Rudolf – Affaire Mayerling

»Rudolf – Affaire Mayerling« von Frederic Morton (Buch), Jack Murphy (Liedtexter) und Frank Wildhorn (Musik)

Musik, Storyline & KonzeptFrank Wildhorn
StorylinePhoebe Hwang
KonzeptSteve Cuden
Buch & LiedtexteJack Murphy
Zusätzliche LiedtexteNan Knighton
Original TitelRudolf – The Last Kiss
Deutscher TitelRudolf – Affaire Mayerling
Weitere TitelRudolf – Die Affaire Mayerling
Vorlage»Ein letzter Walzer. Wien 1888/89« von Frederic Morton (Wien-München 1997)
Uraufführung Am 26. Mai 2006 im Operett Színház in Budapest (HU), Attila Dolhai spielte Rudolf und Bernadett Vágó Mary Vetsera
Deutschsprachige Erstaufführung & Österreichische Erstaufführung Am 26. Februar 2009 im Raimund Theater Wien (AT) mit Drew Sarich als Rudolf, Lisa Antoni als Mary Baronesse Vetsera und Uwe Kröger als Eduard Graf Taaffe

Rudolf – Affaire Mayerling (Wien 2009)
Deutsche Übersetzung (Dialoge)Julia Sengstschmid
Deutsche Übersetzung (Liedtexte)Nina Jäger
Verlag Vereinigte Bühnen Wien

Produktionen

Handlung

Alles beginnt mit dem 40. Thronjubiläum Kaiser Franz Josephs, zu dessen Ehren das neue Hofburg-Theater eingeweiht wird. Wider Willen begleitet Kronprinz Rudolf seine Frau Stephanie ins Theater. Historischer Hintergrund ist die Einweihung des neuen Burgtheaters an der Ringstraße, das erstmals mit elektrischem Licht illuminiert werden soll. Die kaiserliche Familie erwartet das Ereignis in ihrer Loge, während das gesamte Theaterpublikum mitfiebert und sich auch nicht beirren lässt, als vom Balkon unzufriedene Bürger die Aristokratie des Raubes und der Ausbeutung bezichtigen. Direkt danach hat eine junge Frau aus dieser Gruppe ihren theatralischen Auftritt zwischen den gepuderten Schauspielerinnen, die vor der Illumination vom ‚Wiener Schmäh‘ singen. Sie erschießt sich auf der Bühne. Bei der Toten treffen sich Mary Baronesse Vetsera und der Kronprinz das erste Mal: „Manchmal ist es besser, sofort zu sterben, als jeden Tag ein bisschen“. Rudolf fühlt sich machtlos und sucht seinen Platz im Leben. Seine Kritik an der Herrschaft des Vaters, die den Status Quo aufrecht erhalten will, und Rudolfs Ideen einer neuen Form der Monarchie in Europa führen zu einem ernsthaften Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn. Kaiser Franz Joseph nimmt seinen Sohn nicht für voll und lässt ihn am politischen Leben nur repräsentativ teilnehmen. Er verachtet ihn, weil er noch immer keinen Thronfolger gezeugt hat und vergleicht ihn mit Cousin Kaiser Wilhelm II., dessen fünftes Kind gerade das Licht der Welt erblickt hat und der ein Schwiegersohn nach seinem Herzen wäre. Währenddessen fühlt Mary Baronesse Vetsera sich bedrängt, ihre Schönheit und Jugend auszunutzen, um sich den reichen Fürsten Braganzazu angeln, der auch die Geldnöte der Familie aufheben könnte. Doch Mary träumt von der großen Liebe und liest die Schriften von ‚Julius Felix‘, der im ‚Neuen Wiener Tagblatt‘ davor warnt, die neue Zukunft mit Altlasten der Vergangenheit zu beginnen. Diese Schriften gelten dem Kaiser jedoch als aufrührerisch und hochverräterisch. Er weiß nicht, dass Julius Felix ein Pseudonym des Kronprinzen ist. Das ahnt auch Ministerpräsident Eduard Graf Taaffe nicht; dennoch setzt er den Herausgeber Moriz Szeps unter Druck und verpasst ihm mittels der Deutschnationalen, die in der Redaktion des Juden Feuer legen, einen Denkzettel. Schließlich hat Moritz Szeps dem Schreiber erst eine Bühne geboten. Graf Taaffe besitzt die Gabe des Diplomaten, alle glauben zu machen, dass er auf ihrer Seite ist, vor allem auch den Kaiser. Der Prinz von Wales,Clemenceau, Gyula Adrássy bedrängen den Prinzen, sich ihnen anzuschließen und ihre Pläne für ein neues Europa mit gemeinsamen Grundsätzen der Regentschaft zu unterschreiben. Rudolf aber fürchtet den Hochverrat an seiner eigenen Familie. Die wahre Identität des Julius Felix erfährt einzig Mary Vetsera, die aus ihrer Bewunderung für den Verfasser keinen Hehl macht. Durch dieses Wissen wird Rudolf ihr erst so richtig sympathisch, fühlte sie doch bereits seit dem Ball eine seltsame Zuneigung für ihn. Ihre Natürlichkeit und ihr Mut imponieren Rudolf und auch er entwickelt Gefühle für die junge Frau, die schon so tiefe Gedanken hat. Es kommt zu gemeinsamen Treffen auf der Eislaufbahn und im Prater.

