Ganz besonders gewöhnlich – »Ordinary Days« als deutschsprachige Erstaufführung in der Theatercouch Wien

»Ordinary Days« in Wien 2017Aspiring Artists on Stage

»Ordinary Days« in Wien 2017
Aspiring Artists on Stage

Das von Adam Gwon, einem amerikanischen Newcomer, geschriebene Musical erfährt in der Wiener Theatercouch als Produktion von Aspiring Artists on Stage (»City of Angels«) seine deutschsprachige Erstaufführung. Gwon komponierte vor knapp 10 Jahren ein Kammermusical, das von vier jungen New Yorkern handelt, deren Leben auf wundersame Weise miteinander verbunden sind. Das Team rund um Caroline Frank (Regie) und Masaaki Saito (Klavier) holte das Stück für drei Aufführungen nach Wien und Pascal Jounais übersetzte Gwons Werk.

Regisseurin Caroline Frank ist eine erfahrene Musicaldarstellerin (u. a. Lisa Wartberg in »Ich war noch niemals in New York«), den Theatercouch-Besuchern ist sie als witzige Putzfrau Dakmar aus »Sarg niemals nie« in Erinnerung. Mehrere Jahre gehörte sie zur Besetzung des Kabarett Simpl und des Wiener Metropols. Ihr Regiedebüt gab sie bei der österreichischen Erstaufführung von »Songs for a New World« in Wien. Ihre Inszenierung zeichnet sich durch perfekt ablaufende Übergänge aus. Dabei wird das Publikum auf erfrischende Art und Weise immer wieder von den Darstellern angesprochen, ohne dass dies aufdringlich wirkt. Wenn eine Szene beendet ist, setzen sich die Darsteller ins Publikum und werden zu Zuschauern. Der preisgekrönte Pianist Masaaki Saito, der international als Solist und Kammermusiker tätig ist, begleitet die vier Schauspieler durchgehend während des ganzen Stückes. Außer dem Klavier gibt es keine weiteren Instrumente, was dem Stück eine intime Atmosphäre verleiht. Da »Ordinary Days« rein aus Songs besteht, musste Pascal Jounais viel Arbeit leisten, um die mehr als 20 Lieder ins Deutsche zu übersetzen. Jounais ist eigentlich Musicaldarsteller und derzeit als Patsy in »Monty Python’s Spamalot« im Fritz Theater Bremen zu sehen.

Das Stück lebt von der Performance der vier jungen Darsteller, da auf ein Bühnenbild verzichtet wird und auch die Requisite kaum zum Einsatz kommt. Das Publikum wurde aufgesplittet und einander gegenüber gesetzt. In der Mitte befindet sich die Bühne. Bereits vor Einlass in den Theaterraum schlüpft Philipp Dürnberger (Chris in »Leben ohne Chris« und derzeit Simon in »Jesus Christ Superstar« am Landestheater Niederbayern) in die Rolle des Warren und verteilt Flyer an die Gäste. Den lebensfrohen Warren spielt Dürnberger sehr authentisch, Optimismus und Weltoffenheit kommen beim Publikum an. Durch diese sprühende Energie, gepaart mit seiner kommunikativen Art, kann Warren seine Gegenspielerin Deb schlussendlich doch noch für sich gewinnen. Die chaotische und Fremden gegenüber kritisch eingestellte Deb wird von Lisa Perner verkörpert. Perner beendete zwar erst dieses Jahr ihre Musicalausbildung, konnte aber bereits während ihres Studiums Bühnenerfahrung unter anderem in der Bühne im Berg und an der Volksoper Wien sammeln. Debs schusselige Art führt erst dazu, dass sie Warren kennenlernt. Sie verliert nämlich ihre wichtigen Notizen, die sie dringend für ihre Abschlussarbeit an der Universität benötigt. Verzweifelt und bereits ihr Studium und ihre Lebensweise infrage stellend, erhält sie aber doch noch eine Nachricht von dem Finder ihres Notizbuches – Warren. Er verabredet sich mit ihr im Metropolitan Museum of Art vor einem Manet-Bild. Genervt hetzt sie ins Museum und ärgert sich über den Übergabeort, da sie die Kunst von Manet nicht kennt und ihren Finder nicht aufspüren kann. Perner kann dem Publikum glaubhaft vermitteln, wie viel ihr an dem Notizbuch liegt, und spielt die hektische und zynische Deb sehr glaubhaft. Durch ihre kraftvolle Stimme kommen die Emotionen in den Liedern besonders gut zum Ausdruck.

