Musicalfilm »Die Farbe Lila« im Kino

Wenn man hemmungslos weint und sich bedingungslos mitnehmen lässt

Phylicia Pearl Mpasi als junge Celie und Halle Bailey als junge Nettie
Foto: Warner Bros. Entertainment Inc.

In den vergangenen Jahren als auch in jüngerer Zeit sind viele Musicalfilme auf die große Leinwand gekommen, ohne dass diese als Musical oder Musicalfilm bezeichnet wurden. Dies ist einerseits schade, zeigt aber andererseits, dass die PR- und Marketingabteilungen einen großen Respekt vor der Vorverurteilung durch die potentiellen Kinobesucher haben, weil diese sich eventuell gegen einen Besuch entscheiden, weil der Begriff Musical gefallen ist. Aber sind wir mal ehrlich, ein Kinofilm funktioniert nicht ohne Musik und sei dies als Score, mit bekannten Liedern, neu interpretierten oder völlig neu entstandenen Songs extra für einen neuen Film und sei es nur für den Abspann. Wenn sich dann die Musik ideal mit dem Gesang und dem Tanz ergänzt, so kommt ein Musicalfilm auf die Leinwand, der seine Berechtigung haben sollte, genau so bezeichnet zu werden.

Danielle Brooks (Mitte) spielt Sofia
Foto: Warner Bros. Entertainment Inc.

Als 1985 »The Color Purple« (»Die Farbe Lila«) von Alice Walker auch durch Steven Spielberg seinen Weg ins Kino fand, war dies ein Meilenstein zu dieser Zeit. 2005 erlebte dann die Musicalfassung seine Uraufführung am Broadway und 2015 kam es zu einem Revival, bei dem die ursprünglichen 25 Songs auf 18 reduziert wurden. Für die Musicalfilmfassung wurden die Songs von Brenda Russell, Allee Willis und Stephen Bray durch den Filmkomponisten Kris Bowers nicht nur sinnvoll ergänzt, sondern durch seine Arbeit als Gesamtheit nochmals aufgewertet. Ohne Ausnahme klingen die Songs und die Musik mitreißend. Sie bleiben nicht zwingend hängen, sind aber in der Gesamtheit des Musicalfilms mehr als tragende Elemente und Momente.

Fantasia Barrino als Celie und Taraji P. Henson als Shud Avery
Foto: Warner Bros. Entertainment Inc.

Der Film ist berührend und Regisseur Blitz Bazawule schafft es nahezu traumhaft, ein Gleichgewicht zwischen allen Ebenen zu halten, ohne dass die Verbindung verloren geht. Sei es zwischen Realität und Fantasie oder im Wechsel der Zeitebenen, alles bleibt im Fluss.
Die Choreographien von Fatima Robinson sind mit Beginn der ersten Szene fesselnd und verlieren nie an Kraft. Auch die anderen Gewerke wie die Kostüme von Francine Jamison-Tanchuck, die Szenenbilder von Paul D. Austerberry, das Bühnenbild von Larry Dias, die Kamera von Dan Laustsen und der Schnitt von Jon Poll gehen eine Art Symbiose ein, die diesen Musicalfilm fast perfekt macht.

Colman Domingo spielt Mister
Foto: Warner Bros. Entertainment Inc.

 

Auch die Auswahl der Darsteller spricht für die Qualität des Gesamtkunstwerks. Fantasia Barrino spielte bereits 2005 die Celie am Broadway. Auch wenn LaChanze die Rolle am Broadway kreierte, so schafft es Fantasia Barrino nochmals die Rolle der Celie auf die nächste Stufe zu bringen. Sie ist in diesem Cast überwältigend, was sie in ›I Am Here‹ eindrucksvoll auf der Leinwand zeigt. Taraji P. Henson bekannt aus Film und Fernsehen wie »Hidden Figures«, »Person of Interest« oder »Empire«, wofür sie 2016 den Golden Globe als »Beste Darstellerin in einer Drama-Serie« gewann, haucht Jazzsängerin Shug Avery ein Leben ein und auch Danielle Brooks als Sofia weiß zu überzeugen, was sie bereits 2015 beim Broadway-Revival tat. Die jüngere Nettie wird von Halle Bailey gespielt, die man aus der Realverfilmung von »Arielle, die Meerjungfrau« kennt und die erwachsene Nettie von Ciara, einer Sängerin und Songwriterin, welche bereits seit 2016 mit dem NFL-Star Russell Wilson zusammen ist.

Celie (Fantasia Barrino) mag Shug Avery (Taraji P. Henson)
Foto: Warner Bros. Entertainment Inc.

Man sollte denken, dass sich die Welt nach fast 100 Jahren in der die Geschichte spielt, weiterentwickelt hat. Jedoch sind Inzest, patriarchale Gewalt und die fehlende Akzeptanz für die lesbische / gleichgeschlechtliche Liebe weiterhin Themen, die längst weltweit nicht mehr vorkommen und akzeptiert sein sollten.
Diesen Film sollte man unbedingt gesehen haben, und bestimmt werden viele Zuschauer dabei ihren Gefühlen freien Lauf lassen.

Text: Christina und Oliver Wünsch

Celie (Fantasia Barrino, Mitte)
Foto: Warner Bros. Entertainment Inc.