„Sie reden immer noch von Elisabeth“ – das Erfolgsstück verjüngt auf Jubiläumstournee

Premiere zur 'Elisabeth'-Tournee 2011/2012 in Köln

So frisch, wie beim umjubelten Tourauftakt die Schlussapplausmusik erklingt, so hat das Premierenpublikum zuvor ‚Elisabeth‘ im Kölner Musical Dome erlebt. Das Stück aus der Feder von Sylvester Levay und Michael Kunze ist lebendiger denn je. Nicht nur, dass die schicksalshafte, musikalische Biographie der österreichischen Kaiserin durch ihre durchdachte Dramaturgie und mitreißende Musik immer wieder berührt — mit der jungen Besetzung wirkt auch die erneut durch Regisseur Harry Kupfer überarbeitete Inszenierung frisch und lebendig.

»Elisabeth« auf Tour 2011. Foto: Herbert Schulze / Semmel Concerts

»Elisabeth« auf Tour 2011. Foto: Herbert Schulze / Semmel Concerts

Erfahrung und junges Blut mischen sich in der Elisabeth-Tournee 2011/2012, die zugleich das 20-jährige Bühnenjubiläum des Musicals feiert, welches 1992 seine Uraufführung in Wien erlebte. Das wahre Leben der Sisi aus dem bayerischen Possenhofen, die wider Willen Kaiserin von Österreich wurde, erzählt in Michael Kunzes Libretto der Mörder der Kaiserin, Luigi Lucheni.

Ihn spielt Kurosch Abbasi (zuletzt Melchior in ‚Frühlings Erwachen‘ in München), der gerade seine Ausbildung an der August Everding Theaterakademie beendet hat. Sein Luigi Lucheni überzeugt mit starker Stimme und durch seine bösartig-freche Art. Er hat vor niemandem Respekt, steckt seinen Kopf in das Dekolleté der Kurtisane, die gleich das Bett des Kaisers teilt, und macht aus seiner Verachtung für den Habsburger Hof und Elisabeth keinen Hehl. Das gilt auch für seine aufklärerische Art in ‚Kitsch‘, wenn er mit Genuss die Illusionen des Publikums über die hehre Elisabeth zerstört. Einzig dem Tod erweist er etwas Achtung, steht er doch auch als Mörder in dessen Dienst.

Mark Seibert (Radames in ‚Aida‘, Fiyero in ‚Wicked – Die Hexen von Oz‘, Galileo in ‚We Will Rock You‘) verführt als machtvoll-ironischer Tod. Der Tod ist nicht länger ein androgyner Todesengel, sondern ein äußerst männlicher Verführer, der schon in seiner attraktiven Körperlichkeit präsent ist. Sein Verhalten gegenüber Elisabeth ist von Brutalität gekennzeichnet und ihre Rückschläge betrachtet er süffisant. Die leise Gefährlichkeit eines Panthers, der seine Beute umkreist, zeigt er in Die kleinen Schatten. Trotz ihres traurigen Zorns über die Hinwegnahme ihres Kindes, gerät Elisabeth ganz in den Bann dieser beschwörenden Verführung.

Im Duell-Duett zwischen ihr und dem Tod, Wenn ich tanzen will, spielt Mark Seibert seine körperliche Überlegenheit aus, zeigt sich aber beeindruckt von der Kampfeskraft seiner auch sangesstarken Partnerin.

Annemieke van Dam (Lisa in ‚Jekyll & Hyde‘, Titelrolle in ‚Elisabeth‘ in Berlin und auf der Tour) bezauberte bereits vergangenes Jahr das Publikum und hat sowohl an stimmlicher Sicherheit als auch an Intensität ihres Schauspiels gewonnen.

Ihre Elisabeth besticht durch die Authentizität des dargestellten Schicksals. Mit ergreifender Mimik spielt van Dam überzeugend den Bogen von einer jungen, trotzig-verletzten Elisabeth zu der verbitterten Frau, die auf all ihren Reisen keine Ruhe mehr findet und sich von den Menschen immer mehr zurückzieht. Auch als der milde gewordene Kaiser in späteren Jahren auf sie zugeht und ihre Nähe sucht, macht sie ihm unmissverständlich klar, dass sie schon lange nichts mehr verbindet.

