»Sherlock Holmes – Next Generation – Das Musical«: Jetzt wird in den großen Hallen geschnüffelt

Barclays Arena in Hamburg

Next Generation – John (Florian Minnerop) und das Original-Team Sherlock Holmes (Ethan Freeman, 2.v.r.), Dr. Watson (Matthias Otte, 2.v.l.) und Inspector Lestrade (Claudio Maniscalco, r.) auf Verbrecherjagd Foto: @ tine.rau

Der Ton (Christian Wülfert) spielt einen pulsierenden Herzschlag in der großen Hamburger Barclays Arena ein und lässt die Spannung ansteigen, um dann live mitzufiebern, wenn »Sherlock Holmes« im Vergleich zum damaligen kleinen, heimeligen F1rst Stage Theater mit dieser großen Tourneeproduktion zu seinem Next-Generation-Abenteuer aufbricht. »Überall steckt er seine Nase rein«, »Dieser geniale Schnüffler«, »Wie hat er das nur wieder gemacht?« – Kommentare wie diese erinnern an die altbekannten »Sherlock Holmes«-Romane und -Filme und an die 1886 vom britischen Schriftsteller Arthur Conan Doyle geschaffene Kunstfigur. Der besondere britische Humor und der damalige Zeitgeist werden auch jetzt genial in der Bühnenfassung adaptiert. Sie funktionierten nicht nur bei der Premiere gut, sondern funktionieren auch heute. Die Uraufführung des Musicals »Sherlock Holmes – Next Generation« fand am 21. Januar 2019 im F1rst Stage Theater in Hamburg statt.

First Generation: Sherlock Holmes (Ethan Freeman, r.) und Dr. Watson (Matthias Otte, l.) Foto: @ tine.rau

In der jetzt zu sehenden Tour-Fassung verzichtet man auf die Originalouvertüre, da die Musik nun (bis auf eine Live-Geigenperformance) größtenteils vom Band kommt, und kürzt den Beginn der Story stark ein, jedoch wird durch diesen neuen Start der Blick in die Vergangenheit rund und ein Kampf zwischen Moriarty und Sherlock Holmes klarer und viel verständlicher als bei der Premiere 2019. Die Band sitzt nun leider nicht mehr wie damals mit auf der Bühne, was das Stück auch besonders machte, da Musik und Spiel sichtbar verbunden waren.
Das Bühnenbild besteht aus dem gleichen Eisengestell mit zwei Spiel-Ebenen, welches mit weißen Vorhängen umgeben ist. Auf diese werden Gebäude und Wälder projiziert. Weitere rein- und rausgeschobene Spielelemente, wie zum Beispiel ein Sessel mit Teebeistellwagen, welcher Sherlocks Zuhause andeutet, oder ein asiatischer Lampenschirm, welcher einen Underground-Opium-Tempel entstehen lässt, ergänzen die Szenerie. Coole Riesentaschenlampen (Requisite: Theodor Reichardt) schaffen leicht unheimlich wirkende Momentaufnahmen und entfalten eine starke Wirkung.

Immer noch ein tolles Team: Dr. Watson (Matthias Otte, Mitte) und Sherlock Holmes (Ethan Freeman, r.) und Sawbone (Claudio Maniscalco, l.) Foto: @ tine.rau

Dr. Watson (Matthias Otte) und Miss Hudson (Annette Lubosch) haben keinen Zweifel daran, dass Mr Sherlock Holmes (Ethan Freeman in einer seiner Paraderollen) dringend einen Assistenten benötigt. Dieser taucht dann auch schnell auf einer Ausstellung auf und rettet sogar einer Londoner High-Society-Lady das Leben. Sherlock Holmes und John haben nun mal beide diese gewisse »Spürnase«, sind sich auffällig ähnlich und immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Es entbrennt ein Wettstreit der Generationen, als im Britisch Museum in London ein Attentat auf den ägyptischen Premier verübt wird und dabei auch noch der wertvolle blaue Horus Diamant gestohlen wird. Ein Fall für Scotland Yard – und natürlich für Sherlock Holmes. Die Ermittlungen führen das Team durch eine Opiumhöhle (hier tanzt auch das kleine Ensemble die neuen, schön anzusehenden Choreographien von Silvia Varelli) bis hin zur Pathologie, auf einen Bürgermeisterball und zur Geisterbeschwörung. Die Tochter der Museumschefin Mrs Mason (wunderbar gesungen von Sonja Herman) kreuzt den Weg des jungen Ermittler-Nachwuchses John (Florian Minnerop) und beide entwickeln bald starke Gefühle füreinander.

