Schlager-Musical »Wahnsinn!« nach Duisburg, was hat Sie dazu bewogen, solch ein Spagat zu machen?

Thomas Hohler: Ich bin ja schon in Tecklenburg zwischen dem Comedy-Musical »Shrek« und dem DramaMusical »Rebecca« hin und her geswitcht, und nun bin ich hier bei »Wahnsinn!«. Genau das ist es, was mich an meinem Beruf so begeistert, dass ich alle Genres bedienen kann.

UM: Worauf liegt Ihr Fokus? Eher auf Drama oder auf Comedy?

TH: Der Fokus liegt immer auf dem Stück, das ich gerade spiele. (lacht)

UM: Ist die Musik von Wolfgang Petry leicht zu singen oder schwer? Vielleicht schwerer als Musik, die extra für ein Musical geschrieben wurde?

Dorina Garuci und Thomas Hohler singen ›Gianna‹Foto: Birgit Bernds

Dorina Garuci und Thomas Hohler singen ›Gianna‹
Foto: Birgit Bernds

TH: Was ich anfangs gar nicht wusste, ist die Tatsache, welch ein guter Sänger Wolfgang Petry ist. Man kennt die Lieder natürlich von Partys und kann sie alle mitsingen, aber wenn man sich dann näher mit dem Material auseinandersetzt, merkt man erst einmal, was für eine hervorragende Vorlage Wolfgang Petry da geliefert hat. Da muss man erst einmal herankommen und es sich erarbeiten.

Man denkt leicht: Ach ja Schlager! Doch diese sind gar nicht zu unterschätzen. Vor allem sind es schöne Lieder mit wirklich schönen Themen, ehrliche, kleine, direkte Momente aus dem Leben. Und gerade das macht es für uns Musicaldarsteller zu ganz hervorragendem Material, mit dem wir arbeiten können – denn es ist mein tägliches Brot, mich mit Gefühlen und der Zwischenmenschlichkeit auseinanderzusetzen und daraus Geschichten zu erzählen. Und das kann man mit Wolfgang Petrys Mucke richtig gut. (lacht)

UM: Wie passen die Liedtexte denn in den Fokus der Geschichte?

TH: Sie passen gut. Natürlich wurde eine Geschichte mit den Songs von Wolfgang Petry geschrieben. Das ist ungefähr so wie die Frage, was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Wo fängt man an, das zu betrachten. Jedenfalls funktioniert es sehr gut, ähnlich wie bei den »ABBA«-Songs und »Mamma Mia!«, das finden auch alle großartig. Niemand würde da sagen: »Öhh, die haben aus »ABBA«-Hits ein Musical gemacht.« Die Zuschauer finden es toll, weil es großartig geschrieben ist.
Ich war leider nicht beim ersten Workshop dabei, sondern bin erst beim Vorsingen dazu gekommen, bei dem es bereits erste Spielszenen gab. Ich habe gleich gemerkt, dass das handwerklich sehr gut gemacht ist. Da sitzen Leute, die ihr Handwerk verstehen. Von da an habe ich Blut geleckt und das Ganze hat mich sehr gereizt.

UM: Haben Sie Wolfgang Petry schon kennengelernt?

TH: Alle Kollegen, die beim ersten Workshop dabei waren, haben ihn dort schon kennen gelernt. Ich leider noch nicht, bin aber sicher, dass das noch passieren wird.

Die Albanerin Dorina Garuci spielt Tobis Freundin Gianna. Nachdem sie das Musical »Hairspray« gesehen hatte, verfolgte sie ihren beruflichen Weg. Sie lebt seit 6 Jahren in Wien und hat dort 2016 ihr Studium Musicaltheater an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien mit Auszeichnung abgeschlossen. Seitdem steht sie in Österreich und Deutschland auf der Bühne.
Die Musik von Wolfgang Petry kannte sie bis jetzt nicht und hat sie erst mit ihrer Rolle kennen- und lieben gelernt. Die Rolle der Gianna liegt ihr, weil sich das albanische und das italienische Temperament sehr ähneln.

