Ich komme immer wieder zurück! Interview mit Alan Menken zu »Arielle, die Meerjungfrau«

Dies ist eine Vorabveröffentlichung aus der blickpunkt musical 03/23, welche Sie hier bestellen können:

https://www.blickpunktmusical.de/aktuelle-ausgabe

 

Alan Menken
Foto: Disney / Hanna Boussouar

blickpunkt musical: Guten Tag Herr Menken, es ist mir eine Freude, sie wiederzutreffen. Wir haben uns zuletzt in London zu »Die Schöne und das Biest« und anschließend in Berlin zum Musical »Der Glöckner von Notre Dame« sowie für den Film »Aladdin«getroffen. 

Alan Menken: Ich komme immer wieder zurück. 

blimu: »Arielle, die kleine Meerjungfrau« gehörte für mich als Kind zu den schönsten Filmen. Darauf basierend, erschien 1992 eine Serie, im Jahr 2000 kam die Fortsetzung auf DVD heraus und 2019 folgte das Broadwaystück. Nun erscheint das Real-Life-Remake. Ist der Ton des Films für Sie immer gleich geblieben, oder hat er sich während der Jahre verändert? 

AM: Der Grundton ist immer der gleiche geblieben, wird im Remake jedoch verstärkt. Der Film ist sehr kraftvoll. Was Rob Marshall geschaffen hat, ist einfach einzigartig. Dieser Film eröffnet neue Möglichkeiten, die Kraft des Ozeans und des Wassers zu zeigen und dies mit der Musik zu verdeutlichen. Zu Beginn haben wir nur wenig Gesang (verdeutlicht dies, in dem er den Gesang der Seemänner nachahmt). Wenn wir dann zu ›Part of Your World‹ kommen, erstaunt es einen. 

blimu: Mein Lieblingslied war schon immer ›Under the Sea‹. Und ich bin so glücklich, dass dieser Song im Film so eine Präsenz einnimmt. Es ist eine Freude zu sehen, wie alle Unterwasserwesen in einer großartigen Szene miteinander tanzen. Wenn Arielle und Eric gemeinsam im Boot sitzen und die Krabbe Sebastian ›Kiss the Girl‹ singt, geht mir das Herz auf. 

AM: Es ist unglaublich. 

blimu: Neben den klassischen Songs gibt es auch neue. Lin-Manuel Miranda hat die Songtexte für ›Wild Uncharted Water‹, ›For the First Time‹ und ›The Scuttlebutt‹ geschrieben. Wie kann man sich Ihre Zusammenarbeit vorstellen? 

AM: Wir kannten uns schon vorher. Ich kannte ihn schon, als er noch ein kleiner Junge war. Rob Marshall war immer in Kontakt mit dem Drehbuchautor David Magee. Sie haben eng zusammen an dem Konzept und dem Drehbuch der Adaption gearbeitet. Ich kam hinzu und wir haben besprochen, welche Songs genutzt werden sollen und haben alles bis ins Detail diskutiert. Im Laufe weiterer Meetings haben wir andere Details, wie zusätzliche Songs, besprochen und dann haben Lin-Manuel und ich direkt damit begonnen, diese zu schreiben. Der erste war ›Wild Uncharted Water‹. 

blimu: Wer hatte die Idee für ›The Scuttlebutt‹ (eine Rapeinlage von Krabbe Sebastian und Möwe Scuttle, Anm.d.Red.)? Eine wirklich sehr lustige Nummer. 

AM: John DeLuca (Produzent) hatte die Idee. Es war unglaublich. Ich hatte ihm nur einen Eindruck eines karibischen Leitthemas gegeben, um ihm ein Gefühl einer möglichen Stimmung als Untermalung zu zeigen, und das, was er hinzufügte, war einfach so gut. 

blimu: Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt bereits die Darstellenden bzw. die Synchronsprecher im Kopf? 

