»Was machen Sie eigentlich hauptberuflich?«

Soloprogramm von Thomas Klotz im Loft des Theaters Bielefeld

Bereits 15 Minuten vor Programmbeginn begrüßt Thomas Klotz am 4. Oktober 2014 seine Gäste vor der Tür des Lofts im Theater Bielefeld und gibt jedem Besucher einen Klebezettel mit einer Nummer, fragt nach Allergien, Ängsten, besonderen Talenten oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten, vermisst bei einigen Kopfumfang und Körpergröße. Die meisten Zuschauer sind von dieser Eröffnung sichtbar irritiert, lassen sich jedoch darauf ein und erklimmen die letzten Stufen zum Loft. Der kleine Raum umfasst nur knapp 30 Sitzplätze, die aber trotz der kurzfristigen Programmänderung gut gefüllt sind. Denn ursprünglich sollte an diesem Samstagabend das Zwei-Personen-Musical »Die letzten 5 Jahre« hier seine Wiederaufnahme feiern. Da jedoch seine Kollegin Roberta Valentini erkrankt ist, zog Thomas Klotz kurz entschlossen seinen Soloabend vor und arrangierte mit Bill Murta, dem musikalischen Leiter der Sparte Musical im Theater Bielefeld, eine Voraufführung zum Programm, welches am 9. Oktober offiziell Premiere feiert.

Thomas Klotz im Video zu seinem Soloprogramm. Foto: Thomas Winter

Thomas Klotz im Video zu seinem Soloprogramm. Foto: Thomas Winter

Ein großes Bühnenbild braucht es an diesem Abend nicht, manchmal genügen ein Flügel, ein Tisch mit einem Buch darauf und zwei Sessel sowie ein aufgeschlossener, gut aufgelegter Musical-Darsteller, um einen Abend kurzweilig und unterhaltsam zu gestalten. Thomas Klotz nimmt sich selbst nicht zu ernst, inszeniert schon seinen ersten Auftritt herrlich überzogen, indem er erst links, dann rechts aus dem Vorhang schaut, ein paar Requisiten umstößt und schließlich in der Mitte der Bühne mit strahlendem Lächeln erscheint.

Der Titel des Programms, »Was machen Sie eigentlich hauptberuflich?«, ist nur eine der typischen Fragen, die man als Musicaldarsteller immer wieder gestellt bekommt. Diesen Fragen und deren Antworten gehen Künstler und Publikum im Laufe des gut einstündigen Programms gemeinsam auf den Grund. Zwischendurch klingelt jedoch immer wieder ein Wecker – dann ist es Zeit für einen Theaterwitz aus dem bereit liegenden Witzebuch. Interessanterweise schmunzelt man zwar über diese Witze, der Rest des Programms strapaziert die Lachmuskeln jedoch weitaus mehr. Nur als Beispiel: »Arzt zum Schauspieler: ›Sie haben nur noch 4 Monate zu leben.‹ – Schauspieler: ›Ja, wovon denn?‹« Teilweise unterbricht das Klingeln des Witze-Weckers Klotz auch mitten im Satz und führt so dazu, dass manche der typischen Fragen teilweise unbeantwortet bleiben.
Als erstes Lied erklingt ein Ausschnitt des Titelsongs aus »Starlight Express« – das erste Lied, das Thomas Klotz im Gesangsunterricht vorgetragen hat. Jedoch hatte er beim Lernen des Liedes wohl etwas zu oft die Original-CD-Aufnahme gehört, sodass die bekannten Zeilen mit amerikanischem Akzent erklangen. Glücklicherweise gab Klotz‘ Gesangslehrer ihm ein anderes Lied, und mit warmer Stimme und viel Gefühl ist deshalb nun ›Bright Eyes‹ von Simon & Garfunkel zu hören, das perfekt in die intime Atmosphäre des Lofts passt.

Thomas Klotz macht sich Notizen über die Zuschauer. Foto: Thomas Winter

Thomas Klotz macht sich Notizen über die Zuschauer. Foto: Thomas Winter

Wie schon vor Beginn der Show macht sich Klotz auch währenddessen Notizen über die Zuschauer (»Nr. 3 ist ein Revoluzzer«, »Nr. 6 (diese Rezensentin) eventuell ein Spion«) und erklärt dann auch den Grund: Ähnlich der zahlreichen TV-Casting-Formate sucht Thomas Klotz »Den besten Zuschauer Deutschlands«, um herauszufinden, wer bei seinen nächsten Soloabenden exklusiv im Publikum sitzen darf. Eine witzige und originelle Idee, die am Anfang des Programms anknüpft. Es folgen die nächsten Fragen: »Musical, kann man das studieren?« und »Lernt man im Studium auch Rollschuhlaufen?« Anschließend darf und muss eine Zuschauerin sich im Casting beweisen, denn sie wird ausgewählt, als Backgroundgirl für Jimmy Powers alias Thomas Klotz zu dienen, der jetzt mit klischeehaften Gesten und passender Mimik als Schlagersänger Jimmy Powers aus »City of Angels« zum Besten gibt. Obwohl die ausgewählte Zuschauerin sich ein wenig ziert, schafft es Klotz, den übrigen Zuschauern Lachtränen in die Augen zu treiben.

