Eine neue Dimension – Tarzan in Hamburg

Möwenkreischen, dann ein Donnerschlag, und die letzten Worte des Kapitäns im Logbuch lauteten: „es war noch nie so finster…“ Mit diesen atmosphärischen Eindrücken beginnt Phil Collins‘ Disney-Musical ‚Tarzan‘ in der Neuen Flora in Hamburg.

Die Leinwand der rechten Seitenbühne zeigt das Logbuch des Kapitäns, auf der großen Projektionsfläche über der Hauptbühne verschmelzen die afrikanische Küstenlinie und das im Gewittersturm sinkende Schiff.

Foto: Stage Entertainment

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Die Projektion löst sich auf und ein Frauenkörper sinkt in die Tiefe. Ein Mann folgt ihm schwimmend und zieht die Frau nach oben. Beide erreichen rettendes Ufer und bauen sich in den Lüften mit ihrem Kind ein Heim. Die Idylle wird von einem Leoparden gestört, der die Eltern tötet. Ihr Kind entgeht ihm jedoch. Das afrikanische Eiland wird auch von einer Gorilla-Sippe bewohnt. Kala hat gerade ihr Junges verloren, als sie das überlebende Baby findet. Doch der Sippenchef Kerchak, Kalas Mann, will von dem kleinen Menschen nichts wissen. Gegen seinen Willen nimmt Kala das Baby an Kindes Statt an. Als der junge Tarzan ein Instrument zum Papaya-Pflücken erfindet, sieht Kerchak darin eine Waffe und in Tarzan den Feind. Er bringt den Jungen fort, will seine Sippe vor einer zukünftigen Gefahr bewahren. Kala trennt sich daraufhin von Kerchak. Sie betrachtet sich als Mutter von Tarzan und zieht mit dem Menschenjungen in die Wildnis. Tarzan lernt von ihr und seinem Gorillafreund Terk, in der Natur zu überleben und sich seine Umgebung zum Freund zu machen. Auch seine menschlichen Fähigkeiten entwickelt er und erwirbt den Umgang mit dem Feuer. Es ist seine menschliche Intelligenz, mit der er schließlich den Leoparden fängt und zur Strecke bringt. Den toten Feind legt er Kerchak demonstrativ zu Füßen. Erstmals akzeptiert der Sippenführer Tarzan als einer der Seinen. Doch inmitten dieser Szene der Versöhnung erklingt mit einem Mal ein Schuss. Kerchak weiß nun, dass Menschen im Dschungel sind. Eilig bringt er seine Sippe in Sicherheit.  

Foto: Stage Entertainment

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Unweit des Expeditionslagers von Professor Potter entdeckt seine Tochter Jane die faszinierende botanische Welt des Dschungels mit den verschiedenartigen Orchideen und gerät vor lauter Begeisterung in ein Spinnennetz. Tarzan rettet sie vor einer gigantischen Spinne und beide beginnen zögernd, einander zu erkunden und kennenzulernen. Tarzan zeigt Jane seine Welt und lernt von ihr in Bildern und Worten die Welt der Menschen kennen. Auch Professor Potter begegnet Tarzan mit freundlicher Neugier. Ganz anders Clayton, der Führer der Expedition. Er reagiert zunächst verständnislos, dann eifersüchtig. Als die Verbindung zwischen Tarzan und den Gorillas offenbar wird, will Clayton die Situation ausnutzen. Tarzan soll Mittel zum Zweck sein. Professor Potter will die Gorillas nur studieren, denn seine Tochter Jane hat ihn überzeugt, dass er die Familie nicht auseinanderreißen darf. Selbst als Clayton Hohn und Spott von Seiten der Kollegen prophezeit, ändert Professor Potter seine Meinung nicht. Clayton spielt den Geläuterten und plant statt dessen die Gefangennahme Tarzans, den er in einem Käfig ausstellen will. Tarzan hat inzwischen das ehemalige Baumhaus seiner Eltern gefunden. Er versteht, dass er ein Mensch ist und ist stolz auf seine Herkunft. Dennoch kann er sich nur schwer vorstellen, seine Heimat und seine Familie zu verlassen. Er hofft, dass Jane bei ihm bleibt. Clayton nutzt diesen Wunsch aus und macht Tarzan vor, dass er dafür Jane die Gorillas zeigen muss. Beim Zusammentreffen mit den Gorillas schießt der brutale Führer auf Tarzan, doch Kerchak wirft sich dazwischen und wird von der Kugel getroffen. Bevor er stirbt, übergibt Kerchak Tarzan sein Amt als Beschützer der Sippe. Tarzan nimmt es an und gibt seinen Plan auf, mit Jane nach England zu gehen. Er kann seine Mutter und die Familie jetzt nicht mehr verlassen. Kurz bevor das Schiff ablegt, entscheidet sich Jane im letzten Moment, bei Tarzan zu bleiben und sein Leben in seiner Welt mit ihm zu teilen. 

