Probentagebuch von Martin Markert zu »Ludwig 2 – Der König kommt zurück« 2011 in Kempten

Am 7. Juli 2011 feiert in der bigBOX Kempten das Musical ‚Ludwig 2‘ Premiere, für das seit dem 22. Mai geprobt wird.

Martin Markert, der Prinz Otto, den jüngeren Bruder von König Ludwigs II. spielt und offiziell seit dem 10. Juni auch die Titelrolle covert, berichtet exklusiv für uns von seinen Eindrücken und Erlebnissen bei den Proben.

Herzlich Willkommen und die ersten Probentage

Stand 1. Juni 2011

Hallo,

ich begrüße Euch alle zu meinem Probentagebuch zur großen Neuinszenierung von ‚Ludwig 2 – Der König kommt zurück‘. Seit dem 22. Mai 2011 sind wir fleißig am Proben – hier in Kempten.

Das Team besteht zur Hälfte aus Ehemaligen der Füssener Produktion und zur anderen Hälfte aus ganz neuen Mitgliedern.

In übernehme in der „Kemptner Fassung“ von ‚Ludwig 2‘ die Erstbesetzung des Prinz Otto von Bayern. Auch ich war damals Teil der Füssener Produktion. Es war mein erster großer Job nach der Musical-Academy. Ich war damals ein Cover von Otto und dies meine erste richtige Rolle auf einer großen Musicalbühne. Geprägt und bekannt wurde dieser Part vor allem durch André Eisermann, der einigen von Euch sicher ein Begriff ist. Ich hatte damals viel mit ihm daran gearbeitet. Jetzt bin ich total froh und dankbar, dass ich den Otto neu kreieren und gemeinsam mit dem Regisseur anlegen darf.

Hier eine kurze Beschreibung zur Figur:

Prinz Otto war nach dem Tode Ludwigs II. rechtmäßig der letzte König von Bayern. Er und sein Bruder standen sich sehr nahe. Leider wurde Otto später psychisch krank und litt zum Ende unter starker Klaustrophobie. Er war einer der ersten Patienten, an dem psychatrische Experimente vollzogen wurden. Teilweise waren diese wirklich grausam …

In unserem Musical gibt es fantastische Musik voller wunderschöner Melodien. Das Besondere an ‚Ludwig 2‘ ist, dass die Musiken zweier großartiger Komponisten unter einem Filmmusik-Arrangeur zu einem musikalischen Werk wurden. ‚Ludwig 2‘ hat wirklich ganz tolle Songs und musikalische Emotionen zu bieten.

Allerdings ist Otto eher weniger eine große Gesangs-Partie. Hier geht es wirklich um starkes Schauspiel.

Vor zwei Wochen war dann Probenbeginn. Das war wirklich ein unglaubliches Erlebnis. Ganz besonders und teilweise da wie ein „Flash-Back“: Ich kam direkt aus Winterthur, wo ich gerade für die letzten Shows von ‚Space-Dream‘ auf der Bühne gestanden hatte.

Im Dezember 2006 hatte ich meine letzte Show in Füssen erlebt, und jetzt gingen auf einmal die Proben wieder los. Ich habe liebe Kollegen nach den Jahren nun das erste Mal wiedergesehen.

Wir arbeiten mit einem völlig neuen Creativ-Team und neuen Bühnenbild. Am ersten Probentag war es also besonders aufregend. So ein Probenbeginn ist ohnehin immer aufregend, aber diesmal war er es ganz besonders. Nach vielen Umarmungen und kleinen Gesprächen haben wir in den ersten Stunden alle gemeinsam das Skript gelesen und die Songs angesungen. Ach, war das schön! … Langsam aber sicher sind wir wieder in die Königsgeschichte eingestiegen. Dabei gab es des Öfteren Gänsehaut und ich fühlte mich sechs Jahre zurück versetzt.

Musikalisch haben wir natürlich schon viel gearbeitet. Wir alle hatten das alles gar nicht so schwer und anspruchsvoll in Erinnerung … Ich bin im hohen Tenor eingeteilt und habe da noch einiges Training vor mir. Aber gerade die großen Ensemble Nummern, machen Ludwig einzigartig. Als wir vergangenen Dienstag das erste Mal, das große Finale Kalte Sterne durch gesungen haben, lag eine ganz besondere Energie im Raum. Dieses Finale ist eine der schönsten Musiknummern, die ich je gesungen habe.

Die nächsten Tage ging es schon rasant weiter. In den ersten Wochen versucht man, so viele Szenen wie möglich anzulegen. Alles soll zu einem Grundgerüst werden, damit man dann intensiv darauf aufbauen kann.

Für Otto hatte ich schon recht viele Proben. Im 2. Akt gibt es eine große Otto-Szene, die wirklich intensiv ist. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, alles neu zu finden und die alte Produktion erst mal außen vor zu lassen. Bisher klappt es ganz gut. Der Regisseur ist aber auch echt klasse. Allerdings haben wir sehr viel neuen Text. Und wenn man dann so richtig in der Szene ist, kommt leider öfter der alte Text zurück. Das ist noch eine große Herausforderung. Ich werde nun aber schon immer sicherer in meiner Ottos-Szene und jeden Tag kommt etwas dazu. Ich kann schon so viel verraten, es ist definitiv ganz anders, als damals in Füssen. Für mich irgendwie ehrlicher und tiefgründiger.

Die letzten Tage hatten wir dann die Proben für die „Krönung“. Das ist eines der größten Bilder im Stück und muss gut organisiert sein. Da passieren so viele kleine Dinge. Es wird getanzt, wichtige Figuren werden eingeführt und Standpunkte werden klar dargelegt. Und das Ganze mit dem gesamten Ensemble. Puh, das alles zu einem organischen Ablauf zu bekommen, war nicht leicht. Aber heute Abend stand dann alles im Grundgerüst.

Gestern Abend gab es noch ein ganz besonderes Highlight. Wir haben eine Privat-Führung nur für unsere Besetzung im Schloss Neuschwanstein bekommen. Wir waren da ganz allein und konnten in jedem Saal so lange bleiben, wie wir wollten. Wir hatten eine ganz tolle und sehr nette Führerin. Diese konnte ich dann auch mit vielen Fragen löchern. Zum Ende hin haben wir dann oben im Sängersaal ein paar Zeilen aus unserer „Krönung gesungen. Einfach mal so a capella rumprobiert. Und dann durften wir uns alle setzen, und haben gemeinsam die Ouvertüre von Richard Wagners ‚Tannhäuser‘ gehört. Da stand man den Emotionen schon sehr nahe, und für die weitere Probenarbeit hilft so ein Erlebnis natürlich enorm. Heute Morgen hatte ich dann noch ein Casting und vielleicht kann ich da demnächst schon etwas berichten. Dementsprechend bin ich gerade total übermüdet und echt erledigt.