Die Frage »Was machen Sie, wenn Sie älter sind?« führt zu einem »spontanen« Video, um Klotz‘ zweifelnder Mutter zu zeigen, wie gut sein Soloabend funktioniert. Dafür werden die Zuschauer instruiert, auf Handzeichen erst jubelnd zu applaudieren, dann Standing Ovations zu geben, »Ich will ein Kind von dir« zu rufen und dem Künstler schließlich einen Blumenstrauß zu überreichen.
»Haben Sie das nur gespielt oder war das echt?« ist auch eine der Fragen, die Thomas Klotz des Öfteren von Zuschauern gestellt bekommt, genau wie »Denken Sie auch mal an etwas anderes, wenn Sie auf der Bühne stehen?«. Um Letzteres zu beantworten, stimmt der Künstler ›Dies ist die Stunde‹ aus »Jekyll & Hyde« an, und hält während des Liedes Schilder hoch, die seine Gedanken symbolisieren – diese reichen von »Oh, ist das Lied hoch« bis »Meine Frikadelle möchte wieder raus« und liefern einen guten Einblick in die Gedankenwelt eines Musicalsängers auf der Bühne. Diese Szene ist genauso witzig wie die folgende, in der eine weitere Zuschauerin gebeten wird, die Rolle einer Priesterin zu übernehmen, der Thomas Klotz jetzt genau die gleichen Fragen, die er sich auch immer wieder anhören muss, zu ihrem Beruf stellt. Abgesehen von den wirklich guten, spontanen Antworten der Dame (»Kann man das studieren?« – »Nein, das ist ein 400 Euro Job.«) verdeutlicht das Gespräch, wie absurd manche der Fragen bei genauerem Hinsehen wirken.

Thomas Klotz mit dem Flyer zu seinem Soloprogramm. Foto: Thomas Winter

Thomas Klotz mit dem Flyer zu seinem Soloprogramm. Foto: Thomas Winter

Nach ›Ich bin Musik‹ aus »Mozart!« folgt eine zweiminütige Pause, in der Klotz und Bill Murta gemütlich ein Bier trinken und die bisherigen Erkenntnisse des Zuschauer-Castings auswerten, während die Zuschauer die Gelegenheit haben, selbst Fragen an den Künstler auf Karteikarten zu schreiben. Diese Fragen reichen dann von »Singen Sie unter der Dusche?« (»Ja, wegen der guten Akustik«), über »Welche weibliche Rolle würden Sie gern mal spielen?« (»Norma Desmond in ›Sunset Boulevard‹«) und »Wo haben Sie Ihre Schuhe her?« (»TKMax«), bis zu »Ist das wirklich Ihr Programm?« (»Ja, besser wird’s nicht«) und werden alle offen und ehrlich beantwortet.
Die nächste Frage »Sind Auditions so wie ›Deutschland sucht den Superstar‹« führt zu einer kleinen Anekdote über die Bewerbung von Thomas Klotz bei der TV-Castingshow »You Can Dance«, mit der er die schöne Fernsehwelt als mehr Schein als Sein entlarvt.
Es folgt ein spontaner Anruf bei Klotz‘ erkrankter Kollegin Roberta Valentini – zwar geht nur die Mailbox ans Handy, doch die Zuschauer jubeln und klatschen trotzdem, um der Künstlerin auf diesem Weg Genesungswünsche zu senden.
Danach sorgen die nächste typische Zuschauer-Frage und vor allem deren mögliche Antworten wieder für zahlreiche Lacher: »Merken Sie sich den Text oder steht der irgendwo?«. Mögliche Theorien: 1. Der Text steht auf dem Bühnenboden. 2. Der Darsteller bekommt den Text über In-Ears simultan souffliert. 3. Der Text steht auf den Monitoren, auf denen normalerweise der Dirigent zu sehen ist. Bei diesen wilden Spekulationen kann auch Thomas Klotz nur lachend den Kopf schütteln.
Das letzte Lied des Programms ist die ergreifende Ballade ›Es endet so‹, aus dem bei uns noch eher unbekannten Musical »Big Fish«, die einen harmonischen und runden Abschluss des Abends bildet.

Thomas Klotz in »Was machen Sie eigentlich hauptberuflich?«, Foto: Thomas Winter

Thomas Klotz in »Was machen Sie eigentlich hauptberuflich?«, Foto: Thomas Winter

Die Verkündung, alle Zuschauer hätten die erste Casting-Runde von »Thomas Klotz sucht den besten Zuschauer Deutschlands« überlebt und wären eine Runde weiter, sorgt dann für solche Beifallsbekundungen, dass der humorvolle Darsteller gar nicht anders kann, als eine Zugabe zu geben. Und so erklingt zur Melodie von ›Ich‹ (»Die Schöne und das Biest«) ein selbstgedichtetes, ironisches und herrlich komisches Lied über sich selbst und den eigenen Namen, Thomas Klotz.

Die Atmosphäre ist den gesamten Abend sehr entspannt und familiär, erstaunlich offen und ehrlich erzählt Thomas Klotz von seinem Berufsalltag, gibt Anekdoten zum Besten und interagiert locker und spontan mit dem Publikum. Nichts wirkt einstudiert oder gekünstelt und gerade das macht diesen Soloabend so besonders und unterhaltsam. Manche Sachen werden bis zur Premiere sicherlich noch ausgefeilt oder Lieder ergänzt werden – denn von Klotz‘ wohlklingender Gesangsstimme hätte man gern noch mehr gehört – doch schon die spontane Voraufführung zeigte einen bescheidenen, sympathischen sowie talentierten Künstler und macht Lust auf weitere Soloprogramme.