Die Atmosphäre, die der erste Donnerschlag in der Hamburger Neuen Flora geschaffen hat, verliert sich auch nicht in den aktionsreichen Szenen, wenn Affen an lianenfarbenen Bungee-Seilen aus den grünen Urwaldvorhängen an den Seiten herausschwingen, sich kreiselartig um sich selbst drehen oder akrobatische Überschläge und Sprünge am Boden vollführen.

Foto: Stage Entertainment

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Erstaunlicher Weise stören auch die Größe des Theaters, mit seinen gegenüber Scheveningen erweiterten Seitenbühnen, und die Flug-Aktionen über dem Publikum bis ganz hinauf in den Rang den ästhetischen Gesamteindruck nicht. Schon bei der Broadway-Premiere von Elton Johns Disney-Musical ‚Aida‘ arbeitete Bob Crowley mit Tüchern, die durch Natasha Katz‘ farbiges Licht lebendig wurden und verschiedene Formen annahmen. In ‚Tarzan‘ hat das kreative Team sein Zusammenwirken perfektioniert. Bob Crowley, der Regie, Bühnen- und Kostümdesign in seiner Hand vereint und Lichtdesignerin Natasha Katz lassen Tücher unterschiedlicher Größe verschiedene Formen annehmen. Unterstützt von der Bühnentechnik, gestalten sie auf diese Weise einen Waldboden, der durch Bewegung der Tücher und gezielten Schattenwurf sogar den naturgetreuen unebenen Charakter wiedergibt. In einem Regen aus Lichtpunkte vollzieht sich ‚Tarzans‘ Verwandlung vom Baby zum Kind. Eine Ballett-Tänzerin stellt mit langen weißen Stoffbändern den Wasserfall dar, der sich von den Höhen herab in eine Wasserstelle ergießt, an der die Bewohner des Urwaldes ihren Durst stillen. Immer wieder malen Regisseur und Designer Bob Crowley und Lichtschöpferin Natasha Katz neue Formen, die im Boden verschwinden oder sich in Lichtflecken auflösen. In Tücher gewickelt erwecken Akteure am Vertikalseil Orchideen-Pflanzen zum Leben. Auch das Spinnennetz, in dem ‚Jane‘ hilflos zappelt, entsteht aus dem Stoff ihres Rockes, der nach allen Seiten auseinandergezogen und violett angestrahlt wird. Die Lichtpunkte beleben auch die grünen Urwaldvorhänge aus stoffumwickelten Seilen. Auch die Gorilla-Kostüme, die aus lauter Stofffäden zu bestehen scheinen erhalten ihre Konturen durch verschiedene Lichtreflexe. Bob Crowley und Natasha Katz schaffen auf diese Weise einen lebendigen szenischen Rahmen für Schauspiel, Tanz- und Flugakrobatik. 

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Es ist Phil Collins‚ größtenteils heitere, teilweise verspielte, stellenweise dramatische, aber immer mitreißende Popmusik, die diesen Rahmen auskleidet. Sie bringt den Urwald zum Klingen. Das 14-köpfige Orchester unter Leitung von Jim Abbott sitzt unter der Bühne. Ergänzt werden die klassischen Instrumente durch verschiedene afrikanische Trommeln, unter anderem Djembe-Trommeln.