Paar IV

Mischa Mang und Carina SandhausFoto: Birgit Bernds

Mischa Mang und Carina Sandhaus
Foto: Birgit Bernds

Die vierte Paarung besteht aus Jessica und Wolf. Das ehemalige Paar lebt in verschiedenen Welten. Sie führt nach der Trennung von ihm das Hotel »CASA DEL SOL« auf der Insel »Bahia del Sol«, während er als Wirt die marode Kneipe »Whiskey Bill« betreibt und Peters bester Freund ist. Jessica und Wolf konnten sich nie vergessen und treffen sich nun nach 20 Jahren wieder …

Carina Sandhaus (Donna in »Mamma Mia!«, Oberhausen) und Mischa Mang (Göllä und Dieter in »We Will Rock You«, Köln/Zürich) spielen das ungleiche Paar.

Carina Sandhaus stammt aus dem Ruhrgebiet und studierte an der Universität der Künste in Berlin mit Abschluss auf Diplom. Für sie bedeutet das Theater am Marientor auch Nachhausekommen, denn ihr erstes Engagement nach dem Studium war »Les Misérables« in Duisburg. Während und nach der Ausbildung stand sie auf deutschsprachigen Bühnen, aber auch in Tonstudios für Werbung und Hör- & Lernspiele am Mikrophon.
Die Musik von Wolfgang Petry kennt sie aus ihrer Kindheit, weil ihre Eltern diese gehört haben.

Jessica ist eine sehr bodenständige Person, die weiß, was sie will, aber total aus dem Gleichgewicht gerät, als sie ihre Jugendliebe wieder trifft. Diese Rolle beinhaltet die Herausforderung, den Charakter im Alter von 18 Jahren (in Flashbacks) zu spielen und die Mittvierzigerin im Hier und Heute.

Mischa Mang erhielt seine Schauspiel- und Gesangsausbildung als Stipendiat der Hochbegabtenstiftung an der Hochschule der Künste in Berlin. Schon vor seiner Ausbildung spielte er Berger in »Hair« in Glasgow und sang in diversen Berliner Rockbands. Nach seinem Studium spielte er Rollen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zudem veröffentlichte er bereits drei Solo-Alben. Wolfgang Petry war für ihn, bevor er sich mit dessen Musik auseinander gesetzt hat, immer das Klischee für »Schlagermusik«. Im Musical bekommt diese Musik für ihn eine ganz andere, lebensnahe Qualität.

Wolf ist der Wirt der Kneipe »Whiskey Bill«, in der Tobi mit seiner Band »The Screamers« auftritt, und Peters bester Freund, was auch nicht immer konfliktfrei abläuft.

Gil MehmertFoto: Birgit Bernds

Gil Mehmert
Foto: Birgit Bernds

Am Ende stand uns auch noch Regisseur Gil Mehmert Rede und Antwort.

UM: Wurden Sie angefragt, die Regie für »Wahnsinn!« zu machen?

Gil Mehmert: Das ist ja ein Projekt von Heiko Wohlgemuth und Martin Lingnau, der sich sicher war, dieses Projekt mit mir machen zu wollen. Wie bei »Das Wunder« gibt es verschiedene Zutaten wie Fußball, das Ruhrgebiet, das Schauspielerische und das Psychologische und so war schnell klar, dass wir das zusammen machen.

UM: Hatten Sie keine Vorbehalte?

GM: Ich muss gestehen, dass ich diese zunächst hatte, obwohl ich Wolfgang Petry, langsam wachsend, immer mehr respektiert habe. An sich war die Musik der »ZDF-Hitparade« nicht so meine Welt, ich bin ja mit Jazz und Klassik aufgewachsen. Ich habe aber schon gemerkt, dass Petry ein ernst zu nehmender Künstler ist, der einen gewissen inhaltlichen Kosmos, eigentlich eine Parallelwelt, geschaffen hat. Diese besteht in einer bestimmten Unterhaltungskultur, die ganz erdig, ganz pur und ganz bei sich ist. Spätestens jetzt, nachdem ich mich damit beschäftigt habe, bin ich doch sehr beeindruckt und komplett geläutert.
Ich glaube aber, das ist uns allen hier so gegangen. Und dass man auch über die Songs Charaktere kreieren kann, tut einer Geschichte sehr gut. Es ist eine Geschichte, die nicht im Showgeschäft, sondern im alltäglichen Beziehungs-Wahnsinn spielt.