Mein Bett ruft. Morgen geht es pünktlich um 10:00 Uhr mit der Krönung weiter.

Ich freue mich auf die Zeit mit Euch hier auf MusicalClub24 und bedanke mich schon jetzt fürs aktive Mitverfolgen meiner Erzählungen.

Alles Liebe,

Martin

Dienstag, 7. Juni 2011

Hallo Ihr Lieben,

gerade komme ich von einem intensiven und guten Probentag nach Hause. Heute haben wir einiges gemacht. Angefangen haben wir heute morgen um 10:00 Uhr mit einer völlig neuen Szene: „Der Biertischler“. Dies ist eine Szene, die wir heute das erste mal angegangen sind. Das heißt, wir haben uns langsam herangetastet und zunächst die Choreographie gelernt. Diese war gar nicht so einfach, denn es ist ein Schuhplattler darin verarbeitet. Es soll später richtig „krachen“ auf der Bühne. Natürlich müssen wir den Plattler dafür alle perfekt drauf haben. Denn mit den Bayern ist auf dem Gebiet nicht zu spaßen. Wir hatten richtig Gaudi bei der Probe und am Ende hat alles schon recht gut funktioniert.

Ich war heute morgen total müde, da ich irgendwie nicht so gut geschlafen hatte. Somit war es zunächst ein wenig schwierig sich zu konzentrieren. Danach ging es an die „König-Technik“ Szene. Die haben wir letzten Samstag das erste Mal gestellt. Ich übernehme in dieser Szene den Assistenten des Erfinders. Der hat eine schöne Gesangssequenz, die eher Richtung Oper geht. Wir hatten in der damaligen Aufführung einen richtigen Opernsänger in der Cast, und für ihn wurde diese kleine Sequenz geschrieben. Ja und dann habe ich letzten Freitag erfahren, dass ich diese Rolle übernehme. Dann habe ich den Part am Freitag noch ein paar Mal zu Hause durchgesungen und am nächsten Morgen ging es dann in die Vollen. Es war so eine lustige Probe. Wir haben gemeinsam mit dem Regisseur und Choreographen entwickelt und unglaublich viel gelacht. Es ist ohnehin eine eher komische, aber trotzdem sehr wichtige Szene. Wenn man dann einmal anfängt, die Witze auseinander zu nehmen, legt man ja gerne noch eins drauf. Und da gab es kaum noch ein Halten und alles endete mit einem Männerballett, die Schwanensee tanzten.

Als wir die Szene dann am Montag wiederholt haben, wurde sie schon ein wenig geschliffen. Jetzt ist sie fast fertig. Ich hatte da noch ein lustiges Erlebnis: In der Szene werden ein paar Figuren über dem Erfinder und dem Assistenten stehen. Ich habe das nicht wirklich wahrgenommen und alle brav angespielt. Irgendwann hat der Regisseur mich im Lied unterbrochen und meinte nur „Martin, die sind da gar nicht da. Warum springst Du so wild umher“. Da hab ich geschaut wie ein Auto und alle haben gelacht. Nachdem er mir dann alles noch einmal erklärt hatte, habe ich dann auch erst mal gelacht. Dann mussten alle wieder den Ernst finden und weiter ging es. In der gleichen Szene haben wir gestern eine etwas aufwendigere Choreographie eingeübt. Heute stellte sich dann beim sog. „Putzen“ der Choreo heraus, dass eine Person da gar nicht mittanzen kann. Somit musste alles umgestellt werden und einige Kollegen müssen nun alles neu lernen und zwar spiegelverkehrt. Da haben wir alle nicht schlecht gestaunt. Und übrigens das Schwanenballett ist leider wieder draußen. Da waren wir dann wohl am Samstag doch zu sehr in der Szene.  :-)

Letzten Samstag-Nachmittag hatte ich gemeinsam mit Janet (Janet Marie Chvatal, Erstbesetzung der Elisabeth, Kaiserin von Österreich) und Marc (Marc Gremm, Erstbesetzung der Titelrolle) eine Promo in Füssen. Ich war dort als „Schattenmann“ Diese Rolle hatte ich 2006 alternierend gespielt. Der Schattenmann singt die bekannte Schattenarie. Ein so tolles Lied! Wahnsinn …! Da kann man die „Sänger-Seele“ voll auskosten auf der Bühne. Nach vier Jahren stand ich dann bei strahlenden Sonnenschein am Forggensee. Gegenüber das Schloss Neuschwanstein. Und sang das erste Mal wieder die Schattenarie. Ich hatte ja die letzten Monate eher „Rock-Pop“ gesungen. Also war ich mega nervös, ob das auch alles gut geht. Es waren sehr viele Leute da. Aber als das Intro begann, war ich sofort wieder in der Rolle. Und dann hat es sich nur noch „super“ angefühlt. Ich konnte mit der ganzen Umgebung spielen. Ein unglaublich schönes Gefühl!

Janet und Marc haben dann das Duett von Sisi und Ludwig gesungen und noch zwei Evergreens. Sie haben die Leute einfach mitgerissen. Wirklich toll …! Und dann wurde unser Auftritt mit viel Applaus und positivem Feedback belohnt. Einige haben daraufhin ihren Besuch in Kempten angekündigt! Am Abend hatte ich dann einen schönen Sonnenbrand im Gesicht.

Morgen haben wir eine große Promo fürs TV. Wir zeigen einen exklusiven Probeneinblick. Das erste Mal wird ein Teil der „Krönung“ gezeigt. Dafür haben wir noch viel gearbeitet und „geputzt“. Ich freue mich richtig darauf. Bin gespannt wie es ankommt. Es ist jetzt eh noch viel an Promo geplant: Denn jetzt kommen wir langsam in die „heiße Phase.“ Die Proben werden immer detaillierter, und einzelne Szenen folgen schon im Ablauf. Langsam kommen erste Kostüme und Requisiten an. Das ist sehr spannend. Heute habe ich auch schon mal heimlich in den großen Zuschauersaal der bigBox geschaut. Man ist der riesig! Das Grundgerüst der Bühne steht so gut wie. Ich habe sehr gestaunt, wie groß das alles ist: Wir proben ja gerade in einem relativ kleinen Saal im Keller der bigBox. Das wird dann sehr spannend, wenn alles auf die große Bühne kommt. Da werden Szenen und Bilder teilweise ganz anders wirken. Bis dahin kommt noch sehr viel Arbeit auf uns zu. Aber es ist eine traumhafte Arbeit. Das Team wächst immer enger zusammen, und wir haben gemeinsam eine Menge Spaß.