AM: Ich schreibe streng genommen für die Charaktere. Aber zu wissen, dass Awkwafina die Rolle von Scuttle spricht und singt, hat geholfen. 

blimu: Wir leben in einer aufgeklärten Welt, aber auch 2023 gibt es noch Geschlechterunterschiede. Bei der Realverfilmung habe ich das erste Mal die Geschichte als Coming-of-Age-Story wahrgenommen. Wenn Arielle im Song ›Part of Your World‹ die Aussage »I want more« trifft, ist das ein starker Moment. Denken Sie, dass diese Botschaft für das heutige, junge Publikum wichtig ist? 

AM: Ich denke, ja! Ich denke die Gender-Themen sind nicht neu, aber sie kommen besser ans Licht. Und ja, es ist eine sehr wichtige Botschaft, in Träumen zu schwelgen. Und diese Kraft dringt in die Träumen ein. Man muss erkennen, dass man Träume respektieren muss und sie nicht einfach loslassen darf. Man muss immer versuchen, sein Leben in die Richtung zu lenken, in die man gehen will. Mein Traum war die richtige Musik. 

blimu: ›Wild Uncharted Water‹ wird von dem Prinzen gesungen. Wie wichtig war es Ihnen, ihm dadurch ebenfalls eine Stimme zu geben? Ich finde es sehr schön, dass er nicht der perfekte Prinz ist, sondern ein bodenständiger Mann mit eigenen Ansichten und Visionen. 

AM: Dies stand auf der Top-Agenda von Rob Marshall, der einen Song für Eric haben wollte. Und mehr als das. Er ist in diesem Film wirklich ungemein dreidimensional, mehr als je zuvor im Zeichentrickfilm. In der Adaption erwacht er zu immensem Leben. 

blimu: Bei den klassischen Songs gab es kleine Veränderungen. Können Sie dazu etwas sagen? 

AM: Wissen Sie, es gibt immer neue Arrangements. Aber die Essenz von ›Kiss the Girl‹ und ›Under the Sea‹ ist gleich geblieben. Es sind lediglich die Bausteine der Arrangements, die hier und da ein wenig angepasst werden. Es kommen neue Leute hinzu, diese machen neue Arrangements, zuweilen das Gegenteil von dem, was vorher da war. Nicht alle diese Veränderungen gefallen mir. Aber das passiert selten, weil die Leute wissen, was sie tun. 

blimu: Hatten Sie, als Sie in den 1980er Jahren die Musik für den Zeichentrickfilm geschrieben haben, einen Lieblingssong? 

AM: Ich glaube, ich hatte nie wirklich einen Favoriten. Mein Ziel ist es immer, eine Partitur zu erschaffen, die funktioniert. Demnach könnte ein sehr bescheidenes Lied mitten im Geschehen entstehen, welches aber eine sehr große Bedeutung für die Unterstützung der Handlung hat. 

blimu: Welcher Song ist Ihrer Meinung nach der wichtigste für die neue Adaption? 

AM: Es kommt auf den Score an. Ich denke, die beiden wichtigsten Songs sind: ›Part of Your World‹ und ›Wild Uncharted Water‹. Aber auch ›For the First Time‹ und ›Poor Unfortunate Souls‹, gesungen von Melissa McCarthy, tragen die Handlung. 

blimu: Wie fühlt es sich an, dass Sie ihre Musik den Menschen, von jungen Jahren an bis zum Erwachsenenalter, nahebringen? 

AM: Es fühlt sich großartig an. Aber es kommt immer darauf an: Wer war der Regisseur? Wer war der Autor? Was war deren Prozess, was ihr Ziel? Es ist in jedem Fall eine großartige Gelegenheit, und alle möchten sicherstellen, dass sie das Beste aus dieser Gelegenheit machen. Und ich hatte großes Glück. »Die Schöne und das Biest« und »Aladdin« waren wundervolle Erfolge. Und dieser Film hier hat eine echte, emotionale Kraft. Und ich weiß, dass die Leute die grundlegende Geschichte auch lieben, und das wird nun verstärkt. 

 blimu: Herzlichen Dank für diesen schönen Einblick in Ihre Arbeit! 

 

Das Interview führte Sandy Kolbuch