Kevin Schroeder und Marc Schubring über
»Mata Hari« in München: Die Show wird visuell ein absolutes Feuerwerk

Kevin Schroeder (l.) & Marc Schubring (r.). Foto: privat

blickpunkt: musical: Wie kam es zu dem Thema »Mata Hari«? Was ist für Sie beide der Reiz an der Geschichte / an der Frau / an der Zeit?

Kevin Schroeder (Text) & Marc Schubring (Musik): Die Idee entstand gemeinsam mit dem Gärtnerplatztheater. Die Kunstfigur Mata Hari, die ja in Wahrheit Margaretha Zelle hieß, ist von vielen Mythen und Legenden umgeben, die sie zum Teil selbst für sich genutzt hat, die ihr aber auch letztendlich zum Verhängnis wurden. Dieser »Mythos Mata Hari«, den sie selbst erschaffen hat, war für uns Autoren der Ausgangspunkt, um den Stoff ins Heute zu holen. Daraus entstand die faszinierende Idee, ihre Geschichte auf zwei sehr verschiedenen Ebenen zu erzählen. Die von Margaretha Zelle bzw Griet und die der Frau, zu der sie sich selbst gemacht hat: Mata Hari.

blimu: Welches ist die Geschichte, die die Zuschauenden erleben werden?

KS&MS: Genau genommen erzählen wir drei Geschichten: Die der jungen Griet, die mit 17 Jahren den viel älteren holländischen Offizier Rudolph MacLeod heiratete und mit ihm nach Java ging. Dann die des sagenumwobenen Stars Mata Hari der Pariser Belle Epoque, die in ganz Europa gefeiert wurde, und schließlich die ihres Prozesses vor dem französischen Militärgericht, das sie 1917 zum Tode verurteilte. Alle drei Ebenen nicht linear, sondern ineinander verwoben.

blimu: Auf der Homepage steht: »Als klassisches Book-Musical UND modernes Pop-Event, für das das Theater zum Dancefloor wird, spüren sie einer Frau nach …« Ein Book-Musical und Pop-Event. Was darf sich das Publikum sich darunter vorstellen?

KS&MS: Wir haben für unser Stück eine Form gefunden, die es so wohl noch in keinem anderen Musical jemals gegeben hat. Wir erzählen die Geschichte von Griet und die von Mata Hari über zwei stilistisch absolut konträre Sprachen. Griets schwierige Ehe mit ihrem Mann auf Java wird in klassischen Szenen eines Book-Musicals erzählt, immer wieder unterbrochen von der Paris-Ebene, die als reines Pop-Konzert angelegt ist. Die Songs, die der »Popstar Mata Hari« dort performed, sind dabei so gesetzt, dass sich eine unglaublich faszinierende Wechselwirkung zwischen beiden Erzählsträngen ergibt. Diese werden dann zusätzlich immer wieder von den auftretenden (rein männlichen) Zeugen ihres Prozesses gebrochen, bis das ganze Stück immer schneller auf ihr Todesurteil zurast.

blimu: Welche musikalische Welt ist oder welche Welten sind für »Mata Hari« entstanden?

KS&MS: Es ist ein Verismo Pop Musical. Die Musik ist unglaublich vielschichtig und präsent, manchmal scheinbar konträr, und transportiert die Geschichte(n) intensiv auf dramaturgisch emotionale Weise, denn beide Ebenen wollten wir natürlich insbesondere auch musikalisch abbilden. Die Geschichte Javas ist opulentes, komplexes, feinsinniges Musiktheater. Themen werden ein- und durchgeführt, Tempi, Klangfarben und Dynamik variieren, sodass die Dramatik der Geschichte forciert und das volle Orchester des Gärtnerplatztheaters groß aufspielen wird. Dagegen steht die Paris-Ebene mit absolut heutigem Pop, der sich immer wieder als Ausbruch aus der Realität stark davon abhebt. Mal als Eskapismus, mal als Kommentar, mal auch, um die Dramatik Javas auf ein einziges Gefühl herunterzubrechen. So wird aus einem delikaten Java-Motiv in der Überhöhung eine starke Melodie und ein glamouröses Popereignis. Umgekehrt findet sich auch Material der Paris-Songs in der Java-Welt wieder. Um das Paris Mata Haris ins Heute zu holen, haben wir mit dem Berliner Pop-Produzenten, Kraans de Lutin, zusammengearbeitet, sodass der Live-Sound der Paris-Ebene eine Mischung aus im Studio produzierten Beats und dem Live-Orchester des Gärtnerplatzes sein wird.

blimu: Wo liegen die größten Herausforderungen?