So, dann gehe ich noch einmal den Schuhplattler vor dem Spiegel durch und dann auf ins Bett.

Samstag, 11. Juni

Das Casting für Zweitbesetzung Ludwig II.

Hallo liebe Tagebuchleser,

heute kann ich als erstes etwas, für mich besonders Schönes verkünden. Seit gestern ist es offiziell: Ich werde nun auch in einigen Vorstellung als König Ludwig II. auf der Bühne stehen.

Ich hatte euch ja geschrieben, dass es ein Vorsingen gab. An diesem Tag haben ich und einige andere Kollegen für das Cover von Ludwig vorgesungen. Ein Cover ist eine sogenannte Zweitbesetzung. Das heißt, ich übernehme zusätzlich zu meiner Erstbesetzung Prinz Otto von Bayern, die Zweitbesetzung des Königs. Ich muss die Rolle des Königs komplett einstudieren und immer, wenn die Erstbesetzung nicht spielen kann, werde ich sie ersetzen. Dies ist eine tolle Sache, denn es bedeutet noch mehr Abwechslung im Spiel.

Das Casting war ganz schön anstrengend. Vor allem, weil wir am Tag vorher viel geprobt hatten und abends noch lange im Schloss Neuschwanstein waren. Die letzten Wochen habe ich immer zwischen den Proben irgendwo und Geliebte Berge geübt. Denn im Casting sollte das ja alles gut funktionieren. Ich war dann aber doch wahnsinnig nervös. Da habe ich beim ersten Mal Kalte Sterne eine Menge Text durcheinander gebracht. Aber beim zweiten Mal hat alles gut geklappt. Und letztendlich ist es ist ja traumhaft ausgegangen. :-)) Ich freue mich wirklich sehr.

Gestern hatte ich meine ersten musikalischen Proben für Ludwig. Intensiv habe wir an Kalte Sterne und Es ist bei Hof nicht Mode gearbeitet. Das war eine sehr kreative Arbeit. Allerdings musste ich hoch konzentriert sein. Denn ich habe noch die alten Texte im Ohr und muss ja auf die Neuen umsteigen. Es ist bei Hof nicht Mode ist ein besondere Herausforderung. Denn hier singt der Sänger teilweise komplett konträr zur Musik. Dieses Lied ist eigentlich fast eine große Opernnummer. Ich freue mich schon, wenn es dann auch an die Schauspiel-Arbeit geht.

Unsere „König Technik“-Szene steht nun komplett. Heute haben wir schon einige tolle Durchläufe von dieser Szene gehabt. Es macht Riesenspaß … Vorgestern hatte ich genau in den Proben für die Technik Szene noch ziemlichen privaten Stress … Mein Vermieter hat sich aus Berlin gemeldet. Er meinte, meine Wohnung steht unter Wasser. Da waren meine Nerven fast am Ende. Auf der einen Seite höchste Konzentration für die Tanzproben und auf der anderen Seite die Sorgen wegen meiner Wohnung. Dann musste ich erst mal neben den Proben übers Handy Vieles organisieren. Aber letzten Endes ist alles gut ausgegangen, und es war falscher Alarm. Meine Wohnung war vollkommen trocken.

Gestern hatten wir dann ganz intensive Chorproben …uff — das war wie im Fitnessstudio. Immer und immer wieder wurden die Stimmen geübt. Und die einzelnen Stimmen in „Ludwig 2“ erfordern wirklich höchsten Körpereinsatz. Am Abend war ich fertig wie nach zwei Stunden Crosstrainer. Aber es war sehr effektiv!

Um einen kleinen Eindruck zu geben. Zum Einsingen haben wir folgende Übung durchgeführt:

Gemeinsam haben wir alle folgenden Satz gesungen:

„Tante Anna hat in Ihrer Badewanne einen Elefanten.“

Bei dieser Übung geht man dann immer höher.

Das war vielleicht lustig, als wir das alle voller Inbrunst zum Besten gegeben haben :-D

Heute haben wir die „Biergartenszene“ fertig gestellt und am Abend das erste Mal die „Krönung“ mit dem gesamten Ensemble und allen Statisten geprobt. Da wurde unserem Choregraphen-Team Einiges abverlangt: Knapp 30 Leute in einem Tanzstudio, die alle Fragen haben und noch einmal Schrittfolgen erklärt bekommen wollten. Auf einmal waren Positionen da und Tanzpaare da, die vorher immer nur erahnt wurden. Alles war auf einmal anders.

Aber am Ende der Probe war sie da: „Die Krönung von unseren Kini“.

Übringens, der Schuhplattler klappt zur Zeit wirklich gut! Jeder übt immer irgendwo auf dem Flur oder in einem kurzen freien Moment im Tanzstudio.

Auf bald,

Euer Martin

Donnerstag, 16. Juni

Hallo ihr Lieben,

puh — hinter mir liegen ein paar sehr intensive Probentage. Wir hatten ja leider kein Pfingstwochenende, sondern haben durchgearbeitet. Das ist allerdings ganz normal. Man kann ja nicht den Probenprozess einfach unterbrechen, weil Feiertage sind. Wenn der Kreative-Fluss erst einmal geweckt ist, muss man dran bleiben. Der Fokus in den letzten Tagen lag besonders auf den Choreographien und Chören.

Wir haben täglich all unsere Choreographien wiederholt und geputzt. Sie müssen jetzt einfach hundertprozentig sitzen, da dafür in der weiteren Probenarbeit kaum noch Zeit ist. Denn gestern Abend hieß es endlich: „Cast on Stage“. Das ist einer der ganz besonderen Momente in der Erarbeitung eines Stückes. Bis dahin probiert man ja immer auf der Probenbühne oder im Tanzstudio. Da muss der Darsteller viel Fantasie haben. Alles ist nur halb angedeutet oder gar nicht vorhanden. Auch arbeitet man natürlich nur mit kleinen Probenrequisiten. Der Boden auf der Probenbühne hat lauter wilde Markierungen und Linien. Das sieht manchmal wie eine „Landkarte“ aus. Aber an Hand dieser Bemalung lernen die Darsteller ihre genauen Positionen und die Abläufe.

Doch dann kommt der große Moment: endlich auf die Bühne! Aber nun gibt es kaum noch Markierungen, und alles ist auf einmal so groß. Wofür ich vorher einen Schritt brauchte, muss ich jetzt fünf machen. Das bedeutet sich erst einmal umgewöhnen. Auch müssen die Szenen, die ja im intimeren Rahmen erarbeitet wurden, größer werden. Denn jetzt sitzen fast 1600 Leute im Saal und wollen alle mitbekommen, was geschieht. Es wartet eine sehr spannende Arbeit auf uns. Die Figuren und die Abläufe werden immer klarer und setzten sich fest. Oft probieren wir im großen Rahmen noch ganz anderes aus, neue Ideen kommen dazu oder das Kreativ-Team sieht von außen, dass manches, was auf der Probenbühne super funktionierte, im Saal keine Wirkung zeigt. Da muss man als Darsteller verdammt offen und flexibel sein.