Harmonisch angepasst an die Musik hat Lon Bender sein Geräuschdesign, das sich fast unmerklich in die musikalischen Arrangements einfügt. Er schafft seinen eigenen Spannungsbogen, der vom Anfang mit dem großen Gewitterdonner über ‚Tarzans‘ Kampf gegen den Leoparden bis hin zum letzten Ladegeräusch reicht, als ‚Tarzan‘ ‚Clayton‘ mit dem Gewehr bedroht. Ein besonders gelungenes Beispiel für das Zusammenwirken von Geräuschdesign und Musik haben wir Anfang des zweiten Aktes: Die Gorillas unter Führung des frechen ‚Terk‘ zerlegen nach und nach das Expeditionslager der Potters und lösen dabei Geräusche aus. Sie stoßen auf eine Schreibmaschine, eine Standuhr und zerschlagen einander Geschirr an ihren Köpfen. Im Gegensatz zu Szenen aus Disneys Dschungelbuch erscheint diese Szene realistisch. Ganz so könnte man sich das fachmännische Zerstören eines Lagers durch Affen vorstellen. Musik und Geräusche ergänzen sich während der gesamten Show.

 Die Anforderungen an die Darsteller im Musical ‚Tarzan‘ sind sehr hoch. Ein Musicaldarsteller muss ohnehin schon singend tanzen und schauspielern können. Die Show in der Hamburger Neuen Flora fordert ihren Akteuren überdies akrobatische Leistungen am Boden und vor allem in der Luft ab. Das Ensemble von ‚Tarzan‘ ist deshalb bis in die Hauptrollen hinein international besetzt. Bühnendesigner und Regisseur Bob Crowley hat alles getan, um die Verletzungsgefahr seiner Darsteller so klein wie möglich zu halten. Der Bühnenraum besteht aus einem Gerüst, das rundherum vom Boden bis zur Decke mit aufblasbaren Luftkammern ausgepolstert wurde, damit sich die Darsteller auf ihren

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3 – 30 m langen Flugbahnen von den Wänden abstoßen können, ohne sich schwer zu verletzen. Auch der Boden ist gepolstert, damit die Flieger aus der Luft barfüssig auf der Bühne landen können, ohne sich die Beine zu brechen. Wenn man bedenkt, dass auch der ‚Junge Tarzan‘ Flug- und Bodenakrobatik vollführt, erscheinen diese Vorsichtsmaßnahmen besonders wichtig.

Die Luftakrobaten verschwinden während der Show in Türlöchern an den Seiten und fallen auf verschiedener Höhe aus Öffnungen in der Bühnendecke. Solche „Drop Points“ befinden sich auch im Schnürboden über dem Publikum. Vom obersten Rang bis hinunter auf die Bühne führt ein System aus 16 m langen lianenartigen Bungee-Seilen, die den Rang hinab an einer Schiene laufen. Da das Fliegen in ‚Tarzan‘ wesentlich zum Darsteller und seiner Rolle gehört, wurde die Flugakrobatik überzeugend in die Handlung integriert. Dafür sorgte gemeinsam mit Choreograph Sergio Trujillo der argentinische Flugdesigner Pichón Baldinu. Er konstruierte für die etwa 40 fliegenden Darsteller ein besonderes Fluggeschirr, in das die Gorilla-Darsteller und ‚Tarzan‘ (Anton Zetterholm) einsteigen. Sie können sich drehen und wenden, wie sie wollen und auch um die eigene Achse rotieren. Da dieses Geschirr an einem nachgebenden Bungee-Seil befestigt ist, hat der Akteur auch angeseilt die Möglichkeit, am Boden zu agieren. 

Technisches Design und darstellende Kunst greifen im Musical ‚Tarzan‘ in einzigartiger Weise ineinander. Dabei kommen die Leistungen der Akteure nicht zu kurz. Das erstklassige Ensemble zeichnet sich durch immense Körperbeherrschung aus und war in der Medienpremiere trotz der internationalen Besetzung phonetisch durchweg gut zu verstehen. ‚Tarzan‘ ist nicht „nur“ eine technisch perfekte Show mit mitreißender Musik. Seine Darsteller berühren auch durch ihr Schauspiel. 

Aus einem Fernsehcasting gingen der Titelheld ‚Tarzan‘ und seine englische Freundin ‚Jane‘ hervor. Egal, welche Diskussionen diese Form der fernsehwirksamen Audition auslöste, Elisabeth Hübert als ‚Jane‘ und der junge Schwede Anton Zetterholm beweisen in Hamburg, dass sie ihre Engagements nicht geschenkt bekommen haben. Mit großer Spielfreude agieren sie auf und über der Bühne. Vor allem ‚Tarzan‘ befindet sich singend und spielend in vielen Szenen in der Luft. Nur 20% der Zeit verbringt er am Boden.

