Nach einer sehr gelungenen Premiere im Jahr 2022 und zuvor immer wieder verschobenen Startterminen, legt das F1rst Stage Theater jetzt noch einmal mit einem Ableger von Audrey II kräftig nach und lädt erneut ein in den weltweit wohl verrücktesten Blumenladen von Herrn Mushnik.
Im Vorverkauf sind vorerst die Vorstellungen bis 19. Februar 2023 freigegeben, wovon bereits jetzt einige ausverkauft sind, was nicht weiter wundert, denn dieses nach der berühmten Filmvorlage adaptierte und hier mit Comic- und Cartoon-haltigen Inhalten bestückte Spektakel macht einfach großen Spaß.
Felix Löwy und und Franzika Schuster ist es gelungen, auch die Qualität der Produktion nochmal weiter hochzuschrauben und man kann sagen, Sie haben Muschniks Blumenladen herrlich entstaubt: eindrucksvolle Ausstattung inkl. Bühnenbild (teilweise auch von Regisseur Felix Löwy). So wird zum Beispiel Staub aufgewirbelt, wenn die alte Registrierkasse nach langer Zeit wieder einmal bedient wird, oder witzige Cartoons werden als Videoprojektion ins Bühnenbild projeziert und es gelingt so, aus der häufig an Stadttheatern gezeigten Produktion ein frisches modernes Setting zu kreieren.
Das Kreativteam, bestehend aus Felix Löwy (Regie) und Phil Kempster (Choreographie)zeichnete schon zuvor für die erfolgreichen, hauseigenen Produktionen »Footloose«, »Fame« und »Carrie« verantwortlich.
Der größte Teil der Geschichte spielt im Blumenladen von Mr Mushnik (stark fokussiert und auf den Punkt gespielt und gesungen von Andreas Zeron). Seymour Krelborn (Joshua Hien spielt und singt die Rolle wunderbar energetisch) wurde von Herrn Mushnik aus dem Waisenhaus geholt und als Gehilfe beschäftigt. Umrahmt werden die Szenen von den drei ›Downtown‹-Girls Chiffon (Olivia Kate Ward, die auch als Dance Captain die Crew trainiert) Ronnette (Daniela Tweesmann, starke, gewaltige Stimme und auch 2021 schon dabei) und Crystal (Finn Samira Präffcke-Schrips) treiben mit ›Da-Doo‹ ›Skid Row (Downtown)‹ die Handlung voran und überzeugen auch stimmlich. Die wunderbare Musik von Alan Menken geht ins Ohr, denn die fünfköpfige Band unter der Leitung von Johannes Hierluksch spielt aus der Bandwohnung großartig auf und rockt den Abend. Für einen insgesamt gelungenen Sound mit gut platzierten Backings und Geräuschen zeichnen Sebastian Rieß, Pepe Anderson und Felix Löwy verantwortlich.
Die weibliche Hauptperson des Musicals und der Publikumsliebling des Abends ist die Angestellte Audrey (in der besuchten Vorstellung fantastisch angelegt von der alternierenden Besetzung Ruth Katharina Fuchs), die von Seymour heimlich geliebt wird. Fuchs gibt die lispelnde und devote Audrey so zugewandt, dass die Zuschauer nicht nur wegen des süßen Lispelns förmlich an ihren Lippen kleben. Vielen Audrey-Darstellerinnen gelingt es nicht, die ganze Vorstellung konstant in der Rolle »a la Peggy Bundy« zu bleiben, Ruth Katharina schafft es – und ihr gelingen die starken und kitschigen Brüche bis hin zum Slapstick kinderleicht. Bei den gefühlvollen Momenten wie ›Im Grünen Irgendwo‹ kreiert sie auch Gänsehautmomente. Audrey pflegt eine zerstörerische Beziehung mit dem sadistischen Zahnarzt Orin Scrivello (herrlich komödiantisch und stark zynisch angelegt von Bas Timmers).