Nachdem Mary jedoch auch das Bett des Prinzen teilt, erfährt Kronprinzessin Stephanie von dem neuen Verhältnis ihres Mannes und macht ihrem Mann klar, dass er mit noch so vielen Flittchen schlafen kann, sie aber immer seine Frau bleibt und die zukünftige österreichische Kaiserin, wenn er sie auch noch so sehr demütigt. Doch, obwohl Rudolf auch weiterhin den ‚Salon Apokalypse‘ mit seinen geldwerten Frauen besucht und seinen Frust in Alkohohl ertränkt, beginnt er Mary Vetsera ehrlich zu lieben und würde sie gerne zu seiner legitimen Ehefrau machen. Als er es wagt, deshalb beim Papst um Aufhebung seiner ersten Ehe zu bitten, hält Franz Joseph seinen Sohn endgültig für unfähig und undiszipliniert. Graf Taaffe lässt Rudolf indessen weiterhin beschatten und findet heraus, dass er Julius Felix ist und Mary Vetsera zur Gefahr für die habsburgische Familie werden könnte. Er bietet ihr viel Geld und die Absicherung ihrer Familie, aber Mary ist nicht käuflich, selbst dass sie damit ihre Familie in Gefahr bringen könnte, hat für sie keinen Wert. Erst als Rudolf um die Geliebte und ihr Leben fürchtet und sie deshalb fortschickt, ist sie für einen Moment bereit, zu gehen. Rudolf indes ist entschlossen, seine Ideen und Ziele nicht länger zu verbergen. Bei einer großen Industrieausstellung spricht er zum Volk und begeistert mit seinen fortschrittlichen Ideen, sehr zum Entsetzen Graf Taaffes. Rudolf kann und will nicht mehr zurück und unterschreibt den Vertrag mit den politischen Verbündeten für ein neues Europa. Leider entpuppt sich ein Vertrauter der Freunde als Graf Taaffes Spitzel und das unterschriebene Dokument gelangt direkt zum Kaiser. Nachdem es zum endgültigen Bruch mit dem Vater gekommen ist, zählt für den Prinzen nur noch das letzte private Glück mit Mary. Beide fahren an den Ort ihrer Träume nach ‚Mayerling’…

