»In Österreich gibt es wahrscheinlich 8 Millionen Falco Experten« – Interview mit Andreas Lichtenberger

Andreas Lichtenberger
Foto: Vereinigte Bühnen Wien

blickpunkt musical: Sie haben sich für eine Uraufführung beworben, die international ganz sicherlich große Aufmerksamkeit bekommen wird. Uraufführungen sind ohnehin vom Ablauf schon immer sehr stressig und gleichermaßen spannend, Teil so einer großen Uraufführung zu sein ist aber ganz sicher noch zusätzlich herausfordernd. Wie geht es Ihnen damit, wie bereiten Sie sich auf die kommenden Probewochen vor, um möglichst gut durch die Zeit zu kommen?

Andreas Lichtenberger: Erstmal machen wir Urlaub. (lacht) Letztes Jahr lagen zwischen dem Produktionsende von »Wicked« in Hamburg und dem Probenbeginn von »Der Glöckner von Notre Dame« in Wien gerade mal zwei Tage. Somit habe ich nun insgesamt knapp zweieinhalb Jahre durchgearbeitet, wofür ich einerseits, gerade in diesen Zeiten, sehr dankbar bin, andererseits muss der Akku aber nun auch wieder aufgeladen werden, damit ich mich ab 3. August mit voller Kraft und Energie der Uraufführung »Rock Me Amadeus – Das Falco Musical« widmen kann. Uraufführungen zu entwickeln, zu proben und dann auch zu spielen hat immer ein ganz eigenes Flair. Man ist dann extrem neugierig, offen und kann seine Spielfreude in alle Richtungen freien Lauf lassen. Mit Andreas Gergen haben wir genau den richtigen Regisseur dafür, weil er seinen Darstellern vertraut, gute Grundinputs gibt und uns gerne experimentieren lässt. Wenn´s dann zu wild wird, fängt er uns wieder ein. (grinst)

blimu: Sie sind mit einer Wienerin verheiratet und haben daher einen privaten Bezug zu der Stadt. Was zeichnet sie aber für Sie als Musicaldarsteller aus?

AL: Wien ist eine Theaterstadt. Die Menschen hier haben Liebe, Leidenschaft, Ahnung, Mitsprache und Diskussionsbedarf für und von Theater und alles in gleichem Maße. Unsere Gäste sind hier für die Theatermacher vielmehr Partner, als einfach nur Konsument, das kenne ich in der Ausformung aus keiner anderen deutschsprachigen Stadt.

blimu: War Ihnen schon viel von der Geschichte rund um Hans Hölzel bekannt oder haben Sie ihn / seinen Werdegang so wirklich erst jetzt im Zuge für die Arbeit an dem Musical entdecken dürfen?

AL: Falco war einer der Musikhelden meiner Jugend. Ich war sehr stolz, damals gerade noch die Single von ›Jeanny‹ gekauft zu haben, bevor sie verboten wurde und aus den Regalen verschwand. Als ich nach Wien kam, bekam ich von meinen hier lebenden Verwandten ein Buch mit Falco-Texten geschenkt, welches die Sprachkraft und Lust am Wortspiel, die in Falco steckten, ganz besonders präsentiert. Sein Tod hat uns damals so geschockt wie später die Nachricht vom Ableben Michael Jacksons. Aber viele Hintergründe und Details erfahre ich jetzt erst, aus Gesprächen mit seinen Wegbegleitern und aus mehreren Büchern über ihn.

blimu: Von Frollo zu Horst, das ist sowohl für den Sänger, als auch den Schauspieler Andreas Lichtenberger ein großer Sprung: Wo liegen die größten Herausforderungen/Unterschiede und in welchen Bereichen finden Sie vielleicht sogar Parallelen?

AL: Scheinbar sind Frollo und Horst zwei komplett unterschiedliche Rollen, spielen in verschiedenen Epochen und komplett unterschiedlichen Umfeldern. Dazu kommt, dass Frollo sicher sängerisch präsenter war als Horst es sein wird, die Darstellungsform wird sich unterscheiden. Aber im Endeffekt bin ich ja Geschichtenerzähler und zu diesem Zweck stehen mir eine ganze Bandbreite an Werkzeugen zur Verfügung: das Spiel, die Stimme, der Gesang, die Inbrunst, die Rollenempathie. Und auf einmal treffen sich zwei so unterschiedliche Kerle wie Frollo und Horst auf der Ebene, wo sie einen Schützling haben, für den sie väterlicher Freund sind, mit dem sie in einer gewissen Symbiose zusammenleben. Mal sehen, wenn die Proben beginnen, wieviel gemeinsamen Weges der beiden Rollen sich da ergibt.

blimu: Wie bereiten Sie sich auf die Rolle vor, sind Sie auch persönlich in Kontakt mit Horst Bork?