Um uns langsam an die „echte“ Bühne heranzutasten, haben wir ein paar Szenen erst einmal ausprobiert. Die „Klinik-Otto Szene“, stand auch auf dem Programm. Da war ich schon ein wenig aufgeregt. Ich bin vorher mal hoch in die letzte Zuschauerreihe gegangen, um ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen. Man hat echt einen tollen Blick auf die Bühne. Sie ist auch so entworfen, dass man von überall beste Einsicht hat. Doch, die Halle ist riesig. Da habe ich mir dann Gedanken gemacht, wie die Otto-Szene funktionieren soll. In den oberen Reihen bekommt man ja doch nicht zu 100% die Mimik und Gestik mit. Wenn ich aber zu groß spiele wird das auch schnell Kindertheater… Dann haben wir die Szene ausprobiert, und es lief ganz gut. Sie muss jetzt natürlich noch geschliffen und tatsächlich auch ein wenig größer gespielt werden. Aber ich hätte mir keinesfalls solche Sorgen machen müssen. Das Stück passt gut in die Halle. Es ist einfach perfekt für die bigBox und die Gegebenheiten entwickelt. Echt super!

Nun beginnt eigentlich die Phase, die so magisch ist. Jetzt kommt „Ludwig 2“ auf die Bühne — jeden Tag ein wenig mehr. Es ist ein wunderschönes Gefühl, dabei zu sein: zu sehen, wie von Tag zu Tag die Szenen wachsen und die Original Requisiten und Kostüme dazu kommen. Das Licht, der Ton, der Bühnenzauber …

Gestern Vormittag hatten wir unseren aller ersten Step by Step Ablauf. Das war so spannend! Alle saßen auf der Probenbühne und haben die einzelnen Szenen hoch konzentriert verfolgt. Da wir ja so viel parallel proben und in vielen Nummer das Ensemble gar nicht dabei ist, haben wir vieles gestern das erste Mal gesehen. Dieser Durchlauf war natürlich auf das Nötige beschränkt und für jemanden von außerhalb wohl eher weniger als das große „Ludwig 2“-Musical zu erkennen. So ein Ablauf ist auch mehr dafür da, um ein Gefühl für die gesamte Handlung zu bekommen. Um genau zu wissen, wann trete ich wo auf, wann ist welche Szene …wo bin ich überhaupt überall dabei.

Am Montag hatten wir ganz intensive musikalische Proben. Es wurde den ganzen Vormittag gesungen was das Zeug hält. Gleich am Morgen ging es mit dem Finale Kalte Sterne los. Die Stimme saß, trotz Einsingen, noch sehr unbequem, und ich war noch ziemlich müde. Das hatte da noch wenig mit Kunst und Gesangsseele zu tun. Höchste Aufmerksamkeit war von jedem verlangt. Unserer musikalischer Leiter hat einzelne Stimmen immer und immer wieder wiederholt. Eine Stelle war in König Technik. Da hat der Alt eine besonders schwere Linie: Die Armen mussten das ständig nochmals singen, bis es ganz sauber war. Da hat der Rest des Ensembles irgendwann immer mitgesungen. Und dann hieß es auf einmal: „Jetzt den gesamten Chor!“ Für einen Moment konnten wir nur noch „Alt“ singen ;-) *

Die Proben waren auch so intensiv, da am Dienstag die ganzen Chor-Aufnahmen stattfanden. Dafür wurde ein großer Saal in der bigBox zum Tonstudio umfunktioniert. Ein Tontechniker kam aus München und brachte sämtliches Equipment mit. Chöre werden meist in großen Räumen aufgenommen, um einen besonders echten Chorklang zu erzielen. Es werden auch nicht die Stimmgruppen einzeln aufgenommen, sondern alle zusammen. So mischt sich alles perfekt zu einem runden Chor. Der ganze Saal bestand nur noch aus Kabel, Kabel, Kabel … dazu Mikros und für jeden Kopfhörer … Die Aufnahmen waren schon ein wenig anstrengend. Am Abend habe ich mich wie ein ausgedrückter Schwamm gefühlt. An so einem Aufnahmetag mache ich mir immer selbst ein wenig Druck — denn alles soll perfekt sein. Man hört ja jede Kleinigkeit auf der CD. Somit werden einzelne Linien auch gern mal öfter eingesungen. Und schon erwähnt – haben es die Ludwig-Chöre echt in sich. Unser musikalischer Leiter und unser Aufnahmeleiter waren da gnadenlos. Am Ende des Tages haben wir dann leider doch nicht alles geschafft: Aber für die Qualität musste das einfach so sein: somit haben wir demnächst noch einen zweiten Aufnahmetag. Dann wird das Studio erneut aufgebaut …

Donnerstag, 24. Juni

Hallo Ihr Lieben,

diesmal melde ich mich zwischen den Proben direkt aus der BigBox in Kempten. Wir haben gerade Mittagspause. Heute fällt die Pause etwas länger aus, da einige gerade im Tonstudio, Lieder für die neue Ludwig 2-CD einsingen. Die Aufnahmen müssen um die Proben herum gelegt werden, damit nicht zu viele fehlen.

Mittlerweile sind die Proben noch intensiver geworden. Wir proben seit ca. 6 Tagen immer von Morgens um 10:00 Uhr bis Abends um 22:00 Uhr. Wenn ich dann nach Hause komme, heißt es Text lernen für den Ludwig II. und morgens beim Frühstück wird alles noch einmal durchgegangen. Der Text muss jetzt auch perfekt sitzen. Es gibt im Stück einen kleinen Monolog, der nur aus „originalen – wirklich gesprochenen Worten“ – des Königs besteht. Ich hatte ein wenig Mühe, diese Zeilen in den Kopf zu bekommen. Aber jetzt sitzt es. Wenn ich den Monolog übe, spreche ich echte Worte und Gedanken von Ludwig II. Aus – das fühlt sich unglaublich an und ist teilweise total unwirklich! Ich sage eh den ganzen Tag (beim Einkaufen, Tanken, Abwaschen, unter der Dusche etc.) irgendwelche Textstellen von Ludwig aus dem Musical auf. So gehe ich es immer und immer wieder durch, und der Text wird zur Routine. Das ist wichtig, damit ich dann mit dem Text frei spielen kann. Denn der Bühnenfigur Ludwig fallen die Worte ja gerade in diesem Moment ein. Es muss auch bei mir so wirken, als ob ich vorher nicht wüsste, was ich sagen werde.