Historie

  • Grundlage: Der historische Roman »Ein letzter Walzer. Wien 1888/89« von Frederic Morton (Wien-München 1997)
  • 26. Mai 2006: Uraufführung des Musicals »Rudolf – The Last Kiss« an der Operett Színház in Budapest (HU). Attila Dolhai spielte ‚Rudolf‘ und Bernadett Vágó ‚Mary Vetsera‘.
  • 28 Juli 2006: Open-Air-Premiere beim Open-Air-Festival Szeged (HU)
  • 6. Mai: Japan-Premiere durch Toho Musical & Play in Tokio (J). Yoshio Inoue spielte ‚Rudolf‘, Rena Sasamoto ‚Mary Vetsera‘. Gespielt wurde bis 1. Juni 2008
  • 26. Februar 2009: Österreichische und deutschsprachige Erstaufführung von »Rudolf – Affaire Mayerling« im Raimund Theater Wien (AT) mit Drew Sarich als ‚Rudolf‘, Lisa Antoni als ‚Mary Baronesse Vetsera‘ und Uwe Kröger als ‚Eduard Graf Taaffe‘
  • 2009: Auszeichnung mit dem Publikumspreis in der Leserwahl des Magazins musicals mit Platz 1 in 8 Kategorien darunter »Beste neue Musical Produktion«, »Regie«, »Choreographie«, »Ausstattung« und »Musical-CD«
  • Musiktitel

    Musiktitel (erste Fassung)

    AKT 1 AKT 2
    OUVERTÜRE / WIE JEDER ANDRE MANN DIE FÄDEN IN DER HAND
    (Eduard Taaffe und Ensemble)
    VORHANG AUF
    (Franz Joseph, Rudolf, Eduard Taaffe, Ensemble)
    DU BLEIBST BEI MIR!
    (Stephanie)
    WIENER SCHMÄH
    (Alle)
    WIE JEDER ANDERE MANN Reprise
    (Rudolf, später Mizzi)
    WIE JEDER ANDRE MANN
    (Rudolf)
    WIENER SCHMÄH Reprise
    (Ensemble)
    DU WILLST NICHT HÖREN
    (Franz Joseph, Rudolf)
    MEIN SÜSSER HELD
    (1 Mann, Ensemble)
    WIENER SCHMÄH Reprise
    (3 Herren)
    MUT ZUR TAT
    (Rudolf)
    EIN HÜBSCHER KRIEG
    (Marie Larisch, Mary Vetsera, alle Damen)
    DER WEG IN DIE ZUKUNFT
    (Rudolf und Ensemble)
    MARYS LIED
    (Mary Vetsera)
    DIE LIEBE LENKT
    (Marie Larisch)
    DER BALL
    (Alle)
    DIE FUCHSFALLE
    (Eduard Taaffe, Meisner)
    DER PRINCE OF WALES WALZER
    (Edward, Wilhelm, Rudolf, dann alle)
    WENN DAS SCHICKSAL DICH EREILT
    (Eduard Taaffe und Mary Vetsera)
    MARYS WALZER
    (Mary Vetsera, Rudolf)
    KANN ICH EINFACH GEHN?
    (Mary Vetsera)
    DER BALL Reprise
    (Alle)
    ZEIT ZU HANDELN Reprise
    (Andrássy, Szeps, Vogelsang, Clemenceau, Rudolf, Edward)
    SO VIEL MEHR
    (Rudolf und Mary Vetsera)
    ICH SCHÜTZ DEN STAAT
    (Franz Joseph)
    DIE STRAHLENDE ZUKUNFT
    (Eduard Taaffe)
    DU BIST MEINE WELT
    (Rudolf und Mary Vetsera)
    ZEIT ZU HANDELN
    (Andrássy, Szeps, Vogelsang, Clemenceau, Rudolf, Edward)
    VERTRAU IN UNS Reprise
    (Rudolf und Mary Vetsera)
    WOHIN FÜHRT MEIN WEG?
    (Rudolf)
    TRALALA
    (Alle)
    IN DEM MOMENT ALS ICH DICH SAH
    (Rudolf, Mary Vetsera)
    VERTRAU IN UNS
    (Mary Vetsera)

    Musiktitel (zweite Fassung)

