Hannes Staffler zu ART Support Stuttgart: »Absolut nichts kann ein echtes Publikum ersetzen«

Vorab aus blickpunkt musical 04/2020

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Hannes Staffler
Foto: Sebastian Stocker

ART Support Stuttgart unterstützt mit einem wöchentlichen Livestream auf Spendenbasis Künstler in der Corona-Krise. Wir sprachen mit Hannes Staffler, der gemeinsam mit Pianist und Musikalischem Leiter Boris Ritter den Gastgeber macht, solistisch und im Duett auftritt und durch den Abend führt.

blickpunkt musical: Mit dem Projekt ART Support Stuttgart sind Sie jeden Samstag Abend live im Internet zu sehen. Auch aus der Musicalsparte hatten Sie bereits namhafte Gäste, u. a. Roberta Valentini und Kevin Tarte.

Hannes Staffler: Da Boris (Ritter) und ich aus der Musicalszene kommen und in dieser selbstverständlich über die meisten Kontakte verfügen, werden befreundete Gäste aus dem Musicalbereich auch weiterhin einen festen Bestand unserer Streams bilden. Allerdings wollen wir mit ART Support Stuttgart auch auf die Vielfältigkeit der Kunst und Kultur hinweisen und versuchen, Gäste aus allen möglichen Bereichen einzuladen. So durften wir beispielsweise auch schon Frl. Wommy Wonder oder den Stuttgarter Magier und Mentalisten Marco Miele begrüßen.

blimu: Sie wirken wie ein eingespieltes Team.

HS: Wir sind ein tolles Team bei ART Support Stuttgart und jeder ist in seinem Bereich absoluter Profi. Außerdem kannten wir uns zum größten Teil schon vorher und wussten, dass wir zusammen ein tolles Projekt auf die Beine stellen können. Wir arbeiten alle ehrenamtlich und daher ist es auch wichtig, dass wir Spaß an der Sache haben und jeder Einzelne aus Überzeugung seine Leistung einbringt.

blimu: Wer hatte die Idee zu diesen Streaming-Konzerten?

HS: Durch die Corona-bedingten Auftrittsverbote war mir ziemlich schnell klar, dass die Kunst- und Kulturszene sehr stark betroffen sein wird. Höchstwahrscheinlich wird es wohl so sein, dass wir mit die ersten waren, die nicht mehr arbeiten durften und auch unter den letzten sein werden, die wieder anfangen dürfen. In der Zeit, die dazwischen liegt, die noch niemand genau definieren kann, wird es wahrscheinlich so sein, dass viele Künstler diese Krise nicht überstehen werden, wenn es keine Hilfen und Unterstützungen gibt. Da bei den staatlichen Hilfen viele durchs Raster
fallen, war es mir ein Bedürfnis zu helfen, die Kultur in ihrer Vielfalt zu erhalten. Ich habe mir darauf hin mit meinem Manager Philipp Fischer Gedanken gemacht und schon war die Idee für den Livestream geboren. Der nächste Anruf ging dann an Boris, denn mir war sofort klar, dass ich ein wöchentliches Programm auf unbestimmbare Zeit nur mit einem Pianisten seines Formats machen kann. Dann haben wir noch Patrick Fischer von Dosoni Veranstaltungstechnik und den Stuttgarter Fotografen Thomas Niedermüller angefragt, die ebenfalls sofort Feuer und Flamme für die Idee waren und schon war der Grundstein gelegt.

Foto: Sebastian Stocker

blimu: Welche Unterstützung haben Sie?

HS: Als Kevin Tarte bei uns zu Gast war, hat dieser einen Kontakt zum Musikhaus Piano Fischer hergestellt. Seit dieser Show stellt uns Piano Fischer kostenfrei einen Flügel für die Aufzeichnungen unserer Streams zur Verfügung. Des Weiteren sind wir noch auf der Suche nach Sponsoren für ART Support Stuttgart, um die Kosten für den jeweiligen Stream zu decken. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich interessierte, potentielle Sponsoren gerne jederzeit über unsere Homepage, Facebook oder Instagram mit uns in Verbindung setzen können.

blimu: Wo findet die Veranstaltungsreihe statt?

HS: Wir senden aus der Lagerhalle von Dosoni Veranstaltungstechnik. Dort haben Patrick Fischer und sein Team uns eine tolle Bühne aufgebaut und die benötigte technische Ausrüstung ist dort natürlich ohnehin vorhanden.

blimu: Inwieweit bereiten Sie sich auf den Samstagabend vor?

