»Trotzdem gilt – wie immer – Samstag ist Premiere und das ist das, was zählt.«

Christian Struppeck kurz vor der Uraufführung von »Rock Me Amadeus«

Christian Struppeck
Foto: Ralf Rühmeier

blickpunkt musical: Wie geht es Ihnen ein paar Tage vor der Premiere, mit so vielen Jahren Arbeit an diesem Musical, die bereits hinter Ihnen liegen? Sie hatten die Idee, Sie haben das Buch geschrieben, länger und näher war niemand an dem Thema dran.

Christian Struppeck: Es geht mir sehr gut. Die Proben sind gut gelaufen, obwohl es natürlich eine sehr anstrengende und herausfordernde Zeit ist für uns alle. Aber wir hatten schon die ersten Voraufführungen, die wirklich gut funktioniert haben, gut angekommen sind. Das war der erste Test. Die Anspannung vor so einer großen Premiere ist aber natürlich trotzdem da, das ist ja klar.

blimu: Wie gehen Sie damit um, dass Sie gleichzeitig Autor und Intendant sind? Normalerweise bekommt man als Autor ja immer von allen Seiten Feedback, das berühmte »Kill your darlings« wird auch von einem Intendanten immer wieder an das Kreativteam herangetragen. Jetzt müssen Sie im Grunde genommen den Konflikt zwischen der Hand über allem und den Gesichtspunkten des Autors mit sich selbst ausmachen.

CS: Es ist ja nicht mein erstes Stück, ich kenne den Mechanismus. Da bin ich dann auf der Probe auch in der anderen Rolle und überprüfe mich selbst. Wir haben allerdings auch Dramaturg:innen am Haus, die Hinweise liefern, wenn etwas noch nicht ganz schlüssig ist. Und der Regisseur ist auch immer der Erste, der mir Feedback gibt und mir sagt, dass er etwas anders will, weil es zu lang oder zu kurz ist oder irgendetwas gar nicht im Text vorkommen soll. Wir sind da mittlerweile gut eingespielt – aber im Grunde genommen muss ich natürlich in so einer Konstellation immer mit zwei Hüten auf dem Kopf denken und arbeiten.

blimu: Gab es in den letzten Wochen größere Veränderungen? Normalerweise hat man ein Stück ja fertig geschrieben, beginnt mit den Proben und schreibt es dann faktisch noch mal ganz neu im Laufe der Probenzeit. Sind Sie auf bestimmte Veränderungen besonders stolz?

CS: Die größten Veränderungen, so wie Sie das jetzt beschreiben, gab es in den Workshops. Das ist immer die Zeit, wo intensiv mit den Schauspielern gearbeitet und alles hinterfragt wird. Wir hatten ja zwei große Workshops, wo genau das passiert ist – das muss auch so sein bei so einer großen Produktion, weil wir ja so eine riesige Ausstattung haben mit Bühnen- und Kostümbild. Da kann man nicht in die Proben gehen und dann feststellen, dass etwas gar nicht funktioniert. Aber es stimmt natürlich, im Detail haben wir jetzt doch noch intensiv gearbeitet, vor allem mit Alex Melcher, der in den Workshops nicht dabei war. Also haben wir uns nun mit seiner Rolle und ihrer Erarbeitung auseinandergesetzt und viel mit ihm besprochen. Es hat sich jetzt nicht komplett verändert, aber wie auch Andreas Gergen während der Medienprobe schon gesagt hat, haben wir die Rolle sehr vertieft und definiert, was oder wer er jetzt eigentlich genau ist. Das haben wir dann zu dritt intensiv bearbeitet und den Text adaptiert, damit nun alles stimmig ist. Aber die ganz großen Brocken hatten wir schon vorher aus dem Weg geräumt. Stolz bin ich darauf, dass mittlerweile alles so schön verdichtet ist. Man streicht dann immer noch viel auf den letzten Metern. Also nicht viel im eigentlichen Sinne, aber viele Kleinigkeiten an verschiedenen Stellen, die es dann aber gleich so viel runder machen. Mal hier ein oder zwei Zeilen raus, da ein paar Takte weg. Heute waren es zum Beispiel vier Takte – das klingt wenig, aber das ist der letzte Schliff, damit es dann wirklich rund wird, diese Perfektion bekommt. Und so etwas sieht und hört man erst in den Previews.

blimu: Sie haben mit sehr vielen Leuten und Beratern im Hintergrund gearbeitet – Markus Spiegel, die Falco Stiftung, die Bolland Brüder, Robert Ponger – macht es das einfacher, wenn man auf so viel Wissen zurückgreifen kann, oder eher noch komplizierter, wenn so viele mitsprechen wollen?