    AKT 1 AKT 2
    OUVERTÜRE / DU BIST MEINE WELT DIE FÄDEN IN DER HAND
    (Eduard Taaffe und Ensemble)
    VORHANG AUF
    (Franz Joseph, Rudolf, Eduard Taaffe, Ensemble)
    DU BLEIBST BEI MIR!
    (Stephanie)
    WIENER SCHMÄH
    (Alle)
    WIE JEDER ANDRE MANN Reprise
    (Rudolf, später Mizzi)
    WIE JEDER ANDRE MANN
    (Rudolf)
    WIENER SCHMÄH Reprise
    (Ensemble)
    DU WILLST NICHT HÖREN
    (Franz Joseph, Rudolf)
    MEIN SÜSSER HELD
    (1 Mann, Ensemble)
    WIENER SCHMÄH Reprise
    (3 Herren)
    MUT ZUR TAT
    (Rudolf)
    EIN HÜBSCHER KRIEG
    (Marie Larisch, Mary Vetsera, alle Damen)
    DER WEG IN DIE ZUKUNFT
    (Rudolf und Ensemble)
    MARYS LIED
    (Mary Vetsera)
    DIE LIEBE LENKT
    (Marie Larisch)
    DER BALL
    (Alle)
    DIE FUCHSFALLE
    (Eduard Taaffe, Meisner)
    MARYS WALZER
    (Mary Vetsera, Rudolf)
    WENN DAS SCHICKSAL DICH EREILT
    (Eduard Taaffe und Mary Vetsera)
    DER BALL Reprise
    (Alle)
    SO VIEL MEHR Reprise
    (Rudolf und Mary Vetsera)
    SO VIEL MEHR
    (Rudolf und Mary Vetsera)
    ZEIT ZU HANDELN Reprise
    (Andrássy, Szeps, Vogelsang, Clemenceau, Rudolf, Edward)
    DIE STRAHLENDE ZUKUNFT
    (Eduard Taaffe)
    DU BIST MEINE WELT
    (Rudolf und Mary Vetsera)
    ZEIT ZU HANDELN
    (Andrássy, Szeps, Vogelsang, Clemenceau, Rudolf, Edward)
    VERTRAU IN UNS Reprise
    (Rudolf und Mary Vetsera)
    WOHIN FÜHRT MEIN WEG?
    (Rudolf)
    TRALALA
    (Alle)
    IN DEM MOMENT ALS ICH DICH SAH
    (Rudolf, Mary Vetsera)
    VERTRAU IN UNS
    (Mary Vetsera)

     

     

    Kulturhistorischer Hintergrund

    101 Kanonenschüsse gaben am 21. August 1858 die Geburt des österreichischen Thronfolgers aus dem Hause Habsburg bekannt. Elisabeth von Österreich hatte in Schloss Laxenburg einem Sohn das Leben geschenkt. Endlich schien der Fortbestand der Dynastie gesichert. Doch nicht nur der Jubel war groß, sondern auch die Hoffnungen waren es, die auf dem Sohn Kaiser Franz Josephs ruhten. Der neue ‚Rudolf‘, benannt nach dem Gründer des Hauses Habsburg (600 n. u. Z.), sollte das Steuer noch einmal herumreißen und die Monarchie zu neuer Blüte führen.

    Es war nicht üblich, dass ein Herrscherkind von den Eltern betreut wurde. Rudolfs erste Erzieherin war Freifrau von Welden, die sich fünf Jahre um das etwas schwächliche schüchterne Kind kümmerte. Einen wirklichen Kontakt zur Mutter konnte der Kronprinz nicht aufbauen, da diese ab 1860 nur selten zu Hause war, sondern erst auf Madeira, dann auf Korfu lebte. Ab dem dritten Lebensjahr lernte Rudolf bereits Rechnen, Schreiben und Religion, ebenso die Sprachen der k.u.k. Monarchie: Ungarisch und Tschechisch. Erzherzogin Sophie und Kaiser Franz Joseph wollten den Jungen schon früh auf sein Aufgabe als Herrscher vorbereiten und hofften, seine kränkliche und nervöse Natur mit rüden Erziehungsmethoden zu überwinden. Rudolf wurde mit nächtlichen Pistolenschüssen geweckt und zur Abhärtung mit kaltem Wasser übergossen. Militärischer Drill, Reiten und Schießen unter Anleitung des Generalmajors Graf Leopold Gondrecourt gehörten seit seinem sechsten Lebensjahr zum Alltag.