Anton Zetterholm hat seit dem Casting nicht nur seine Muskeln trainiert. Es ist zu hören, wie intensiv er an seiner Phonetik gearbeitet hat; Betonung und Pausen stimmen. In Gesangs- ebenso wie in Dialogteilen ist er gut zu verstehen und das bei den oft schweren deutschen Satzkonstruktionen wie der folgenden: „wie mein Vater will ich aufrecht sein, stolz auf was ich bin und was ich sein kann“. Mit großer Natürlichkeit spielt er den Menschen, der sich in der Welt der Gorillas behaupten muss und auf seine Welt, die Welt der Menschen, zunächst wie ein Tier mit staunender Neugier reagiert. In den dramatischen Szenen mit seiner Mutter ‚Kala‘ (Ana Milva Gomes) und seinem Ziehvater wider Willen (Andreas Lichtenberger) zeigt er eine für seine Jungend erstaunliche und anrührende schauspielerische Leistung. Mit seiner leicht rauen warmen Stimme eroberte er bereits im Casting das Publikum. Im Musical beweist Anton Zetterholm, dass er mit seiner Stimme umgehen kann. Er setzt sie mal ganz zart ein, dann wieder klingt er frech und unbekümmert. Die Melodiebögen singt er mit Kraft und Leichtigkeit zugleich.

Elisabeth Hübert und Anton Zetterholm harmonieren in Schauspiel und Gesang sehr gut miteinander. Die Sopranistin klingt glockenklar, vor allem in dem gemeinsamen Wechselgesang ‚Auf einmal‘. Hier erklären die jungen Leute einander ihre Liebe, die beide überraschend getroffen hat. Nur manchmal beinhaltet Elisabeth Hüberts Gesang noch etwas zu viel Druck. Sie scheint Angst zu haben, nicht über der Musik hörbar zu sein – doch ganz grundlos. Zwischen ‚Tarzan‘ und seiner ‚Jane‘ stimmt die Chemie. Beide haben sichtlich Spaß an den gemeinsamen Szenen, spielen komödiantisch und zugleich fast liebevoll miteinander. Elisabeth Hübert stellt ‚Jane‘ als junge sehr quirlige Engländerin dar. Das passt vor allem wunderbar in der Szene, in der ‚Jane‘ vor Begeisterung fast zerspringt, als sie all die botanische Vielfalt des Dschungels wahrnimmt. Doch ‚Jane‘ ist auch eine Lady, was insbesondere in ihrer gewählten Sprechweise zum Ausdruck kommt. In den Szenen, die Elisabeth Hübert mit ihrem „Vater“, ‚Professor Potter‘ (Japhet Myers) und ‚Clayton‘ (Rudi Reschke) spielt, wirken ihre Bewegungen manchmal etwas übereifrig und passen nicht so ganz zu einer Lady. Für eine Medienpremiere war bei beiden jungen Darstellern bereits zu spüren, wie sehr sie sich in ihre Rollen eingearbeitet hatten. 

Durch Intensität des Schauspiels zeichnete sich vor allem das andere Rollen-Paar an diesem Abend aus: ‚Kala‘ und ihr „Freund, Gatte und Gebieter“ ‚Kerchak‘. Ana Milva Gomes spielt Tarzans Mutter ‚Kala‘. Sie steht zwischen ihrem Pflegesohn, den sie vor allem Bösen beschützen möchte und dem Anführer ihrer Sippe und Gatten, den sie sehr mag. Weil das Kind ihre Hilfe mehr braucht, als der eigensinnige Gatte, der ‚Tarzans‘ Menschsein fürchtet und seine Verantwortung für die Gruppe über seine Liebe zu ‚Kala‘ stellt, entscheidet sie sich, mit ‚Tarzan‘ wegzugehen. ‚Dir gehört mein Herz‘ lautet der deutsche Titel des berührenden Songs, in dem sie ihre Mutterliebe zum Ausdruck bringt. ‚Kerchak‘ wird von Andreas Lichtenberger gespielt, dem es gelingt, dem Publikum ‚Kerchaks‘ Handeln verständlich zu machen. Er hat „gar keine Wahl“. Selbst um den Preis seiner Gefährtin muss ‚Kerchak‘ den Menschen, der mit einer Waffe umgehen kann, von seiner Sippe fern halten. Auch wenn er und ‚Kala‘ „wie Sonne und Mond“ sind, muss er seine Pflicht als Beschützer der Seinen erfüllen. Erst spät erkennt ‚Kerchak‘, dass er ‚Tarzan‘ unrecht getan hat. Er rettet dem Ziehsohn das Leben und opfert seines für ihn. Ana Milva zeigt in der Rolle der ‚Kala‘ eine ganz neue Stimmfarbe. Wer sie als ‚Aida‘ kennt, den überrascht sie mit einer ungeheuren Zartheit in der Stimme. Sie dosiert die Kraft so, dass die verschiedenen Klangfarben besonders schön wahrnehmbar sind. Andreas Lichtenbergers warmer Bariton verbindet sich sehr harmonisch mit Ana Milvas Stimme. Die Szenen zwischen beiden erfahrenen Darstellern zeichnen sich durch leises ungeheuer intensives Schauspiel aus. 