CS: Also natürlich macht der Zugriff auf die ganzen Storys, das Wissen, wer war Hans Hölzel wirklich und was ist tatsächlich passiert, das grundsätzlich einfacher. Wir fragen auch ganz oft, wie war es denn zum Beispiel, als ihr ›Rock Me Amadeus‹ aufgenommen habt? Markus, wie war es, als du ihn entdeckt hast? Etc. Natürlich nutzen wir das dann für die Bühne und selbstverständlich muss es dann pointiert dargestellt werden. Wir schauen ja ein bisschen durch ein Schlüsselloch, man schaut, wie hätte es sein können – aber die Grundzüge stimmen bei uns alle. Auf der anderen Seite lag in der Größe des Teams natürlich auch die Herausforderung. Manchmal existierten unterschiedliche Fassungen von Geschichten, da musste man sich dann einigen, was wir darstellen wollen. Oder auch, wenn wir entscheiden mussten, dass wir etwas nicht zeigen wollen, bzw. vielleicht an einer anderen Stelle. Diesen Abstimmungsprozess hat man natürlich nicht, wenn man ein Stück einfach erfindet. Also ja, das war anstrengender – aber dafür haben wir jetzt ein Stück, das wirklich außergewöhnlich ist. Denn das, was da auf der Bühne passiert, ist tatsächlich Zeitgeschichte – auch wenn wir etwas verdichten, auslassen oder in einer anderen Reihenfolge erzählen. Auch die Charaktere rund um ihn haben bewusst nur Vornamen bekommen, sie sind exemplarisch zu sehen und sollen keine realen, lebenden Personen darstellen, weil es natürlich nicht genauso war, manche Sachen auch zusammengefasst wurden in einer Figur. Aber ich glaube, seinen Charakter, und wie sich die Hauptereignisse abspielten, haben wir wirklich gut getroffen. Ich weiß auf jeden Fall zwei Beispiele, die wirklich noch nie von ihm dargestellt wurden: Zum einen wollte er ›Rock Me Amadeus‹ nicht singen und hat sich im Studio furchtbar darüber aufgeregt und gesagt, dass es ihm nicht gefällt. Er hat dann aus der Wut heraus den Song eingesungen, was man auch ein bisschen auf der Aufnahme hört. Und obwohl er es nicht singen wollte, hat er es dann perfekt umgesetzt. Was aber auch gesagt werden sollte, ist, dass er es dann später schon sehr mochte, er hat schon verstanden, dass das ein guter Song ist. Eine andere Szene ist die am Flughafen in New York – er hatte einen Teddy für seine Tochter gekauft und musste für ihn extra ein First Class Ticket kaufen, weil er nicht wollte, dass der Teddy im Frachtraum mitfliegen musste. Das zeigen wir auch auf der Bühne, das ist eine wahre Geschichte. Und so etwas finde ich super interessant und witzig – das sind Sachen, die man von ihm nicht kennt. Das Charmante, ein bisschen Verrückte, aber auch sehr Sympathische.

blimu: Jetzt sind wir in Wien und das Wiener Publikum ist ja zum einen sehr begeisterungsfähig, auf der anderen Seite aber auch gnadenlos. Falco als Nationalheld ist ja auch noch nicht so lange tot, d.h. viele haben zu ihm noch eine ganz präsente Meinung. Macht Ihnen das etwas Angst, wie das Publikum jetzt darauf reagieren kann / könnte?

CS: Uns ist bewusst, dass Falco ein großes, emotionalisiertes Thema ist. Viele Menschen kannten ihn, haben ihn ins Herz geschlossen. Wir hatten ja zwei große Workshops, wo schon alle mit im Boot waren und bei denen wir bereits sehr viel Wert daraufgelegt haben, wirklich authentisch zu bleiben. Auch mit dem Casten von Moritz Mausser, der bereits in den Workshops dabei war, sind wir sehr nah am Original. Sprich, wir sind nicht blauäugig an diese »Problematik« herangegangen, sondern haben uns ganz bewusst die Rückversicherung geholt. Der erste große Test war dann die erste Preview – und da waren die Reaktionen überwältigend. Wir waren alle den Tränen nahe, bzw. zum Teil nicht nur nahe. Das war so eine Erleichterung, wie das Publikum das Stück, die Darstellung angenommen hat. Die Zuschauer sind aufgestanden, noch bevor der Vorhang unten war. Ich weiß aber, bzw. wir alle wissen, dass es Menschen gibt, die ihn anders in Erinnerung oder anders empfunden haben. Aber man muss einen Weg finden, wie man etwas erzählen möchte, und das hier ist der Weg, für den wir uns entschieden haben. Selbstverständlich kann man dann nicht immer jeden damit erreichen, das ist immer so. Aber wir machen ja auch Umfragen und haben schon ein Feedback. Wir wissen also bereits, dass wir nicht ganz falsch liegen. Und Moritz macht es unfassbar gut. Trotzdem gilt – wie immer – Samstag ist Premiere und das ist das, was zählt.

 

Vielen Dank für das Interview – wir hoffen, dass sich alle Wünsche für das Stück erfüllen und viele Shows mit begeisterten Zuschauern! 

 

Das Interview führte Sabine Haydn