Zeitgleich befinden sich Jason und Claire ebenfalls im Met. Das Paar Mitte 30 ist erst kürzlich zusammengezogen und Claire ist leicht genervt, da sie sich von geliebten Gegenständen trennen musste, um in der Wohnung Platz für Jason zu machen. Jason wird von Matthias Buchegger (auch Produzent) gespielt, der bisher in kleineren Produktionen wie »Steirermen – Das Musical«, »Der Alptraum des Schauspielers« und 2016 in »City of Angels« zu sehen war. Sein Pendant ist Melanie Grassinger, die als Darstellerin für diverse Produktionen wie Don Carlos in der Oper Burg Gars arbeitet und regelmäßig in der Volksoper auf der Bühne (u. a. »Der Zauberer von Oz«) steht.

Deb und Warren treffen sich endlich und Warren besteht auf einen Kaffee, bevor er ihr das Notizbuch übergibt. Deb sieht das als Zeitverschwendung, lässt sich aber dann doch dazu hinreißen, mit ihm Konversation zu führen. Langsam entwickelt sie Interesse für Warren. Sie erkennt, dass ihm ein Leitbild im Leben fehlt, weil er in den Tag hineinlebt, Flyer verteilt und auf die Katzen eines Künstlers aufpasst.
Claire und Jason streiten, wie in letzter Zeit so oft, und der Zoff gipfelt in einem spontanen Heiratsantrag. Claire ist total überrumpelt, lässt Jason ohne Antwort stehen und läuft zum Dinner mit ihrer Cousine. Dem Romantiker Jason wurde das Herz gebrochen, da er Claires Reaktion nicht nachvollziehen kann. Als Zuschauer empfindet man Mitgefühl mit Buchegger, da er die Enttäuschung sehr gut vermittelt.

Schauplatzwechsel: Deb und Warren treffen sich erneut und er zeigt ihr die Wohnung des Künstlers, wo er auf die Katzen aufpasst. Deb erklärt Warren, dass viel mehr in ihm steckt und jeder Mensch Ziele braucht. Bei Warren ist der »Knoten geplatz« und er will sich von seinen Flyern befreien, indem er Hunderte davon aus dem Fenster des obersten Stockwerkes wirft. Diese empfand er in letzter Zeit ohnehin als Ballast, weil er die Flyer mit motivierenden Sprüchen selbst gestaltet hat und niemand darauf reagierte. Deb ist überrascht und erkennt, dass sie einen von Warrens Flyern seit Monaten in ihrer Tasche herumträgt, weil der Spruch ihr Kraft gab.
Claire befindet sich zeitgleich im gleichen Viertel und sieht die unzähligen Flyer vom Himmel regnen. Sie hat ein Flashback und erinnert sich an den schlimmsten Tag ihres Lebens: Grassinger singt hier das emotionalste Lied des Stückes (im Original ›I’ll be Here‹) so berührend, dass der eine oder andere im Publikum eine Träne verdrückt. Der Song handelt von Claires früherem Freund, mit dem sie bereits Zukunftspläne geschmiedet hatte, als er bei dem Terroranschlag auf die Twin Towers tragisch ums Leben kam. Seitdem konnte sie sich keinem mehr wirklich öffnen, insbesondere Jason nicht. In Gedanken versunken hört sie John zu sich sagen, dass es ok sei, jemand anderen zu lieben und ihm das Ja-Wort zu geben, da er stets an ihrer Seite ist und ihr das Beste wünscht. Claire meldet sich daraufhin bei Jason und nimmt seinen Heiratsantrag freudestrahlend an.

»Ordinary Days« ist kein klassisches Musical, da auf Showeinlagen wie Tänze, Lichteffekte und Bühnenbild komplett verzichtet wird. Man kann es eher als musikalisches Kammerspiel sehen, da die Lieder nicht als unterhaltende Pausenfüller dienen, sondern die Geschichte rund um die vier sympathischen Charaktere erzählen. Die Songs gehen leider nicht allzu sehr ins Ohr, was dem Stück aber nicht zum Verhängnis wird, da der Fokus ohnehin auf der Authentizität der Rollen liegt. Durch die räumliche Aufteilung der Zuschauer und der Darsteller, die immer wieder das Publikum direkt ansprechen und in den Zuschauerreihen verschwinden, wirken die Figuren noch nahbarer und eine Identifizierung mit der einen oder anderen Rolle ist durchaus gegeben.