Am 24. Oktober 1648 wurde der Westfälische Frieden unterschrieben und einen Tag später von der Rathaustreppe in Osnabrück aus verkündet. Das Kreativ-Team des Stücks »1648 – Macht. Liebe. Intrige.« rund um Michael Przewodnik (Buch, Liedtexte und Regie) und Florian Albers (Komposition, Arrangement und Liedtexte) – beide absolvierten ihr Studium in Osnabrück – verarbeitetet dieses geschichtsträchtige Thema in einem äußerst überzeugenden Musical. Wer eine eher monotone und ermüdende Geschichtsstunde erwartet hatte, wurde an diesem Premierenabend eines Besseren belehrt.
Alles, was zum Dreißigjährigen Krieg gesagt werden kann, ist sicherlich in allen Facetten gesagt, kommentiert und geschrieben worden. Daher ganz kurz resümierend gesagt: Der Dreißigjährige Krieg dauerte von 1618 bis 1648, das Resultat aus fast einem Jahrhundert religiöser Auseinandersetzungen, die sich wie so oft in der Geschichte mit Machtpolitik vermischten (Stichwort: die Auseinandersetzung der Habsburger in Spanien und Österreich mit Frankreich um die Vorherrschaft in Europa ebenso wie die aufstrebenden schwedischen Großmachtambitionen) und dazu führten, dass die Bevölkerung Mitteleuropas, die wie immer den Preis für die Ambitionen der Herrschenden zahlte – und für deren Wohl sich keine der beteiligten Kriegsparteien auch nur ansatzweise interessierte – sich um fast ein Drittel verringerte.
Irgendjemand muss das alles bezahlen, meist ist es die Zivilbevökerung und der Verlust des Lebens die besonders harte Währung. Mit dem Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück wurde ein 30 Jahre währender Krieg beendet. Dieses Mal auf der Seite der Hoffnung und nicht auf dem blutigen Schlachtfeld.
Es ist sicherlich nicht einfach, die oben beschriebene emotionale Zeitgeschichte – mit ihrem Alltag, ihren Grausamkeiten, Banalitäten und Emotionen, mit ihrer Mode und ihrer Lebensart – in einem doch erforderlich übersichtlichen Handlungsstrang darzustellen, und das für ein zudem noch kleines Ensemble auf kleiner Bühne mit verhältnismäßig kleinem Budget für alle Bereiche, nicht zuletzt auch für Ausstattung mit Bühnenbild.
In der Osnabrücker Weltpremieren-Inszenierung von »1648 – Macht. Liebe. Intrige.« spielt sich, mit dem auch gefühlt echten Location-Feeling des historischen Geschehens, ein kleines, wunderbares Kreativ-Team – in die obere Liga der Musicalproduktionen. Und das mit der ganzen schauspielerischen und musikalischen Palette rund um eben Macht, Liebe und die üblichen Intrigen.
Mit Florian Albers und Michael Przewodnik zeichnen zwei Könner ihres Fachs für Musik, Liedtexte, Buch und Regie verantwortlich, die sich mit ihren abwechslungsreichen musikalischen Stilvarianten und geschliffenen Texten beileibe nicht hinter den ganz Großen, den Omnipräsenten des Fachs, verstecken müssen. Von klassischen Musical-Elementen getragen bewegt sich die Musik u. a. in den Bereichen Ballade, Lied, Klassik, Rap, Hip-Hop – gekonnt gemacht und erfrischend abwechslungsreich für die begeisterten Besucher:innen. Florian Albers ist es damit gelungen, einen historischen Hintergrund dieser emotionalen Tragweite mit einem weiten Bogen der Musikstile perfekt zu vereinen. Damit haben wohl die wenigsten Zuschauer an diesem Abend gerechnet und honorieren diese Leistung mit mehrfachem Szenen-Applaus.
Christian Tobias Müller übernimmt nicht nur die musikalische Leitung, nein, er ist auch noch in drei Rollen als Musical-Darsteller auf der Bühne präsent (Gerhard Schepeler, Bürgermeister von Osnabrück, Heinrich Ameldung und Kaiser Ferdinand III.) und wechselt geschickt und unauffällig im vollen Geschehen die Rollen.
Die Band mit Christian Tobias Müller, Jakob Lübke, Nils Bölting und Tim Richter ist als Bühnenband jederzeit »mitten im Geschehen« und überzeugt ebenso wie das Bühnenbild in all seinen Facetten. Mit einer »Reduce to the Max«-Einfachheit und professionellen Umbauten im Live-Geschehen überzeugt das Team auf und hinter der Bühne das gesamte Publikum. Die Kostüme von Sonja Arelmann und Svetlana Nähring sowie die Maske von Philip Hager runden die Inszenierung mit einem überzeugenden Gesamtbild ab.
Last but not least – die wunderbare Cast: Myriam Akhoundov (Marie von Sternberg), Patrick Bertels (Johan Oxenstierna, Gesandter der Schweden in Osnabrück), Julian Schier (Johann Krane, Gesandter des Kaisers in Osnabrück), Henriette Schreiner (Anna Sture, schwedische Gräfin aus altem Adel und Königin Christina von Schweden) und Lukas Witzel (Rabanus Heistermann, Dechant der katholischen Osnabrücker Stiftskirche St. Johann) überzeugen allesamt energiegeladen, motiviert, fokussiert, spielfreudig und stimmgewaltig auf der kleinen Bühne in der Lagerhalle Osnabrück.
Dieser Abend lässt insgesamt ein kurzes und knappes Fazit zu: meisterhaft inszeniert, faszinierend gespielt, musiziert und gesungen – »1648 – Macht. Liebe. Intrige.« – ist der Beweis, dass ein historisches Musical keinesfalls langweilig sein muss. Das Publikum feierte das gesamte Team und die Cast an diesem Premieren-Abend mit frenetischem Applaus und Standing Ovations. Ein vollkommen verdienter Abschluss einer mitreißenden Reise in die Vergangenheit.
Alle Fotos: Thomas Nitowski