»My Fair Lady« am Theater Pforzheim: Vergnüglich und beschwingt in den 1950ern

›Wäre det nich wundascheen?‹ – Eröffnungsnummer mit Elisabeth Köstner (Mitte) und Ensemble. Foto: Sabine Haymann

Es ist, wie es sich ein Intendant, der noch dazu selbst die Regie des Stücks übernommen hat, nur wünschen kann: ausverkauft. Das Publikum ist fröhlich gestimmt und erwartungsvoll.
»My Fair Lady« steht auf dem Spielplan des Theater Pforzheim − das Stück, das hier bereits 2014 schon einmal mit großem Erfolg gespielt wurde. Doch Intendant Markus Hertel hat das Stück ein bisschen modernisiert. So spielt es nun in den 50er Jahren, Bühnenbild und Kostüme wurden entsprechend angepasst (Ausstattung: Sibylle Meyer).
»My Fair Lady«, geschrieben von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe, basierend auf George Bernard Shaws »Pygmalion«, wurde bereits 1956 in New York uraufgeführt. Doch das Musical, das ursprünglich um 1912 in London spielt, hat bis heute nicht viel an Aktualität verloren. Denn es geht um Klassenunterschiede, es geht um die Emanzipation einer Frau, und es geht natürlich auch um die Liebe.
Das Stück beginnt vor der Londoner Oper, wo Professor Higgins zum ersten Mal auf das Blumenmädchen Eliza trifft. Higgins, der Phonetik lehrt und dem Volk im wahrsten Sinne des Wortes »aufs Maul schaut«, ist entsetzt von dem Akzent, den Eliza spricht (wobei man für die deutsche Fassung die Berliner Mundart gewählt hat).
Und schon hier dürfen sich die Zuschauenden auf eine richtig große Szene mit vielen Darstellerinnen und Darstellern, aber auch mit Tänzerinnen und Tänzern freuen (Choreographie: Tamirys Candido).

›Es grünt so grün‹ – Eliza (Elisabeth Köstner, vorne), die davon träumt, Verkäuferin in einem Blumenladen zu sein, wächst über sich hinaus, kritisch betrachtet von Prof. Higgins (Bernd Meindl). Foto: Sabine Haymann

Higgins findet Elizas Sprache schrecklich, behauptet aber seinem Kollegen Oberst Pickering gegenüber, er könne in 6 Monaten aus Eliza eine Dame machen, die in einem Blumenladen arbeitet.
Eliza, die das Gespräch der beiden vornehmen Herren mit angehört hat und die mehr sein möchte als eine Blumenverkäuferin auf der Straße, besucht Higgins in seinem Haus, wo auch Oberst Pickering als Gast wohnt, und bittet ihn um Sprachunterricht, den sie sogar bezahlen will. Nach einigem Hin und Her und nachdem Higgins mit Pickering gewettet hat, er könne Eliza innerhalb von 6 Monaten soweit bringen, dass sie auf dem Diplomatenball als Herzogin durchgehe, beginnt der Unterricht.

Doch Higgins, eingefleischter Junggeselle und alles andere als ein netter Mensch, wendet harte Methoden an, um Eliza eine deutliche Aussprache beizubringen, und es kommt immer wieder zum Streit, den nur Oberst Pickering und Higgins Haushälterin, Mrs Pearce, schlichten können.
Währenddessen hat es sich auch bis zu Elizas Vater, Alfred P. Doolittle, rumgesprochen, dass seine Tochter bei dem vornehmen Higgins im Haus wohnt, und Doolittle versucht, Higgins etwas Geld abzupressen. Doch Higgins wiederum erklärt Doolittle, er könne seine Tochter gern wieder mitnehmen, gibt ihm zu guter Letzt jedoch ein paar Pfund. Zudem meldet er Doolittle − ohne dessen Wissen − als Redner bei einem Vortrag über Moral an.
Nach unendlichen Tagen und Nächten mitten im Halbschlaf gelingt es Eliza plötzlich, klar und deutlich »Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen« zu sagen. Das ist der Durchbruch!

In Ascot, als Gast von Mrs Higgins (Lilian Huynen, r.), schockiert Eliza (Elisabeth Köstner, Mitte) die feine Gesellschaft (Ensemble): »Lauf schneller, oder ich streu‘ dir Pfeffer in den Arsch!«. Foto: Sabine Haymann

Als Test nimmt Higgins Eliza, frisch ausstaffiert und zurecht gemacht, mit zum Pferderennen nach Ascot in die Loge seiner Mutter. Die Mutter ahnt Übles, weil auch ihr Sohn nicht gerade für seine guten Manieren bekannt ist. Doch es geht fast alles gut, bis Eliza von Freddy Eynsford-Hill ein Wettlos geschenkt bekommt, und ihre Anfeuerungsrufe für das Pferd die Gesellschaft schockieren. Alle, bis auf Freddy, der sich Hals über Kopf in Eliza verliebt und fortan vor der Haustür von Higgins auf der Lauer liegt, um sie wieder zu sehen.