Ich sauge die Proben gerade förmlich auf. Jedes kleine Detail, jede neue Anweisung und jeder Schritt wird notiert. Ich muss in meiner „Bibel“ alles bis ins kleinste Detail eintragen. Damit ich dann bestens ausgerüstet, in den Märchenkönig schlüpfen kann. Da ist ganz schön was los. Es sind noch nicht alle Szenen ausgereift und perfekt gestellt. Sie befinden sich noch im sog. „Kreativen Finden“. Das heißt, was ich heute aufschreibe und mir auch sofort einpräge, muss nicht unbedingt bei der nächsten Probe auch so sein.

Teilweise bin ich dann auch noch nach den Proben noch ins Tonstudio gegangen. Ich bin gerade wirklich durch und durch mit Ludwig eingedeckt :-) ein schönes Gefühl.

Vor ca. vier Tagen hatten wir eine seltsame Situation im Theater:

Da kam am Morgen zum Probenbeginn einfach eine Frau in die Halle und hat sich in den Zuschauerbereich gesetzt. Niemand kannte sie. Dann ist unsere Produktionsleitung zu ihr gegangen und hat sie angesprochen. Daraufhin fragte sie, ob es nicht eine schöne Rolle für sie in der Show gäbe … Sie wäre extra von weit her gekommen, um eine Rolle in Ludwig 2 zu ergattern. Da hat die Mitarbeiterin der Produktion nicht schlecht gestaunt. Sie hat die Frau dann nach Hause geschickt. Allerdings ging das nicht so einfach. Die Dame wollte unbedingt irgend etwas bei Ludwig 2 auf der Bühne machen.

Vorgestern hatte ich Kostümanprobe. Ich habe meine Paradeuniform für die Krönung anprobiert. Als ich dann drin steckte und noch die Orden, der goldene Gürtel und die Epauletten dran gehalten wurden … das war vielleicht ein Gefühl. Da hab ich mich wirklich wie der Prinz von Bayern gefühlt. Das sind die Momente, wo ich noch immer kaum fassen kann, dass ich tatsächlich meinen Traumberuf lebe. Diese Chance, immer wieder in neue Charaktere zu schlüpfen, ist kaum in Worte zu fassen.

Danach habe ich noch meine Tracht für den Schuhplattler anprobiert: Die gefällt mir auch super. Unter uns: Ich find‘ sie sogar schöner, als damals in Füssen. Ich weiß noch, wie die Amerikaner mich als blonden Norddeutschen in dieser Tracht geliebt haben. So stellen die sich ja Deutschland vor ;-) Ja und jetzt tanze ich noch einen Schuhplattler und halte a Mass Bier in dieser Tracht. Ach, da freue ich mich schon drauf.

Unsere Bühne ist nun schon zur richtigen Bühne mit allem drum und dran geworden. Der blaue Samtvorhang hängt. Massen an Licht, Kabeln und Lautsprecher wurden aufgehangen. Gestern kamen wir das erste Mal in den Genuss des kompletten Tons bei den Proben. Das heißt, ab jetzt hat jeder sein eigenes Mikro, und die Tonabteilung beginnt die Show für sich und das Publikum zu konzipieren. Damit der Zuschauer dann später den bestmöglichen Klang erlebt. Die ersten großen Kulissenteile sind jetzt auch schon eingebaut. Ihr glaubt gar nicht, was diese Dinge so in der riesigen bigBox bewirkt haben. Auf einmal herrscht richtige Theater-Energie und König Ludwig ist in der Halle angekommen.

So, jetzt geht es wieder los.

Heute Abend haben wir einen komplett Durchlauf mit dem gesamten Ensemble und dem kleinen Wiggerl.

Liebe Grüße aus dem schönen Allgäu

Martin

Donnerstag, 30. Juni

Hallo liebe Tagebuchleser,

heute hatte ich einen ganz entspannten Vormittag, da wir zum Glück erst um 17:00 Uhr Proben haben. Das ist allerdings eine Ausnahme … Die Technik brauchte die Zeit, um die Bühne weiter einzurichten. Das kam uns Darstellern nun zu Gute. Allerdings hatten wir das Ausschlafen auch echt nötig. Die letzten Probentage gingen immer bis 23:30 Uhr.

Wir haben zur Zeit immer am Vormittag einzelne Szenenproben und am Abend dann einen kompletten Durchlauf mit anschließender Nachbesprechung. Das Stück und die Übergänge werden auch von Tag zu Tag flüssiger. Jetzt, wo man es im Ablauf sieht und spielt, wird man selbst immer mehr mit der eigenen Rolle „eins“.

Seit Montag ist auch unser ‚Schattenmann‘ bei den Proben dabei. Somit sind wir nun wirklich komplett.

Letzter Sonntag war unserer freier Tag. An diesem Tag war auch endlich das schöne Wetter zurück. Es war ein traumhafter Tag. Ich habe den Tag genutzt, um mich noch einmal ganz intensiv auf die Rolle des Königs vorzubereiten. Und wo geht das besser als in seinen Bergen. Ich bin rausgegangen …, auf die umliegenden Hügel geklettert, über die Wiesen gegangen und habe eine einsame Bank gefunden. Von dieser Bank hatte ich praktisch einen glasklaren Panoramablick auf das Allgäu. Und dann habe ich da oben die gesamte Rolle durchgespielt und durchgesungen – vieles wiederholt und versucht, andere „Farben“ zu finden. Ich sag Euch, wenn man bei so schönem Sonnenschein auf einer einsamen Holzbank sitzt, die wunderschönen Berge mit den Allgäu-Kühen …ringsum kleine Seen, Hütten und Kapellen sieht … und dann den Titel Geliebte Berge singt, das ist ein besonderer Genuss! Da bin ich mit der Natur für kleine Momente verschmolzen. Und das prägt sich natürlich ein. Auf der Bühne kann man dann so einen Eindruck ganz schnell wieder für sich kreieren: Wenn ich dann in der bigBox als reifer König Geliebte Berge singe, sehe ich diese wunderschöne Natur vor mir.

Am darauffolgenden Montag und Dienstag hatte ich in den Vormittagsproben dann meine ersten szenischen Proben für Ludwig II. Da war ich recht nervös … Wenn man die Szenen immer für sich durchgeht und alles im Kopf durchdenkt, ist es auf der großen Bühne mit Mikro schon etwas anderes. Vor allem habe ich die letzten Wochen versucht, meinen „Märchenkönig“ zu entwickeln und zu finden. Ja und am Montag habe ich dann gehofft, dass ich auf dem richtigen Weg bin und das was ich mir so ausgedacht habe, funktioniert. Letztendlich folge ich dann auf der Bühne natürlich meinen Instinkten. Aber es gibt viele „Stagings“ und technische Vorgaben. Die Kunst ist nun, diese Vorgaben ganz natürlich in die Figur des Ludwig II. einfließen zu lassen und alles mit einander zu verbinden. Die Proben sind wie im Flug vergangen und haben riesig Spaß gemacht.