HS: Wir erstellen unter der Woche immer das Programm, verschicken das an alle Beteiligten, damit sich jeder individuell vorbereiten kann, und treffen uns am Samstag immer direkt vor Ort, um dann alles noch zu proben.

blimu: Wer wählt die Titel aus?

HS: Boris und ich erstellen in Absprache mit unserem jeweiligen Gast das Programm, das wir in der jeweiligen Sendung darbieten.

blimu: Können Sie sich auch vorstellen, das Ganze in einem Theater zu machen, mit ein paar wenigen Zuschauern und dabei zum Beispiel die Tickets in einer Art Tombola zu verlosen?

HS: Das ist eine Überlegung, die für uns bis jetzt noch nicht zur Debatte stand, weil es die Corona-Verordnungen bis dato auch nicht zugelassen hätten. Wenn es nun dementsprechende Lockerungen gibt, ist das bestimmt ein Punkt, den wir im Team diskutieren können.

blimu: Wer legt fest, wohin das Geld fließt?

HS: Das legen wir im Team fest, wobei es uns sehr wichtig ist, dass auch hier in möglichst vielen verschiedenen Sparten der Kunst und Kultur geholfen wird und nicht nur alles in eine Richtung fließt. Für die Spendenaktion stellte uns Friedrichsbau Varieté sein Spenden-Konto zur Verfügung. Die gesammelten Spenden werden den Betroffenen als Soforthilfemaßnahme weitergeleitet.

Foto: Ingrid Kernbach

blimu: Wie sehr vermissen Sie das »echte« Publikum?

HS: Wir haben mittlerweile schon einige Shows gemacht und so langsam gewöhne ich mich daran. Außerdem haben wir ja auch die Möglichkeit, die Kommentare unserer Zuschauer zu sehen, sodass man trotzdem irgendwie Reaktionen mitkriegt. Aber es fühlt sich immer noch sehr komisch an und ich möchte mich daran auch nicht gewöhnen müssen, denn absolut nichts kann ein echtes Publikum ersetzen.

blimu: Es gibt sehr positive Resonanz. Können Sie sich vorstellen, diese Online-Konzerte als feste Größe auch nach Corona fortzuführen?

HS: Ehrlich gesagt hoffe ich, dass ich nach Corona wieder so beschäftigt bin, dass ich samstags wieder vor einem echten Publikum auftreten darf. Aber Spaß beiseite: Die Streams wurden mit dem Ziel ins Leben gerufen, in dieser schwierigen Corona-Zeit Künstler zu unterstützen, die unter dem Auftrittsverbot leiden. Wir sind aber auch gerade dabei, einen gemeinnützigen Verein zu gründen und wollen uns auch nach Corona weiterhin für die gute Sache einsetzen. Aber dann eher in Form von Wohltätigkeitskonzerten vor Publikum und für wechselnde bzw. aktuelle Zwecke. Daher haben wir uns auch für unseren Namen ART Support Stuttgart entschieden, der ja zweideutig interpretiert werden kann. Aktuell bedeutet er, dass die Kunst in Stuttgart unterstützt werden soll. In Zukunft soll es aber heißen, dass die Kunstszene in Stuttgart andere Zwecke unterstützen will. Beides kann man unter ART Support Stuttgart verstehen.

blimu: Wie schwierig ist es, die Vorgaben für den Sicherheitsabstand einzuhalten? Wie ist das Gefühl auf der Bühne? Wie müssen wir uns das Miteinander hinter der Bühne vorstellen?

HS: Auf der Bühne ist es eigentlich kein Problem. Wir machen ein Konzert und können daher ohne Probleme im geforderten Abstand stehen und performen. Schlimmer stelle ich es mir vor, wenn man eine Szene spielt, die auch Berührung oder gar einen Kuss beinhalten soll. Das stelle ich mir sehr eigenartig vor. Das Miteinander hinter der Bühne kann man ganz normal mit dem aktuellen alltäglichen Leben vergleichen. Mittlerweile sind wir ja alle sehr sensibilisiert, was das Thema Abstand betrifft, und jeder hält sich auch selbstverständlich daran, weil er es ja gerade auch aus dem Alltag nicht anders kennt.

blimu: Wie schwer trifft Sie persönlich diese Zeit? Wie sieht Ihr Tagesablauf derzeit aus?

