Heilige »Evita« am Theater Pforzheim

Nachricht vom Tod von Santa Evita im Kino Foto: Martin Sigmund

Die Geschichte von Eva Perón ist wohl eines der meist gespielten Musicals weltweit. Andrew Lloyd Webber (Musik) schrieb das durchkomponierte Musical bereits 1974 zusammen mit Tim Rice (Buch und Liedtexte).

»Evita« erzählt das Leben der argentinischen Präsidentengattin Eva Perón, die von 1919 bis 1952 lebte. Geboren als Eva Duarte, zog es sie schon früh nach Buenos Aires, der Hauptstadt Argentiniens. Mit Hilfe des berühmten argentinischen Tango-Sängers und -Komponisten Agustín Magaldi schaffte sie es, bereits mit 15 Jahren dorthin zu gelangen.
Dort versuchte sie sich als Schauspielerin und Radiomoderatorin und engagierte sich sehr für die Armen, für die Rechte der Frauen und in der Genossenschaft. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung für die Opfer eines schweren Erdbebens begegnet sie Juan Perón, der zu dieser Zeit noch Arbeitsminister war. Sie verliebten sich in einander und Evita unterstützte den Wahlkampf von Perón für die Präsidentschaft bei jeder Gelegenheit.
1946 wurde Perón zu Argentiniens Präsident gewählt und Evita war von da an die starke Frau an seiner Seite. Allerdings wurde sie von den Reichen wegen ihrer Herkunft verachtet und das Militär hasste sie und ihren Mann wegen der sozialen Einstellung.
Mit nur 33 Jahren starb Evita an den Folgen von Gebärmutterkrebs. Für einen Großteil des Volks war sie eine Heilige und wird bis heute als solche verehrt. Doch ihre Kritiker sagen, dass sie auch viel Geld für sich abzweigte und dass das einmal reiche Argentinien dank ihr nun arm sei. Ein Ausdruck des Hasses ist sicher auch, dass man ihren (einbalsamierten) Leichnam entführte und er mehr als 17 Jahre verschwunden war.

Und so beginnt das Musical auch mit der Nachricht ihres Todes.
Mitten in einer Kinovorstellung, dargestellt durch einen Gazevorhang, auf dem Original-Filmaufnahmen gezeigt werden (Ausstattung: Esther Bätschmann), dahinter sitzend das Kinopublikum, wird der Film unterbrochen und es erfolgt die Ansage, dass Eva Perón gestorben sei. Fassungslosigkeit macht sich breit.

Che (Santiago Bürgi, l.), Eva Duarte (Femke Soetenga, Mitte) und Tanz Theater Pforzheim
Foto: Martin Sigmund

Nun folgt ein Rückblick auf ihr Leben, erzählt von Che, einem Jungen aus dem Volk. Hierbei wird auf Che Guevara angespielt, den Eva Perón allerdings nie kennengelernt hat. Als 15-Jährige trifft Eva Duarte den berühmten Sänger und Tangotänzer Augustín Magaldi (›Diese Nacht ist so sternenklar‹) und wendet sich an ihn mit der Bitte, sie mit nach Buenos Aires zu nehmen. Dort angekommen entdeckt sie, das Magaldi verheiratet ist und ihr auch nicht weiterhelfen will. So versucht sich Evita als Radiomoderatorin und Schauspielerin.
Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung trifft sie auf Colonel Juan Domingo Perón und verliebt sich in ihn. Seine bisherige Freundin wirft sie kurzerhand aus der Wohnung.
Durch ihn bekommt sie Zugang zu ganz anderen Kreisen, doch die feudale Gesellschaft verachtet sie wegen ihrer Herkunft ebenso wie das Militär. Beide Gruppen werden sie bis zu ihrem Tod bekämpfen.

Juan Perón (Philipp Werner, l.), Che (Santiago Bürgi, Mitte) und Eva Perón (Femke Soetenga) bei der Hochzeit
Foto: Martin Sigmund

Mit Hilfe der Arbeiter und Bauern und durch die Unterstützung von Evita, die schon lange für die Genossenschaften arbeitet, schafft es Perón, zum Präsidenten gewählt zu werden. Von nun an hat auch Evita politische Ziele und unterstützt ihren Mann nach Kräften.