In der Rolle von Franz-Joseph, Kaiser von Österreich, steht Mathias Edenborn auf der Bühne, der mit seiner Rock-/Popstimme dem Kaiser einen neuen, moderneren Touch verleiht und mit seiner Menschlichkeit im Schauspiel berührt. Er gibt ein wunderbares Gegenbild zu dem arroganten erhabenen Tod. Man nimmt Franz-Joseph ab, dass er Elisabeth wirklich liebt.

Er leidet sichtlich darunter, ihr gegenüber Härte zeigen zu müssen, und sein „Ich kann nicht anders“ klingt resigniert. Doch als er bereit ist, seine Haltung, ja sogar die Loyalität gegenüber seiner allmächtigen Mutter Sophie (überzeugend gespielt von Betty Vermeulen) aufzugeben, ist es zu spät, das ursprünglche Vertrauensverhältnis durch sein Fremdgehen zerbrochen.

Als kleiner Kronprinz Rudolf bezauberte der 10-jährige Benedikt Lucks mit Stimme und Spielfreude. Er wirkt neben dem imposanten Tod-Darsteller besonders klein und verschwindet nahezu in dessen Todesbarke, die als Vogelschwinge gestaltet ist.

Oliver Arno (Prinz in ‚Cinderella‘, Kronprinz Rudolf und Tod in ‚Elisabeth‘) verkörpert den großen Sohn Elisabeths, den diese vernachlässigte und in den entscheidenden Momenten seines Lebens allein ließ. Er spielte diese Rolle bereits beim Auftakt der Neuinszenierung des Stückes 2008 in Berlin. Am Premierenabend beeindruckt er durch seine Stimmkraft und das exzellente Zusammenspiel mit Mark Seibert in Die Schatten werden länger und sein berührendes Schauspiel in Wenn ich dein Spiegel wär. Der Darsteller ist außerdem Cover ‚Der Tod‘.

Elissa Huber (Publikumspreis bei ‚Jugend kulturell – Förderpreis Musical‘) gibt der Doppelrolle Ludovika/Frau Wolf mit starker Stimme, Bühnenpräsenz und komödiantischem Talent ein frisches Gesicht.

Als Gräfin Esterhazy, in der die junge Elisabeth anfangs einen Mutterersatz sucht, steht die Musical-erfahrene Ann Christin Elverum (Königin Anna in ‚3 Musketiere‘, Hexe in ‚Into the Woods in Kassel) auf der Bühne, als Elisabeths Vater, Herzog Max in Bayern, der nicht minder erfahrene Dennis Kozeluh (Oberst Julyan in ‚Rebecca‘, Reverend Shaw Moore in ‚Footloose‘), der mit warmer Stimme, prägnantem Schauspiel und in den Ensemblepositionen mit großer Spielfreude überzeugt.

Alice Macura gibt mit Präsenz und kraftvoller Stimme Fräulein Windisch, die glaubt, Kaiserin Elisabeth zu sein und covert überdies wie schon 2008 die Titelrolle.

Martin Pasching ist in der Rolle des skurrilen Graf Grünne zu sehen, der dem Kaiser sich windend davon abrät, irgendwelche Bündnisse einzugehen, und covert außerdem den Tod.

Die Wand mit Projektionen des Niedergangs der Habsburger Monarchie (Bühnenbild: Hans Schavernoch), die „Gondel“ mit dem österreichischen Doppeladler, fahrende Kaffeehaustische, die Flügelbarke und ein paar wenige Möbelstücke lenken nicht von den Akteuren auf der Bühne ab.

In der Tourneeproduktion von ‚Elisabeth‘ stehen die 25 Darsteller im Vordergrund, die sich auch durch vereinzelte Tonschwankungen am Premierenabend wenig beirren ließen. Begleitet wird die Besetzung von 19 Musikern unter Leitung von Daniel Behrens (Musikalischer Direktor am Berliner FriedrichstadtPalast), die mit Elan spielen.

Die Stärke des Ensembles zeigt sich in kleinen Soloauftritten, für die die Darsteller zu Kaffeehausbesuchern, Ballgästen, Demonstranten oder kaiserlichen Beamten werden. Davon sind auch die kleineren Hauptrollen nicht ausgenommen.

Wer im ‚Elisabeth‘-Ensemble dabei ist, muss schnell in Rollen springen, präsent seine Position spielen, zugleich aber auch auf die anderen reagieren können, damit kleine Pannen so gekonnt und mit Charme überspielt werden können wie am Premierenabend.

Das Publikum zeigte seine Begeisterung mit Standing Ovations, sobald der letzte Ton verklungen war.