    Das änderte sich erst, als Kaiserin Elisabeth sich nach Familienkämpfen in der Erziehung ihres Sohnes durchsetzte. Sie erzwang von Franz Joseph das Bestimmungsrecht über die Erziehung des Kronprinzen bis zu dessen Volljährigkeit. Elisabeth bestellte General Joseph Graf Latour von Thurmburg 1865 zu Rudolfs Mentor. Dieser erkannte die Neugierde und Intelligenz des Prinzen und gewann bald sein Vertrauen. Zeitweise waren es bis zu 50 verschiedene Lehrer, die Rudolf unterrichteten und seine Wissbegierde stillten. Der Kronprinz gehörte zu den wenigen gekrönten Häuptern in Europa, die eine vollständige wirtschaftliche Ausbildung erhielten. Ein Studium blieb ihm zwar verwehrt, doch als begabter Ornithologe erhielt er einen Ehrendoktor.

    Zunehmend entwickelte der Kronprinz liberale Ansichten. Er lehnte den Einfluss der katholischen Kirche ab und folgte seiner Mutter, die er bei aller späteren Kritik sehr verehrte, in ihrer Neigung zu Ungarn. Für seine spätere Herrschaft plante er eine Stärkung des Balkans gegenüber Russland. Preußen stand er von Anfang eher misstrauisch gegenüber. Nachdem die Österreicher bei Königgrätz 1866 vernichtend geschlagen worden waren, begann Rudolf die Preußen regelrecht zu hassen. Dieses Gefühl wirkte sich später auch auf seine Abneigung gegen Deutschland aus. Österreichs Zukunft sah er in einer Orientierung nach Osten.

    Mit dem Vater verband Rudolf, außer der gemeinsamen Jagdleidenschaft, wenig. Je mehr Rudolf durch seine Studien über die Welt erfuhr, desto kritischer sah er die konservative Politik des Vaters. Zu gerne hätte er das Steuer übernommen. DochKaiser Franz Joseph schloss seinen jungen Nachfolger, dessen politischen Ambitionen er gerne mit „Rudolf plauscht wieder“ abtat, von den Regierungsgeschäften kategorisch aus. Der Kronprinz ertrug seine politische Ohnmacht nur schwer und wurde zunehmend zynisch. Durch seine liberale Prägung neigte er eher bürgerlich-liberalen Kreisen zu, in denen sich auch Bürger jüdischen Glaubens einfanden. Unter Rudolfs Lehrern waren Juden gewesen; für den Prinzen machte die Religion keinen Unterschied. Da Rudolf offiziell nicht politisch agieren konnte, suchte er ein Organ für seine Kritik an Franz Josephs Regierung. Er fand es im Neuen Wiener Tagblatt, deren Herausgeber, Moritz Szeps, er 1881 kennenlernte. Anonym sowie unter dem Pseudonym ‚Julius Felix‘ veröffentlichte der Kronprinz regimekritische Artikel gegen die absolutistische, katholische Politik seines Vaters. Rudolfs Beziehung zu Moritz Szeps blieb nicht unbemerkt und schuf dem Kronprinzen in konservativen und antisemitischen Kreisen zahlreiche Feinde. Sein härtester Widersacher an der Spitze des Kabinetts war der mächtige Ministerpräsident Graf Eduard Taaffe, die graue Eminenz der kaiserlichen Politik. Graf Taaffe gelang es, jede Gruppierung glauben zu machen, er wäre auf ihrer Seite. In diesem Sinne war er ein Meister der Diplomatie.