Die dunkle Macht Moriartys legt sich unentwegt über die Szenen und es entfaltet sich eine gute Krimi-Spannung. Die Darstellerinnen und Darsteller agieren in diversen Doppelrollen, sind äußerst vielseitig und vielschichtig unterwegs. Das Ganze spricht auch für ein exzellentes Zeitmanagement der Produktion, insbesondere der Regie (Rudi Reschke).

Lady Margaret Chamberlain (Annette Lubosch) und Aleister Crowley (Aciel Martinez) Foto: @ tine.rau

Auch wenn das Team in Gänze nochmals geschrumpft ist, wirkt es nicht so. Besonders hervorzuheben sind Annette Lubosch als Miss Hudson/Lady Margaret Chamberlain/Lilly Butt Rose, sowie Claudio Maniscalco als Inspector Lestrade/Kurayami/Sawbones. Mit großer voller Stimme kommt Aleister Crowley alias Aciel Martinez daher, Gänsehaut!
Im weiteren Verlauf ermitteln alle um die Wette und Mrs Mason nimmt eine ganz unerwartete Gegenspieler-Rolle zu Sherlock Holmes ein. Beide arbeiten nun ihre Vergangenheit auf. Der Kampf zwischen beiden Familien um Leben und Tod geht in die finale Runde. Es kann zumindest jetzt schon verraten werden, dass eine würdige Generation Nachwuchsermittler durch John, der sich als Sherlocks Sohn entpuppt, folgt.

Regisseur Rudi Reschke, der auch die Idee für das Stück hatte und das Konzept der Next Generation entwickelte, greift weiterhin Themen wie Generationskonflikte, das Verhältnis zwischen Männer und Frauen und das Thema Emanzipation auf. Dabei sind die Dialoge sehr witzig und unterhaltsam gestrickt und machen großen Spaß.
Die Kostüme und Perücken sowie die Ausstattung in ihrer Gesamtheit sind liebevoll ausgewählt und passen gut in die Zeit und zu diesem Stück (Kostüme: Clarissa Freiberg; Maskenbild: Ute Mai und Katherina Ivkina).

Next Generation: John (Florian Minnerop) und
Catherine (Alice Wittmer) Foto: @ tine.rau

Die Musik von Christian Heckelsmüller, eine Komposition, die unaufdringlich und für jede Situation passend daherkommt, ist sehr ansprechend, trägt aber mit Live-Band eine fulminantere Handschrift als nur in der Playback-Variante. Der Ton in der Halle zur besuchten Vorstellung war recht leise arrangiert.
Der musikalische Bogen spannt sich vom Soul und orientalischen Klängen bis hin zu den großen Musicalballaden, wie zum Beispiel ›Dein Bild‹, großartig gesungen von Ethan Freeman.
Florian Minnerop als John besticht durch seinen warmen Poptenor und die Leichtigkeit, mit der er dieser schwierigen Partie Profil gibt. Alice Wittmer hat als Catherine ihrer Rolle, die sie bereits bei der Premiere sehr lebhaft und echt verkörperte, nun noch mehr Tiefe verliehen und wirkt als starke Partnerin auf Augenhöhe. Dr. Watson, gesungen von Matthias Otte, überzeugt mit seinem Kriegstraum-Song nicht nur schauspielerisch, sondern auch gesanglich.

Cast und Team von »Sherlock Holmes – Next Generation«
Foto: @ tine.rau

Das Kreativteam hat brillant besetzt und dem Ensemble ist trotz der Doppelrollenbelastung eine enorme Spielfreude anzumerken, die ansteckt. Alle Beteiligten zeigen in den vielen kleinen Momenten ihre einzigartige Individualität und Kreativität, zum Beispiel, wenn Annette Lubosch neben ihrer Partie als Lady Margaret Chamberlain auch noch eine taffe bayerische Krankenschwester mimt.

Die Produktion Sherlock Holmes – Next Generation »schnüffelt«, laut eigenen Angaben noch bis 14. Dezember 2022 durch die großen Hallen und Arenen des Landes. Hoffentlich sieht man das Musical zeitnah auch an Stadttheatern oder freien Häusern wieder, denn das Stück ist spannend, kreativ und sehr unterhaltsam.

Nehmen Sie also Ihre Lupe, folgen Sie der heißen Sherlock-Spur und auf zur nächsten Fahndung, denn Ermitteln kann auch im Musical-Theater großen Spaß bedeuten!