HS: Natürlich sind mir in dieser Zeit sehr viele Vorstellungen ausgefallen, allerdings habe ich das große Glück, gerade am Westfälischen Landestheater in Castrop Rauxel für eine Produktion engagiert zu sein. Das Theater wollte die Produktion unbedingt zu Ende geprobt haben, damit sie spätestens zur nächsten Spielzeit im September »fertig« für die Aufführung sei, unabhängig davon, ob die geplante Premiere am 5. Juni stattfinden kann. Da es sich bei dem Ganzen um eine Revue handelt, in der hauptsächlich Soli gesungen werden und nur selten das gesamte Ensemble auf der Bühne steht, wurde uns unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen seit Anfang Mai auch das Proben erlaubt. Niemand hätte zu dieser Zeit gedacht, dass das Stück tatsächlich wie geplant zur Aufführung kommen wird, und nun hatten wir tatsächlich vor 250 Leuten Premiere.

Dadurch habe ich aktuell das große Glück, tatsächlich Einnahmen generieren zu können. Bis zum Probenbeginn war ich zu Hause und habe mich, da meine Frau nach wie vor arbeiten durfte, um meine Kinder gekümmert.

Foto: Sebastian Stocker

blimu: Haben Sie persönlich Angst vor dem Virus?

HS: Angst habe ich keine, aber den nötigen Respekt. Daher halte ich mich auch selbstverständlich an alle vorgegebenen Maßnahmen.

blimu: Was glauben Sie, wie es in den Theatern weitergehen kann? Welches Konzept könnten Sie sich vorstellen?

HS: Wie bereits erwähnt, bin ich aktuell gerade in einer Produktion, die sich mit den strengen Hygienevorschriften auseinander setzen muss. Da kann ich nur sagen, dass das wirklich vorbildlich umgesetzt wird. Überall, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, stellen wir mobile Plexiglaswände auf, jeder Sänger hat sein persönliches Mikrofon, wir desinfizieren Mikrofonstative, bevor sie von einem anderen Kollegen benutzt werden usw. Das ist auf jeden Fall ein Konzept, das genutzt werden kann, wenngleich natürlich klar ist, dass dies auch nicht für alle Produktionen umsetzbar ist. Ansonsten sollte man sich mal überlegen, ob man nicht auch genügend Testkapazitäten für Theater zur Verfügung stellt. Was im Fußball funktioniert, sollte auch auf das Theater übertragbar sein, um zumindest auf der Bühne ohne Einschränkungen spielen zu können. Dabei stellt sich natürlich die Frage der Finanzierung der Tests.

Im Publikum ist es schon etwas schwieriger, weil es da einfach mehrere potentielle Gefahren gibt, wo Menschen nicht den nötigen Sicherheitsabstand einhalten können. Es geht ja nicht nur darum, dass man zu eng nebeneinander sitzt. Auch Einlass, Gastronomie und der Zugang zu den Toiletten stellen große Hürden dar. Aber hier möchte ich ebenfalls gerne einen Vergleich bemühen: Weil es nicht wirtschaftlich wäre, im Flieger den Mittelplatz frei zu lassen, dürfen Flugzeuge trotzdem in voller Auslastung fliegen. Ähnlich ist es bei Bussen und Zügen. Daher werden hier Ausnahmen erlaubt. Gerade für kleinere Theater mit vielleicht 100 bis 200 Sitzplätzen ist es auch nicht wirtschaftlich, bei einer Auslastung von 30 bis 40 Plätzen zu spielen, um alle geforderten Abstände zu wahren. Trotzdem werden hier keine Ausnahmen gemacht. Das ist allerdings ein Thema, auf das wir nur aufmerksam machen können. Damit befassen müssen sich die Entscheidungsträger.

blimu: Welche neuen Projekte bereiten Sie vor?

HS: Unter normalen Umständen würde ich gerade in den Vorbereitungen zu meinem »Two Souls« Konzert in Stuttgart Degerloch im Dezember stecken. Da ich aktuell aber noch gar nicht beurteilen kann, ob es dieses Jahr wie geplant stattfinden kann, habe ich dies noch etwas aufgeschoben. Ab September stehen dann einige Wiederaufnahmen von Produktionen an, in denen ich mitwirke. Des Weiteren gibt es noch Anfragen für zwei Musicals mit Premieren im November bzw. Dezember, zu denen ich aber noch nichts Konkretes sagen darf. Leider wurde die Uraufführung des Musicals »Zeppelin« am Festspielhaus in Füssen, bei der ich dabei sein sollte, verschoben. Ob ich im neu angesetzten Zeitraum für die Uraufführung ebenfalls dabei sein werde, kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen, da sich dieser mit einem anderen Projekt überschneiden könnte.

blimu: Vielen Dank und alles Gute für Ihre weiteren Projekte!

Am 4. August ist Hannes Staffler zu Gast bei der Sondershow von „Wommy trifft …“, bei der der Gastkünstler im Mittelpunkt steht. Er singt Musical-Songs und Titel aus seinem rockigen Repertoire und erzählt Geschichten hinter den Kulissen.

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