‚Tarzan‘ hat einen älteren Freund, der ihm selbst gegen ‚Kerchaks‘ Willen vieles beibringt, was er zum Überleben braucht; bis er auf einmal spürt, dass er beginnt, von ‚Tarzan‘ zu lernen. In seiner unbekümmerten Art, mit seinem komödiantischen Talent und seiner waghalsigen Akrobatik hinterlässt Rommel Singson einen bleibenden Eindruck. Sein Zusammenspiel und insbesondere sein komisches und gleichzeitig berührendes Duett mit dem ‚Jungen Tarzan‘, sind ein Highlight der Show. Der Darsteller des ‚Jungen Tarzan‘, dessen Name uns leider nicht bekannt ist, da eine Castliste nicht erhältlich war, zeigte keinerlei Scheu vor den fast 2000 Zuschauern. Er spielte wie die Großen, zeigte seine akrobatische Begabung und hing kopfüber an der Liane. Mit kräftiger Stimme sang er ‚Du brauchst einen Freund‘ gemeinsam mit Rommel Singson, der sichtlich Freude an diesem Miteinander hatte.

Rudi Reschke als ‚Clayton‘ und Japhet Myers als ‚Professor Potter‘ spielten ihre Rollen überzeugend. Rudi Reschkefällt es zu, den Bösen zu spielen. ‚Clayton‘ ist eine reine Schauspielrolle, aus der Rudi Reschke das Beste herausholt. Er gibt der Figur eine Entwicklung. Anfänglich charmant um die schöne ‚Jane‘ bemüht, entpuppt er sich immer mehr als geldgieriger, skrupelloser Verbrecher. Japhet Myers spielt den etwas spleenigen Professor und liebevollen Vater, dem das Glück seiner Tochter über seine wissenschaftliche Reputation geht. Auch er hat nicht viel zu singen, doch berührt durch sein Spiel, insbesondere, wenn ‚Professor Potter‘ gegen Ende des Stückes zu der Erkenntnis kommt: „Keine Kreatur im Dschungel hat sich als so brutal erwiesen wie der Mensch in seiner Art.“

‚Tarzan‘ endet mit einem fulminanten Finale, bei dem viele Elemente aus der Show noch einmal aufgenommen werden. Auch die Bühne wird ein letztes Mal auf den gesamten Theaterraum erweitert, wenn ‚Tarzan‘ und seine ‚Jane‘ von oben herunter schweben. Zwei Welten trafen in der Geschichte aufeinander. ‚Jane‘ entscheidet sich nicht nur für ‚Tarzan‘, sondern auch für ein neues Leben in dieser zweiten Welt. Bei ihrem letzten Auftritt hat sie sich auch äußerlich dieser Welt angepasst. In keinem Moment, selbst jetzt nicht, wirkt Disneys Musical ‚Tarzan‘ kitschig.

Diese perfekte Show fasziniert die Sinne: Sie fesselt das Auge durch die große Ästhetik der lebendigen Bilder im Raum und das Ohr durch mitreißende Songs sowie die naturalistische Geräuschkulisse. Durch die Erweiterung des Bühnenraums werden die Zuschauer in das Theater-Geschehen mit einbezogen. Fliegen wird als neue Fortbewegungsart wahrgenommen, die wesentlich zur Rolleninterpretation der Darsteller dazu gehört und ihrer schauspielerischen Leistung eine neue Dimension hinzufügt.