Am Dienstag hatten wir das erste Mal eine echt Blaskapelle für die „Schuhplattlerszene“. Das war ein Spaß .. Jetzt ging es mit richtig „Wums“ ans Platteln :-) Aber das war gar nicht so einfach. Bisher haben wir die Szene ja immer nur mit Klavierbegleitung geübt. Vor allem hatten wir da auch ein eingespieltes Tempo. Die Kapelle bringt allerdings ein eigenes Tempo mit. Bei der ersten Kapellen-Probe ging’s da richtig schnell zur Sache. Wir haben jetzt jeden Tag immer zwei Blaskapellen in der Probe. Mit jeder wird der Plattler durchgegangenen. Da kommt man richtig ins Schwitzen. Geplant ist dann für die Spielzeit, dass wir jede Woche eine andere Blaskapelle aus der Allgäuregion in der Show haben. Wirklich lustig!

Vorgestern war ich dann noch einmal zwischen den Proben mit Matthias im Tonstudio. Wir haben da das Bruderduett – „Marschiere flüstern die Wände“ eingesungen. Das hat zum Glück auch gut geklappt und war dann in dieser langen Pause erledigt.

Heute Abend ist wieder ein Durchlauf, bei dem die ersten Kostüme und Haarteile mit auf die Bühne „genommen“ werden. Da kommt also noch einmal ein wichtiger Teil dazu: Denn im Kostüm fühlt man sich gleich ganz anders. Seit zwei Tagen probe ich in meinen Original- Bühnenschuhen. Das macht auch schon viel aus. Doch meine Uniformjacke wird mir heute Abend noch einmal mehr helfen.

Vor dem Durchlauf haben wir noch mit den Statisten zusammen ein paar „Umbau-Proben“. Das sind Proben, die rein für den technischen und schnellen Umbau der einzelnen Szenen benötigt werden. Unsere Statisten sind nämlich nicht nur auf der Bühne, sondern helfen auch aktiv hinter der Bühne mit. Sie machen wirklich einen großartigen Job, und ohne sie wäre „Ludwig 2“ schon schwer auf die Bühne zu bringen.

Morgen ist dann unsere erste Hauptprobe. Das sind dann die wirklichen Endproben. Hier kommt das erste Mal Licht und volles Kostüm dazu.

Und dann ist es ja nun wirklich nur noch ein Katzensprung bis zur Premiere. Nächsten Montag ist Generalprobe, und ab Dienstag sitzen endlich Leute im Publikum. Ich kann es kaum erwarten, in die staunenden und berührten Augen zu blicken. Diese spezielle Energie zu fühlen, wenn wir alle gemeinsam den König auferstehen lassen.

Aber bis dahin ist noch ein straffes Programm zu bewältigen. Jetzt werde ich mich schön einsingen, und dann gehe ich noch schnelle ein paar Szenen als Ludwig im Kopf durch.

Dann muss ich eigentlich schon los ins Theater.

Euch wünsche ich eine schöne Zeit!

Alles Liebe

Martin

Donnerstag, 27. Juli

Hallo liebe Tagebuchleser,

entschuldigt, dass der Abschlussbericht zu meinem Probentagebuch erst jetzt kommt. Aber es war doch verdammt viel los in den letzten Wochen …

Bei meinem letzten Eintrag standen wir ja kurz vor der Generalprobe, und jetzt spielen wir schon eine ganze Zeit. Die Generalprobe hat Spaß gemacht, denn das ist sozusagen der Abschluss der harten Probenzeit. Sie lief ziemlich gut … Wenn sie zu gut läuft, ist das aber ein schlechtes Omen. Also waren wir ganz zufrieden mit jedem kleineren Fehler. Technisch waren allerdings noch einige Hindernisse zu bewältigen. Also standen am nächsten Morgen vor der 1. Preview auch noch Proben an. Und dann war es endlich soweit.

Zum ersten Mal Publikum im Saal. Das war so schön. Es entstand sofort eine ganz eigene Energie. Die Konzentration stieg noch etwas mehr, und wir alle konnten es kaum erwarten, dass der Vorhang aufging. So eine Preview ist ein magischer Moment. Das erste Mal erlebt man echte Publikumsreaktionen. Jetzt zeigt sich, wie die harten Proben der letzten Wochen ankommen. Wie Witze, Übergänge und Dramaturgie funktionieren. Vor allem war ich gespannt, wie der „neue Otto“ wohl beim Publikum ankommt. Wir haben doch sehr an dieser Rolle gearbeitet und sie erweitert.

So eine Preview ist sehr wichtig: Man kann ausprobieren und danach noch verändern, damit es dann zur großen Premiere perfekt ist. Die 1. Preview lief überraschend gut. Das Publikum sprang zum Finale von den Sitzen auf, und wir alle hatten unseren „Kini“ zurück. An diesem Abend wurde auch zum ersten Mal die Applausordnung probiert. Zum ersten Mal, seit all den Jahren, hörte ich wieder diese wunderbare Applausmusik. Jeden Abend bekomme ich Gänsehaut, wenn ich zu meinem „Otto-Thema“ auf die Bühne komme. Unsere Applausmusik ist wie bei der Oscar Verleihung und ich kann mich nicht daran satt hören. Jeder Charakter bekommt noch einmal seine eigene Melodie aus dem Stück. Toll!!!

Nach der Preview gab es dann viele und vor allem sehr unterschiedliche Reaktionen. Schnell wurde genau erkannt, was funktionierte und was nicht. Nach der Preview hatten wir dann noch eine sog. „Notesession“. Dies ist eine Zusammenkunft der Darsteller und der Kreativen. Hier werden mit jedem Einzelnen Kritik, Anmerkungen und Verbesserungen diskutiert. Auch positive Reaktionen und Dinge, die super funktionieren, werden besprochen. Wir Darsteller müssen uns dann alle Punkte gut einprägen, denn ab der nächsten Show sollen diese umgesetzt werden. Da aber doch noch Einiges umgestellt werden sollte und man auch feststellte, wir brauchen noch einige Bewegungen mehr auf der Bühne, trafen wir uns alle am nächsten Morgen wieder zum Proben.