UM: Haben Sie Wolfgang Petry persönlich kennengelernt?

GM: Ja, wir hatten hier einen Workshop im Juli, der auch noch viel schöner war, als wir uns das vorgestellt hatten. Da kam er dazu und war, glaube ich, selbst sehr überrascht, was man machen kann, wenn man aus den Songs eine Geschichte abstrahiert. Er war total gerührt, was wiederum für uns alle sehr schön war.

UM: War Wolfgang Petry nicht erstaunt, als die Anfrage kam, aus seinen Liedern ein Musical zu machen?

GM: Ich hoffe, ich erzähle jetzt nicht Falsches, aber ich glaube, dass die Idee von Dieter Semmelmann und dem Management von Wolfgang Petry ausgegangen ist, über die Jahre, als Dieter Semmelmann ja auch die Tourneen von ihm betreut hat. Nachdem Wolfgang Petry 1999 seine Bühnenkarriere beendet hat, ist die Zeit nun reif, dieses Musical zu präsentieren, um einen anderen Blickwinkel auf den Künstler zu schaffen. Wir haben sehr harmonisch mit ihm zusammengearbeitet. Er hat sich sogar bestimmte Dinge im Stück gewünscht, wie zum Beispiel das Dixie-Klo und das Motiv Schrottplatz. Dann ging es darum, diese Dinge wie die Karohemden und die Freundschaftsbänder so einzubauen, dass es nicht zu offensichtlich und platt wirkt, sondern alles eine Geschichte bekommt: Wo kommt das her?

UM: Glauben Sie, dass diese Musik auch die jungen Leute heutzutage begeistert?

GM: Ich glaube, wenn eine Musicalmusik dazu in der Lage ist, dann diese, weil sie sehr rockig ist. Sie wurde zudem ein wenig zeitgemäßer arrangiert. Sowohl was die wärmeren und zarteren Farben angeht – es ist auch ein Cello dabei und ein Reed-Spieler – als auch bei den rockigeren Stücken, haben wir mit Sebastian de Domenico, unserem Arrangeur, versucht, die Bandbreite zu vergrößern.

UM: Bei der heutigen Pressevorstellung war einer der Gitarristen dabei, die schon oft mit Wolfgang Petry gespielt haben. Wie kam es dazu?

GM: Das war Zufall. Das ist der Gitarrist, der über 500 Studioaufnahmen für Wolfgang Petry gemacht hat und der mit dieser Gitarre viele der Original-Riffs gespielt hat. Das ist halt eine Musik-Clique. Ob er schon viel Theatermusik gemacht hat, weiß ich nicht, aber heute benötigten wir eine 7-köpfige Band für die Pressekonferenz und so haben wir Markus bekommen.

UM: Also ist noch nicht gesagt, dass er dann hier auch im Orchestergraben sitzt bei den Live-Shows?

GM: Nein, aber wenn, sitzt er auf der Bühne, weil die Band auf der Bühne performt. Ich denke, das gehört bei Wolfgang Petry einfach dazu, dass es eine Rock-Show ist.

›Wahnsinn!‹ - (v.l.): Thomas Hohler, Dorina Garuci, Enrico De Pieri, Vera Bolton, Mischa Mang, Carina Sandhaus, Detlef Leistenschneider und Jessica Kessler Foto: Birgit Bernds

›Wahnsinn!‹ – (v.l.): Thomas Hohler, Dorina Garuci, Enrico De Pieri, Vera Bolton, Mischa Mang, Carina Sandhaus, Detlef Leistenschneider und Jessica Kessler
Foto: Birgit Bernds

Die Interviews führte Birgit Bernds