Eva Peróns (Femke Soetenga, Mitte mit Ensemble) Sinn für Stil
Foto: Martin Sigmund

Allerdings bringt die ›Regenbogentour‹ durch Europa nicht unbedingt den Erfolg, den sie sich erhofft hat. Vorher hatte sie sich noch bei einem Modespezialisten beraten lassen. Auf der Bühne ist dies ein gelungener Wechsel vieler Kleider, eine hübsche Idee, die ein bisschen an ›Sinn für Stil‹ aus »Aida« erinnert (Regie: Oliver Pauli).
Zurück aus Europa hat Evita einen großen Traum. Sie möchte Vizepräsidentin werden. Doch das wird durch das Militär verhindert. Inzwischen wurde bei ihr Krebs festgestellt und ihre Kräfte schwinden. In einer letzten Radioansprache bedankt sie sich beim argentinischen Volk und ihrem Mann. Sie erkennt, dass er sie gar nicht wegen ihrer Unterstützung, sondern um ihrer selbst willen geliebt hat.

Ihr Tod ist gleichzeitig wieder ein Rückblick auf die junge Eva, die auf ihr Grab (das durch ein schimmerndes Kleid dargestellt wird) ein paar Blumen legt.
Für die Rolle der Evita hat man in Pforzheim Femke Soetenga als Gast geholt. Diese ist in Pforzheim bereits in verschiedenen Rollen zu sehen gewesen (u. a. Mina in »Dracula«) und hat auch die Titelrolle von »Evita« schon mehrmals gespielt (u. a. an der Staatsoperette Dresden 2014). Sie ist perfekt besetzt und selbst das 15-jährige Mädchen nimmt man ihr ab. Schade ist, dass man sie bei ihrem großen Auftritt mit ›Wein nicht um mich Argentinien‹ nicht von allen Plätzen gut sehen kann, da der Chor, der jubelnd unter ihr platziert ist, die Sicht verdeckt .

›Wein nicht um mich Argentinien‹ mit Juan Perón (Philipp Werner, hinten l.) und Eva Perón (Femke Soetenga, hinten Mitte)
Foto: Martin Sigmund

Ein zweiter Gast ist Benjamin Savoie als Tangotänzer Magaldi. Auch er ist kein Fremder in Stuttgart (u. a. Harold Bride in »Titanic«). Mit seiner besonderen Stimme (›Diese Nacht ist so sternenklar‹) und seinem tänzerischen Können ist er auf jeden Fall ein Gewinn für das Stück.

Etwas schwieriger hat es da schon Santiago Bürli in der Rolle als Che. Merkt man doch an vielen Stellen, dass Deutsch nicht seine Muttersprache ist. Allerdings hat er eine schöne Stimme, die besonders bei dem Lied ›Jung, schön und verliebt‹ glänzt. Auch schauspielerisch ist er großartig. Die Rolle des Che ist in »Evita« die eines Erzählers, etwa wie die des Lucheni in »Elisabeth«.
Ein bisschen schwierig hat es auch Philipp Werner an der Seite von Femke Soetenga als Perón. Zum einen wirkt sein schöner Operntenor nicht immer passend, zum anderen dominiert die quirlige Soetenga auch viele Szenen.

Wie er und Santiago Bürli gehören auch die anderen Darstellerinnen und Darsteller zum Ensemble. Und dies ist fast bei allen Produktionen eines Stadttheaters ein Problem. Denn nicht alle können alles spielen. Da wäre es sicher angesagt gewesen, noch den ein oder anderen Gast dazu zu holen. Dafür verfügt man in Pforzheim ein hervorragendes Orchester unter der sicheren Leitung von Philipp Haag. Auch das Tanzensemble zeigt sich sehr stark.

Santa Evita (v.l.): Che (Santiago Bürgi, hinten), Eva und Juan Perón (Femke Soetenga und Philipp Werner, hinten r.) mit Ensemble Foto: Martin Sigmund

Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist das Bühnenbild von Esther Bätschmann, welches nur aus beweglichen Treppenelementen, einem Bogen und zwei Bögen an der Decke besteht, die von Szene zu Szene verschoben und neu zusammengestellt werden.

Auf den Treppen sitzt oft das Ensemble und – wie schon erwähnt – ist gerade die große Rede von Evita dadurch nicht überall zu sehen. Hier sollte noch einmal angepasst werden.
Ganz entscheidend ist es im Theater Pforzheim und bei dieser Produktion auch, wo man sitzt. Seitliche Plätze erlauben oft nicht den gewünschten Blick auf die Mitte der Bühne, auf welche aber vieles fixiert ist. Und auch die Akustik ist nicht auf allen Plätzen gleich gut.