Dies waren jetzt schon ganz andere Proben, da wir alle nun schon etwas Publikumserfahrung gesammelt hatten. Jeder hat seine eigene Erfahrung von der ersten Preview gleich in die Proben eingebaut. Wir haben bis zum Beginn der 2. Preview gearbeitet. In der 2. Preview haben dann auch Janet und Marc die Sisi und den König übernommen. Somit war dies wieder eine ganz andere Show, als die Preview von gestern. Und die Show hatte sich von einem zum anderen Tag so extrem gut weiterentwickelt. Wir konnten es alle kaum glauben. An diesem Abend lief alles ziemlich gut und flüssig. Nach der Show gab es dann wieder die Notession. Da immer noch nicht alles perfekt gelaufen war, haben wir uns auch noch am Premierentag zum Proben verabredet und bis kurz vor Publikumseinlass gearbeitet. Dann war er da – der Abend, auf den das gesamte Team von ‚Ludwig 2 – Der König kommt zurück‘ hingearbeitet, und dem es entgegen gefiebert hat: Es war Premiere!

Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie schnell die Probenstimmung sich zur Premierenstimmung gewandelt hatte. Überall gab es kleine Toi-Toi-Tois, kleine Geschenke und Gespräche. Es hatten sich auch tolle Gäste aus Politik, Musik und TV angekündigt. Auch war viel Presse an diesem Abend da. Am 7. Juli 2011 wurde nun die endgültige neue „Kemptner Fassung“ von unserem wunderbaren Bühnenstück ‚Ludwig 2‘ präsentiert.

Nachdem der erste Akt ohne Komplikationen ablief, erfuhr ich in der Pause, dass Konstantin Wecker im Publikum sitzt. Er ist einer der Ludwigkomponisten und zugleich derjenige, der die „Ottoszene“ komponiert hat. Ich weiß aus der Zeit in Füssen, dass ihm diese Szene ganz besonders am Herzen liegt. Auf einmal war ich nervös. Verdammt nervös. Zum ersten Mal habe ich dann auch an André Eisermann gedacht, der die Rolle in Füssen zur Uraufführung gespielt hat und von der Presse hochgelobt wurde. Auf einmal fing ich an, zu vergleichen. Etwas, das man nie tun sollte! Aber zum Glück war in dem Premierentrubel nicht so viel Zeit. mich diesen Gefühlen hinzugeben. Schon begann der zweite Akt, und ich habe einfach versucht, so tief wie nur möglich in den Prinzen Otto einzusteigen.

Es war ein grandioser Abend und eine der schönsten Premieren, die ich bisher erlebt habe. Das große Finale ist nach wie vor eines der Highlights dieses Stückes. Zu Beginn dieser Szene treten die vier engsten Vertrauten nacheinander auf. Jeder spricht noch mal zu seinem König. Ich als Otto spreche zu meinem Bruder: Dabei hatte ich Tränen, Tränen der Freude, in den Augen, als ich in die glücklichen Gesichter im Publikum sah. Meine kleine Strophe, „Du stehst einsam am See und du bist mir so nah. Ich seh‘ dich und du weinst goldne Tränen. Schwanenkönig hab Dank. Deine Märchen sind wahr. Und für immer werden sie es sein“, ist mittlerweile mein absoluter Lieblingsmoment. Es ist eine absolute Bereicherung für die Figur des Otto und geht mir jeden Abend aufs Neue sehr nah. Dann kam der fast nicht enden wollende Schlussapplaus. So wunderschön … – mit der Oscar-Musik! :-) Wir alle waren voller Freude! Konstantin kam zum Applaus mit auf die Bühne und strahlte mit uns zusammen. Nachdem der letzte Vorhang gefallen war, fielen wir alle einander in die Arme. Konstantin nahm sich die Zeit, mit vielen von uns persönlich zu sprechen. Er kam auch zu mir und hat mir wirklich ganz Wunderbares mitgeteilt :-).

Dann war es auch schon Zeit für die Premierenfeier. Aber vorher hieß es, noch geduldig ein paar Fotos machen, dann Abschminken, Duschen und Sich-herrichten. Als ich dann im Foyer angekommen bin, war ich glücklich und nervös. Ich war sehr gespannt auf die Reaktionen unter den Gästen. Wie haben sie die neue Inszenierung aufgenommen? Gibt es Vergleiche zu Füssen? Alle Reaktionen waren durchweg super. Ich hatte bisher noch nie so viel positives Feedback bekommen. Otto hat sich wirklich zu einer „runden Figur“ entwickelt. Fast drei Stunden ging ich mit einem Glas Wasser von einem zum nächsten. Ich hatte Hunger, aber dafür war keine Zeit. Jeder hat von Herzen mit mir gesprochen und ganz unterschiedliche Ansichten zum Stück, aber alle waren sich einig: Das neue Musical „Ludwig 2“ ist durch und durch gelungen. Was ich persönlich als ganz toll empfinde, ist, dass man über dieses Stück richtig gut diskutieren kann. Es gibt so viele verschiedene Blickwinkel. Jeder entdeckt etwas anderes, findet etwas anderes gut oder weniger gut. Dies empfinde ich als große Bereicherung. Unser Stück besteht nicht nur aus Zuckerguss und kommerzieller Gunst. Es ist auch für den eher untypischen Musicalgänger durchaus sehenswert. Das hat dieser Premierenabend gezeigt. Gegen 2:30 Uhr habe ich mich dann verabschiedet und schnell auf den Weg ins Bett gemacht.

Am nächsten Tag stand nämlich meine ‚Rebecca‘- Audition in Stuttgart an. Um 12:45 Uhr musste ich auf der Probenbühne im Palladium Theater Stuttgart vorsingen. Eben noch auf der großen Premiere von „Ludwig 2“ als einer der Hauptdarsteller und jetzt wieder einer unter Tausenden, der sich für eine Position im ‚Rebecca‘ -Musical bewirbt. So ist das in unserem Job, es wird nie langweilig und geht immer auf und ab. Meine Audition lief zum Glück ganz gut.

