Die Operette ist tot und nur das Musical lebt? – Von wegen – ein Besuch der »Operette für zwei schwule Tenöre« ist geschlechterübergreifend empfehlenswert!

Die Uraufführung dieser musikalischen klangvollen Sause fand am 6. Oktober 2022 im Berliner BKA Theater statt und die Produktion erhielt 2022 für die besten Liedtexte den Deutschen Musical Theaterpreis. Nun wurde die »Operette für zwei schwule Tenöre«, welche damals in Berlin vom Publikum und der Presse gleichermaßen stark gefeiert wurde, nach Hamburg transferiert. Mitten rein in den Kiez, wo früher schon oft Operetten liefen – aber funktioniert das Genre Operette heutzutage überhaupt noch? Kitschig überzeichnende und oft übertriebene Bögen im hier und jetzt?

Das Stück feiert die Wiedergeburt des Genres, das in den 20er Jahren Rollenbilder strapazierte und lustvolle Diversität zelebrierte. Nun, viele Jahre später, erweckt die »Operette für zwei schwule Tenöre« als weltweit erste queere Version ihrer Art diese Tradition mit Witz und Herzblut zu ganz neuem Leben.

Einfach nur normal – Liebe völlig geschlechterunabhängig
Foto: Morris Mac Matzen

Die Musik von Florian Ludewig ist dabei genial und kommt mit alltäglichen Songs wie ›Wann fahren wir wieder zu IKEA?‹ und sehr schwungvollen Ohrwürmern wie ›Champagner von Aldi‹ und ›Mein Fetisch ist die Operette‹ oder dem Liebesduett ›Ein Liebeslied von Mann zu Mann‹ daher. Damit erzählt Autor Johannes Kram eine moderne, komisch unterhaltend, aber immer auch berührende Geschichte über das Liebesleben zweier Männer, die entstehenden Selbstzweifel, aber es spiegelt auch die Unterschiede von ländlicher Idylle zum Großstadtwahnsinn in Berlin wider.
Diese Operette ist eine wahrlich starke Ensembleleistung, denn alle Beteiligten schaffen durch ihr eigenes Instrument, ihre Stimmen und ihre Körper ganz tolle Momente. Stimmlich unterstützt und getragen werden sie dabei auch durch die beiden großartigen Gesangs-Stimmen der Hauptdarsteller Jan (Felix Heller) und Tobi (Ricardo Frenzel Baudisch). Die Kostüme von Cleo Niemeyer-Nasser lassen die recht unterschiedlichen Spielebenen immer schön ausschauen und unterstreichen die Rollen in ihrem Tun. Die durchdachte

Herausragende Tänzerleistungen des Ensembles
Foto: Morris Mac Matzen

Choreographie  von Michael Heller ist sehr ansprechend und verlangt allen Beteiligten viel Präzision auf der kleinen Bühne sowie eine große Vielseitigkeit ab. Vom Spagat bis zum Bewegen wie eine Spieluhr-Figur müssen vor allem die Tänzer sehr beweglich sein. Die Lichtregie von Julia Fendesack leuchtet die Szenerien gut ein, in der Hamburger Version stehen die Darsteller allerdings manchmal Front Stage im Dunkeln, es mag aber auch bewusst so angelegt worden sein.

 

 

Unterhaltsamer Blick auf das Genre Operette
Foto: Morris Mac Matzen

In Zeiten wo einem in jedem Format eine gendergerechte und politisch korrekte Besetzung nahezu schon ungefragt aufgedrückt wird, kommt die schwule Operette zweier Tenöre herrlich selbstverständlich daher und überzeichnet nicht so stark wie andere LGBT ++ Formate, sondern beeindruckt mit echter Liebe und Hingabe für das Fach! Das macht große Freude und berührt auch die Heteros an diesem Abend stark.

Ein Liebeslied von Mann zu Mann – Voller Liebe, die gar nicht anders kann. Ohne Drama und Probleme, Ohne dass es komisch käme
Einfach so, als wär’s normal
Ein Liebeslied von Mann zu Mann.
Ohne Scheu, ohne schrill, ohne Scham – Ohne schau Mal, sieh Mal guckste Camouflage und Gedruckse
Ein Liebeslied von Mann zu Mann – Hätt‘ mir als kleiner Junge so gutgetan

Hier im Kieztheater Schmidtchen in Hamburg wird diese Liebeshymne besonders schön gesungen. Unbedingt Hingehen! Weitere Vorstellungen finden dann im BKA Theater Berlin und im Schmidtchen Theater Hamburg im Wechsel bis in den Sommer hinein statt.