Feiern Higgins‘ Erfolg und sich selbst: Oberst Pickering (Markus Wessiak, l.) mit Mrs Pearce (Doris Böhnisch, 2.v.l.), Prof. Higgins (Bernhard Meindl, hinten r.) und Ensemble. Foto: Sabine Haymann

Nach weiteren harten Übungstagen mit Kieselsteinen im Mund oder in einem Gestell, in dem sie sich gerade halten soll, ist es soweit: Der Diplomatenball im Buckingham Palace steht an. Und nun ist Eliza durch und durch Lady. Sie benimmt sich vorbildlich, tanzt mit vornehmen Herren und fällt niemandem als Blumenmädchen auf. Es ist ein voller Erfolg.
Nachdem sie alle wieder zurück in Higgins‘ Zuhause sind, feiern sich die Herren gegenseitig, ohne Eliza auch nur eines Blickes zu würdigen oder sie gar zu loben. Es kommt zum erneuten Streit zwischen ihr und Higgins. Für Eliza ist es besonders schwer, denn nun gehört sie weder zu den Leuten auf der Straße noch zu der reichen Oberschicht. Ein letzter Versuch, bei ihrem Vater unterzukommen, erweist sich als unmöglich. Denn, dank Higgins‘ Streich, ihn zum Redner zu machen, ist Doolittle nun zu Geld gekommen, was auch ihn völlig aus der Bahn gebracht hat. Bleibt nur Freddy, doch auch das ist keine Lösung.

Mrs Higgins (Lilian Huynen, r.) liest ihrem verbohrten Sohn Henry (Bernhard Meindl, l.) die Leviten. Foto: Sabine Haymann

Im Hause Higgins kommt am nächsten Morgen das große Erwachen. Eliza ist weg und auch Mrs Pearce verlässt Higgins. Higgins ist fassungslos und sich keiner Schuld bewusst. Es beginnt eine Suche, in deren Verlauf Higgins bei seiner Mutter Rat sucht. Und genau da befinden sich auch Eliza und Mrs Pearce. Die drei Damen haben nämlich beschlossen, gemeinsam eine Reise zu unternehmen. Mutter Higgins stellt sich ganz hinter Eliza und gegen ihren ungehobelten Sohn, der jetzt erkennen muss: ›Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht‹. Ob es ein Happy-End gibt?
Für das Publikum auf jeden Fall, denn »My Fair Lady« sprudelt über von beliebten und beschwingten Melodien: angefangen von ›Es grünt so grün‹ über ›Mit ’nem kleenen Stückchen Glück‹, ›Weil ich weiß, in der Straße wohnst Du‹ bis ›Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht‹ und ›Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht› u.v.m. `
Auch die Besetzung, die bis auf Elisabeth Köstner, welche die Eliza hinreißend mit Berliner Akzent spielt, ausschließlich aus Mitgliedern des Ensembles des Theater Pforzheim besteht, ist perfekt gewählt.

›Bringt mich pünktlich zum Altar‹ – Alfred Doolittles (Philippe Werner, Mitte) Leben verändert sich ebenfalls. Foto: Sabine Haymann

Professor Higgins wird von Schauspieler Bernhard Meindl hervorragend herablassend, arrogant und überheblich verkörpert, während Oberst Pickering alias Markus Wessiack gutmütig und väterlich daherkommt.
In jeder Rolle einfach sehenswert ist Lilian Huynen, diesmal als Mrs Higgins, Gleiches gilt für die souverän wirkende Dorothee Böhnisch als Mrs Pearce.
Gesanglich wie tänzerisch liefert Philipp Werner als Alfred P. Doolittle eine beeindruckende Leistung ab, denn ›Mit ’nem kleen Stückchen Glück‹ haben ihm Markus Hertel und Choreographin Tamirys Candido auch eine Tanzeinlage verpasst, die das Publikum schon mitten im Stück dazu bringt, fröhlich mit zu klatschen.
Insgesamt gibt es im Ensemble noch viele schöne Stimmen, seien es nun Dirk Konnerth als Freddy oder Santiago Bürgi als Harry, Thorsten Klein als Wirt und ungarischer Herzog und und und. Insgesamt stehen unter der musikalischen Leitung von Philipp Haag und Chorleitung von Johannes Antoni über 40 Personen auf der Bühne.
»My Fair Lady« verspricht einen vergnüglichen Abend mit viel wunderbarer Musik, gespielt von dem großen Orchester der Badischen Philharmonie unter Leitung von Philipp Haag.

Die 3 Stunden vergehen höchst kurzweilig und wegen der insgesamt positiven Resonanz gibt es einen ersten Zusatztermin am 24. Februar 2023. Weitere sind in Planung.