Ich musste mich dann aber wieder schnell auf dem Rückweg machen, denn am Abend war ja wieder Show in der bigBox Kempten. Dies war die offizielle Premiere von Marc Gremm und Janet Chvatal. Wieder waren ein paar geladene prominente Gäste und Presse anwesend. Auch diese Show lief sehr gut und wurde von allen gut angenommen …

Dann waren erst einmal ein paar Tage frei. Jetzt hatte ich endlich Zeit, mich wieder mit dem König zu beschäftigen, denn in weniger als acht Tagen stand meine Premiere als ‚König Ludwig II‘. an. Und das Ganze dann gleich als Doppelshow! Ich ging also über die freien Tage ganz in Ruhe immer wieder alle Texte, Lieder und Positionen durch. Am Mittwoch, den 13. Juli, hatten wir dann wieder Show, und am Donnerstag war schon mein Put-In (die Generalprobe für ein Cover). Zum ersten Mal wurde ich mit Maske, Kostüm und allem Drum und Dran zum Märchenkönig. Unglaublich, was man so kostüm- und maskentechnisch zaubern kann. Ich habe in den Spiegel geschaut und wirklich Ludwig II. gesehen. Zum ersten Mal spielte und sang ich nun den gesamten Part des Königs. Das war sehr aufregend und leider auch etwas frustrierend. Es gibt so viel rein Technisches, an das man denken muss. Und das muss dann natürlich erst einmal in den Körper übergehen. So quasi nebenbei, so dass niemand im Publikum es bemerkt. Als Erstbesetzung hat man dafür die ganzen Durchläufe bis zur Premiere. Als Cover hat man eben nur diesen einen Put-In. Man muss auch als Cover unheimlich viel über das eigene Auge lernen. Bei allen angesetzten Proben und Änderungen für die Rolle, die man covert, muss man immer hochkonzentriert und präsent sein. Mein Put-In lief dann erstaunlicherweise ganz gut durch. Allerdings gab es einige Momente, in denen ich noch lernen musste, meine Kräfte einzuteilen. Ich kam da schon an meine Grenzen. Nach dem Put-In war ich in einigen Punkten nicht zufrieden. Vor allem gesanglich wollte ich mich unbedingt noch verbessern. aber es gab ja nur noch den Freitag. Also habe ich mir nach dem Put-In alles notiert, was ich noch mal angehen musste. Dann habe ich meine Kritik und Hinweise von den Kreativen bekommen und war gerüstet.

Am nächsten Tag habe ich dann einige Stellen der Rolle implizit auseinandergenommen und versucht, sie besser zu erarbeiten. Ich habe versucht, die Ausraster und energischen Momente noch mehr auf den Körper zu bekommen. Gesanglich bin ich Vieles noch einmal rein technisch durchgegangen und habe mir für das Stimmliche drei fixe Punkte gesetzt (1. Akt, Beginn 2. Akt, Ende 2. Akt), die ich unbedingt herausarbeiten wollte. Denn der König macht ja eine Entwicklung von 18 Jahren bis zum bitteren Ende durch. Das muss in der Figur unbedingt erkennbar sein, kann aber nicht nur durchs Schauspiel geschehen, sondern die Gesangsstimme muss auch bedacht werden. Nach meiner Arbeit am Freitag war ich dann gut gerüstet. Im Laufe des Freitags wurde ich doch sehr nervös. Die vergangenen Wochen hatte ich immer kleine Momente, wo ich an den Samstag als König gedacht habe, aber nun stand ich kurz davor. Alles sollte perfekt laufen. Ich bin dann früh ins Bett gegangen, konnte aber kaum schlafen. Aber so ist das! Lampenfieber gehört einfach dazu. Ohne wäre es ja auch langweilig ;-).

Ich bin dann am 16. Juli 2011 schon ganz früh in die bigBox gefahren. Begonnen habe ich mit Sport und Übungen zur Beruhigung. Dann habe mich behutsam eingesungen und bin noch einmal alles durchgegangen. In der Maske wurde ich langsam etwas ruhiger. Meine Stimme funktionierte schon beim Einsingen viel besser als beim Put-In. Das hat mich beruhigt. Schließlich hieß es: „Bitte alle zur Bühne! Wir beginnen“ Ich fand mich hinter dem Vorhang zur Bühne wieder und lauschte dem Publikum. Dann bin ich zu meiner Auftrittsposition gegangen und habe dort noch ein/zwei Atemübungen gemacht. Anschließend habe ich alles Technische abgelegt, und folgte von nun an nur noch meinen Instinkten und Emotionen. Wenn man gut in seine Rolle eintaucht, muss man sich darauf verlassen können, das Richtige zu tun. Dann ging es los … und war so schnell schon wieder vorbei. Wenn man so viel zu tun und zu bedenken hat, bemerkt man gar nicht, wie drei Stunden vergehen. Auf einmal war schon der Schlussapplaus da. Das Publikum war wieder einmalig. Ich habe den Applaus genossen und mich gefreut, dass alles geklappt hat. Das Fundament an unserem Stück ist die fantastische Musik. Und sie hilft mir so sehr, den richtigen Weg auf der Bühne zu gehen.

Im Hinterkopf hatte ich natürlich schon die zweite Show. Als dann der letzte Vorhang gefallen war, gab es noch ein paar Gespräche und Fotos. Dann schnell zum Asia-Imbiss und ab in die Maske für die zweite Show. Auf die habe ich mich dann richtig gefreut. Und sie lief auch sehr gut. Viel besser als die Erste. Ich war schon um einiges sicherer und konnte besser ausspielen. Beim Schlussapplaus in der Abendshow ist dann alles von mir abgefallen. Es tat soooo gut! Als ich dann am Abend wie ein Stein in mein Bett gefallen bin, bin ich den gesamten Tag noch einmal im Kopf durchgegangen. Es war ein tolles Gefühl. Nach diesem intensiven Premierentag, bin ich hoffentlich für alle weiteren Shows gewappnet. Ludwig ist absolut eine Traumrolle. Selten kann man sich als Sänger und Schauspieler so ausleben. Es ist vor allem eine Rolle, an der man wächst, und die einen viele Jahre begleiten kann … Man wird immer wieder etwas Neues entdecken und ausprobieren.

Am Stück arbeiten wir übrigens auch jetzt noch. Nur weil die Premiere um ist, heißt das nicht, dass das Stück perfekt ist. Es wird immer mal wieder ein wenig daran „gebastelt“, um es noch runder zu bekommen. Das ist das Schöne hier: ‚Ludwig 2‘ stagniert nicht, es gibt also auch für Euch immer wieder etwas Neues zu entdecken. „Unser König, er lebt.“

Ich möchte mich bei Euch allen bedanken! Vielen Dank für Euer Interesse an meinen Zeilen. Vor allem möchte ich mich bei Barbara Kern und dem MusicalClub24, jetzt United Musicals, bedanken. Denn sie hatte die Idee und hat dieses Probentagebuch möglich gemacht. Es hat mir wirklich große Freude bereitet, Euch so nah wie möglich durch die Proben mitzunehmen. Diese Gelegenheit hat man ja eher selten … Ich habe versucht, so authentisch wie möglich zu schreiben und Euch unsere Emotionen weiterzugeben. Ich hoffe, dies ist gelungen!

Jetzt freue ich mich auf eine tolle Spielzeit hier im Allgäu!

Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute!

Auf bald.

Euer Martin