Mr Mushnik eröffnet seinem Personal, dass er den Laden schließen müsse. Als Rettungsversuch wird eine ungewöhnliche Pflanze ins Fenster gestellt, die Seymour bei einem Chinesen gekauft hat. Diese zieht viele neue Kunden an, was jetzt den maroden Laden vor dem Ruin rettet. Während des Songs ›Wachs für mich‹ findet er heraus, wie er die Pflanze am Leben erhalten kann: Er füttert sie mit Blut und Audrey II beginnt zu wachsen – die Pflanze wird stimmlich in einen warmen Soulsound von Darrin Lamont Byrd getopft, welcher bereits 2022 als Erstbesetzung in der Partie zu sehen war.
Durch die ungewöhnliche Nahrung Blut gedeiht die Pflanze zusehends, die im Übrigen diesmal nicht angemietet, sondern selbst hergestellt wurde: Meister der Puppen sind Nils Hagelstein und Anja Pohlmann. Gespielt wird Audrey II während der Wiederaufnahmepremiere von Johannes Kiesler.
Mr Mushnik beschließt, Seymour als Sohn zu adoptieren, um an seinem Erfolg mit der Pflanze zu partizipieren und fortan den Blumenladen gemeinsam mit ihm zu führen. (›Mushnik und Sohn‹).
Irgendwann sieht sich Seymour nicht mehr in der Lage, genügend eigenes Blut für Audrey II aufzubringen, und dann beginnt die Pflanze auch noch zu sprechen. Sie überredet Seymour im Song ›Gib’s mir!‹, den Zahnarzt Orin Scrivello, Audreys Verlobten, zu töten. So bekäme Audrey II Nahrung und Seymour könnte Audrey für sich gewinnen. Mit Pistole im Gepäck geht Seymour daraufhin in die Praxis des Rivalen, welche mit einem Drehstuhl und abstoßenden Blutspritzern an der Wand und alten Bohrern ausgestattet ist. Die Ausstattung von Felix Löwy und seinem Theaterteam ist sehr ideenreich: von Handschellen am Zahnarzt-Stuhl, bis hin zu Schattenspielen mit einer Axt und »Tür-geschlossen«Anzeige-Schalter gibt es immer etwas zu sehen!
Der Zahnarzt erzählt mit dem Song ›Jetzt‹ seine Lebensgeschichte. Da ihm Lachgas dabei gefällt, setzt er eine Maske auf und verstirbt aufgrund eines Defekts und einer Überdosis. Seymour schafft die Leiche in den Blumenladen und verfüttert sie an Audrey II – geniale cartoonartige Videoprojektionen wie Blitze und Bangs werden dabei eingeblendet.
Das Duett ›Jetzt hast Du Seymour‹ bildet den romantischen Höhepunkt des Abends. Mr Mushnik, der die blutige Zahnarztkleidung in der Mülltonne bemerkt hat, droht, Seymour an die Polizei auszuliefern. Weiterhin verlangt die Pflanze nach Blut (›Essenszeit‹). Seymour gaukelt Herrn Mushnik vor, die Tageseinnahmen ins Maul der Pflanze gelegt zu haben, als Mr Mushnik auf der Suche nach dem Geld in das weit geöffnete Maul steigt, wird auch er verschlungen.
Die Pflanze hatte von Anfang an vor, die Welt zu erobern, und auch Audrey fällt Ihr zum Opfer, Ihre letzte Bitte an Seymour ist, ihren Körper der Pflanze zu überlassen. Den Kampf gegen die Pflanze verliert zuletzt auch Seymour, der ebenfalls in ihr landet. Am nächsten Tag erscheinen Händler und nehmen heimlich Ableger von Audrey II. Es folgt das Finale durch die drei Ronettes, die im Epilog das Publikum vor der Pflanze warnen.
Die glitzernden Kostüme wurden von Judith Schnittcher nochmals optimiert und schauen herrlich aus (zum Beispiel grüne Pflanzenkostüme oder Audreys Tigerkleid mit roten Highheels). Durch die an Cartoons angelehnte, moderne Anlage der Inszenierung schafft Felix Löwy ein blutrauschendes Musical, das wie im Film abläuft. Die Choreographie von Phil Kempster ist treibend und vereint das Ensemble bestens.
»Es ist Essenszeit!«, wird, wie bereits eingangs beschrieben, vorerst bis Mitte Februar in diesem schönen Theater zu hören sein, ggf. gibt es dann noch weitere Pflanzen-Ableger-Termine.