KS&MS: Was das Buch betrifft, war uns wichtig, dass die Geschichte auch während der Pop-Nummern weitererzählt wird, selbst wenn es formal in dem Moment keinen dramatischen Konflikt gibt. Gleichzeitig wollten wir einen größtmöglichen Kontrast zwischen beiden Ebenen. Dafür haben wir uns beide auf unbekanntes künstlerisches Terrain gewagt. Davon abgesehen ist dieses Konzept so neuartig, dass wir die Vision, die wir hatten, noch genauer vermitteln mussten, als es vielleicht bei einem traditionelleren Stück der Fall wäre. Das Aufregende ist, dass die Wirkung gerade durch diese Gegenüberstellung und Verflechtung entsteht und das Publikum das unmittelbar in diesem Moment verstehen und erleben kann.

blimu: Als kreativer Kopf hat man oft schon beim Schreiben genaue Szenenbilder im Kopf. Welche Ideen, die im Kopf genial erschienen, konnten so nicht umgesetzt werden und andersherum welche Momente, die im Probenprozess erst entstanden sind, begeistern Sie umso mehr?

KS&MS: Eine Uraufführung ist natürlich immer eine Team-Arbeit. Dabei geht es allerdings natürlich schon darum, unserer Vision des Stückes so nah wie möglich zu kommen. Momentan sind wir ja noch mitten im Prozess. Wir haben beim Schreiben die Distanz und Vermischung der Ebenen sehr bewusst gebaut und dosiert. Die Balance zwischen beiden Ebenen ist ein spannender Aspekt in der Inszenierung. Wo schafft man noch eine zusätzliche Verbindung? Wo braucht man einen kurzen Blick, ein Spüren zwischen Griet und Mata Hari? Wo wäre es vielleicht zu viel, sodass die Konzert-Ebene Paris zu sehr verwässert? Davon abgesehen wird die Show visuell ein absolutes Feuerwerk, in dem alle Gewerke des Hauses zeigen können, was möglich ist.

blimu: An welchem Punkt im Probenprozess sind Sie gerade?

KS&MS: Wir sind mitten in den Proben, es gab die ersten Durchläufe und bald kommen Cast und Orchester zum ersten Mal zusammen. Man muss auch sagen, dass 6 Wochen Probenzeit für eine Uraufführung sehr kurz sind. Doch es wird in verschiedenen Gruppen beinahe rund um die Uhr von 10-22 Uhr geprobt. Bisher ist noch niemand in Panik geraten, es ist eine Mischung aus aufregender Herausforderung, Entdeckung, Motivation, Spaß und Leidenschaft.

blimu: Die Spielzeit und das angegebene Alter klingen danach, als ob auch ein junges Publikum angesprochen werden soll. Inwiefern ist Ihnen das wichtig und wie soll dies gelingen?

KS&MS: Warum Theater? Das ist die Frage, die sich jeder, der Theater macht, immer wieder stellen muss. Uns ist es wichtig, dass wir Musicals schreiben und Geschichten erzählen, die wir in 2023 für wichtig und zeitgemäß halten. »Mata Hari« richtet sich allerdings nicht explizit an ein jüngeres Publikum. Die Idee der verschiedenen Musikstile ergab sich aus unserer Sichtweise auf den Stoff. Die Partitur hat eine solch große Bandbreite, so viele Farben und Facetten, dass wir hoffen, damit dem Publikum zu zeigen, was heutiges Musiktheater alles sein kann. Wenn wir jüngere Menschen damit ins Theater holen, dann freuen wir uns natürlich auch!

blimu: Warum sollten alle Musicalbegeisterten in den nächsten Monaten den Weg in Ihr Musical finden?

KS&MS: Weil man dieses Stück sehen muss, wenn man Musik und Theater liebt. Solch ein Stück hat es bisher nirgendwo auf der Welt gegeben. Es ist Show, großes Drama und, obwohl es ein und dieselbe Person ist, die Geschichte zweier Frauen, die bereit waren, alles zu opfern, um unsterblich zu werden.

blimu: Herzlichen Dank, dass Sie sich so wenige Wochen vor der Uraufführung von »Mata Hari« am Münchner Gärtnerplatz die Zeit genommen haben, uns ein Interview zu geben. – Toi-Toi-Toi für die Uraufführung am 23. März!