AL: Tatsächlich bemühe ich mich gerade um diesen Kontakt und freue mich, wenn das klappt, denn während der Proben werden sich bestimmt eine ganze Menge Fragen und Themen ansammeln, zu denen ich Horst Bork liebend gerne sprechen würde.

blimu: Wie werden Sie die Rolle anlegen – vergleicht man sich mit der realen Person und nähert sich der Vorlage, oder finden Sie Andreas Lichtenberger in der Person? Verkörpern Sie lieber reale Personen oder kreieren Sie gerne ganz neu?

AL: Christian Struppeck, als Autor, hat die Rolle ganz bewusst nur Horst genannt, nicht Horst Bork. Dasselbe gilt für die Rolle Markus, bei der es sich natürlich um Markus Spiegel handelt, aber mit diesem kleinen Kniff gibt Christian Struppeck uns Darstellern und Darstellerinnen ausdrücklich die Möglichkeit und den Auftrag uns von den Originalfiguren zu lösen und unser kreatives Potenzial und den eigenen Gestaltungswillen in die Bühnenfiguren einzubringen. Und so wird dann auch diese Rolle, obwohl ein bekannter Mensch der Vorlagengeber ist, zur Fremdfigur, die ich mit meinen Möglichkeiten zum Leben erwecken will.

blimu: Welchen Eindruck haben Sie von der Cast, wie waren die ersten Readings, was sagen Sie zur Wahl des Newcomers Moritz Mausser als Protagonisten?

AL: Ich glaube, wir haben eine großartige, energiegeladene und harmonische Truppe beieinander und ich freue mich auf die gemeinsame Zeit. Sehr schön, dass ich diesmal auch wirklich viele neue Kollegen kennenlerne. Das gilt natürlich auch für Moritz. Wir haben schon ein wenig miteinander geplaudert und mir scheint, dass er, ganz abgesehen von seinen darstellerischen Qualtäten, das Herz am rechten Fleck und beide Beine fest am Boden hat, das ist wunderbar und er wird es brauchen.

blimu: Falco ist für viele ein »Nationalheiliger«: Lastet ein gewisser Druck auf einem Darsteller, gerade bei einer Uraufführung, den Vorstellungen des Publikums gerecht zu werden?

AL: In Deutschland sagt man immer es gibt 80 Millionen Fussballbundestrainer. In Österreich gibt es wahrscheinlich 8 Millionen Falco Experten. (grinst) Das macht es nicht leichter eine solche Rolle und eine solche Produktion zu spielen, zumal wir mit dem Anspruch antreten unser Stück, sehr nah an der Realität, dem tatsächlich Geschehenen zu erzählen. Die Kritiker werden sich alle zu Wort melden und jeder wird zum Kritiker werden, das ist uns schon jetzt klar. Wichtig ist, dass wir für uns einen Theaterabend entwickeln, hinter dem wir voll stehen, und der als Basis somit jeder Diskussion standhalten und als Grundlage zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch dienen kann.

blimu: Dieses ist nicht das erste Mal, dass Sie Teil eines eben solchen Musicals sein werden – wie sehen Sie das, ist es für Sie ein Unterschied, ob ein Stück komplett neu geschrieben wird oder ob man auf bereits bestehende Musik zugreift?

AL: Das wunderbare an meinem Beruf ist ja gerade der Variantenreichtum. Für meine Motivation, die Proben- und Spielfreude, den Gestaltungswillen und die Erzählleidenschaft macht es dabei keinen großen Unterschied, wieviel Ur- an dieser Uraufführung ist. Es geht immer darum, dass unser Publikum in Herz, Kopf und Seele das Theater etwas reicher verlässt als es zuvor ankam.

blimu: Gibt es noch weitere Projekte, die anstehen und die Sie erwähnen möchten?

AL: »Rock Me Amadeus – Das Falco Musical« wird zunächst meine ganze Kraft in Anspruch nehmen, aber ein paar extra Auftritte wird es sicherlich auch in der nächsten Saison geben. Am 13. August singe ich mit einem Freund, dem Staatsopern-Tenor Jörg Schneider, in seiner Heimat in Hafnerberg ein kleines, feines Open-Air Konzert im Innenhof der Kirche, am 16. Dezember gibt es das große Weihnachtskonzert in der Stadthalle mit Marjan (Shaki), Carin (Filipčić), Ana Milva (Gomes), Nienke (Latten), Lukas (Perman), Mark (Seibert) und Oedo (Kuipers). Im Januar gebe ich voraussichtlich einen kleinen Solo Abend in Vösendorf und eventuell gibt es 2024 erneut eine Wiederaufnahme von »Anatevka« in Magdeburg, aber das ist noch nicht fix, bleibt also dran. (lacht)

 

blimu: Vielen Dank für das offene Interview, wir wünschen Ihnen alles Gute für die kommende Probenphase und dann eine gute Spielzeit im Wiener Ronacher!