    Mit seiner Volljährigkeit avancierte Rudolf zum Liebling der Damenwelt. Das verdankte er seinem Haushofmeister Graf Charles Bombelles, einem bekannten Lebemann, der seinen Kronprinzen an neue Seiten des Lebens heranführte. Erst mit 23 Jahren heiratete Kronprinz Rudolf die 16jährige Stephanie von Belgien. Die Hochzeit wurde mit großen Feierlichkeiten begangen und fand in der Augustinerkirche statt, in der auch Elisabeth und Franz Joseph geheiratet hatten. Aus den erhaltenen Briefen ist zu schließen, dass Rudolf und Stephanie zu Beginn eine harmonische Ehe führten. Die gegenseitige Zuneigung reichte aber nicht aus, beide dauerhaft aneinander zu binden. Stephanie war als königliche Prinzessin erzogen worden und konnte mit den zahlreichen Interessen und Rudolfs Vorstellungen von einem fortschrittlicheren besseren Österreich nichts anfangen. Kaiserin Elisabeth war Stephanie auch keine Stütze. Sie verstand nicht, warum ihr Sohn eine Frau geheiratet hatte, die so gar nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprach. Elisabeth sprach von ihrer Schwiegertochter zuweilen als „hässliches Trampeltier“.

    Rudolf und Stephanie lebten sich allmählich auseinander; daran änderte auch die Geburt ihrer gemeinsamen Tochter, Erzherzogin Elisabeth, nichts. Nach der ersten Geburt konnte Stephanie keine weiteren Kinder bekommen. Rudolf suchte schon länger außerhalb der Ehe sein Vergnügen bei Damen der Halbwelt, insbesondere in den Armen der Schauspielerin Mizzi Caspar. Das führte zu unschönen Eifersuchtsszenen zwischen den Eheleuten, die zum Gespräch des Hofes wurden. Der Kaiser rügte Sohn und Schwiegertochter und pochte auf die Einhaltung der Sitten. Rudolf selbst erkannte schließlich: „Wir passen nun mal nicht zusammen, wir machen uns das Leben zur Hölle.“ Stephanie, die Rudolf liebte, erklärte sich in ihren Memoiren die verfahrene Situation auf ihre eigene Weise: „Infolge der vielen Erfahrungen, die er von jung auf mit Frauen gemacht hat, schätzt er eben die Frau als solche gering und erachtet sie nicht als ebenbürtiges Wesen.“

    Frustriert von der politischen Ohnmacht und der unglücklichen Ehe, wurde Rudolf dem Leben gegenüber immer zynischer. Er trank regelmäßig Champagner mit Cognac vermischt, um seine angespannten Nerven zu beruhigen, was seiner ohnehin schwachen körperlichen Konstitution nicht bekam. Auch mit Drogen experimentierte er. Schon immer übte der Tod auf Rudolf eine große Faszination aus. Nicht nur darin ähnelte er seiner Mutter Elisabeth. Auf seinem Schreibtisch lagen immer ein Totenschädel und ein Revolver nah beieinander. Rudolf machte sich Gedanken über das Erbe der Wittelsbacher und fürchtete, wie Elisabeth auch, die geistige Degeneration.

    In dieser Verfassung lernte der Kronprinz im Herbst 1888 die 17jährige Baronesse Mary Vetsera kennen, die eine innige schwärmerische Zuneigung für den Prinzen entwickelte. Seine charmante Art und sein geheimnisvolles, grüblerisches Wesen fesselten ihre Aufmerksamkeit. Zuerst lenkte die junge Modedame Rudolf mit ihrem heiteren Wesen von seinen Sorgen ab, dann wurde sie zu seiner Verbündeten, bereit mit ihm in den Tod zu gehen. Wenn man die Briefe liest, die Mary Vetsera anGräfin Marie Larisch, die Initiatorin der gemeinsamen Treffen mit dem Kronprinzen schrieb, erschien ihr das gemeinsame Vorhaben als Weg in eine andere Welt – als eine Art großes Abenteuer.

    Heute gilt als wahrscheinlich, dass Rudolf auf seinem Jagdschloss Mayerling am 30. Januar 1889 zuerst Mary Vetsera, dann sich selbst erschoss. Der Hof vertuschte den Tod der Geliebten, um Rudolf ein katholisches Begräbnis in der Kaisergruft zu ermöglichen und erklärte Rudolfs Handeln zunächst als Unfall, dann als Folge von „Geistesverwirrung“. Der wirkliche Grund für den Selbstmord des Kronprinzen bleibt bis heute verborgen. Sein Leben kann nur Hinweise geben, aber diese sprechen eine deutliche Sprache.

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