Deutscher Musical Theaterpreis 2020/21:
Theater geht eben unter die Haut

Verleihung am 4. Oktober 2021 in Schmidts Tivoli in Hamburg

Vorab aus blickpunkt musical 05/2021

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Unter die Haut gehender Ausschnitt aus »Wüstenblume«:
›So wirst Du Frau‹ mit Kerry Jean und Dionne Wudu (v.l.)
Foto: Morris Mac Matzen

Theater geht eben unter die Haut, das merkte man spätestens beim Highlight des Abends, dem Live-Auftritt der zwei bezaubernden Talente Kerry Jean und Dionne Wudu, die mit ihrem Ausschnitt aus dem St. Galler Musical »Wüstenblume«, ›So wirst Du Frau‹, über das nicht ganz leichte und in Afrika gesellschaftlich schwierige Thema der Beschneidung berichteten. Ihr Song, mit großartigen Stimmen dargebracht, ging wirklich »einschneidend« unter die Haut und löste bei vielen Gästen Gänsehaut aus.

Wer erinnert sich nicht noch gut daran, wie schnell im Krisenmodus auf einmal in allen Häusern und Spielstätten die Lichter ausgingen und Künstler/innen sowie Kreative und Crews plötzlich in »Bedeutungslosigkeit« versanken und die Menschen nur noch netflixten …

Moderator Thomas Hermanns (r.)
mit Reinhard Simon (1. Vorsitzender der Deutschen Musical Akademie, l.) und Theaterchefin Tessa Aust (2.v.l.)
Foto: Morris Mac Matzen

Thomas Hermanns rief dann auch schon: »Hallo Freunde, ja, wir sind wieder da und auch wir streamen heute, sofern das Netz denn geht«, denn Facebook und WhatsApp erlagen am heutigen Abend einem technischen Problem und waren komplett offline. Das Publikum des Tivoli freute es, denn so lag der Fokus ganz auf der Vorstellung und den Nominierten und wurde nicht durch irgendwelche Smartwatches und aufblinkende Telefone abgelenkt.

Fast schon »old-fashioned« – Mit »Hallo Mutti!« – winkte Hermanns noch in die Live Stream Kamera und ins Auditorium und dann ging’s auch schon los:

Mit einem tollen Opening Medley aus Operettenklängen und Musicals der vergangenen Jahre: »Im weißen Rössel«, »Heißer Sommer«, »Linie1«, »Elisabeth« und des im Haus gespielten »Heiße Ecke«.

Der Vorstand der Theaterakademie Reinhard Simon und Tessa Aust als Geschäftsführung des Tivoli begrüßten auch noch flott und verkündeten leider gleich zu Beginn eine sehr traurige Nachricht, nämlich dass der Regisseur Craig Simmons, der die Preisverleihung über Jahre hinweg mit viel Liebe inszenierte und betreute, nun den Abend von der anderen Seite des Regenbogens beobachten werde, da er leider nicht mehr unter uns weile und aus dem Leben geschieden sei. Wir werden ihn und seine wunderbare Arbeit sehr vermissen! Für ihn eingesprungen war an diesem Abend Christoph Drewitz, der für die Regie verantwortlich zeichnete.

Unter den Gästen auch Alexander Klaws (l.) und Lucy Diakowska (r.)
Foto: Morris Mac Matzen

Unter den illustren Gästen, die »typisch Musical« dramatisch aufgeladen und aufgekratzt waren, entdeckte ich Gayle Tufts, Alexander Klaws, Lucy Diakovska von den »No Angles«, Wolfgang Trepper und noch viele andere.
Trotz Krise hatten sich in den vergangenen 2 Jahren viele Häuser getraut, zu produzieren – oft unter schwierigsten Bedingungen – und diese Produktionen galt es zu ehren. Einige der nominierten Shows konnten krisenbedingt nur wenige Male über die »Bretter, die die Welt bedeuten« gehen.

Seit 2015 wird der Deutsche Musical Theater Preis in 13 Kategorien vergeben. Neben Auszeichnungen, die sich auf das Musical als Werk beziehen (»Bestes Musical«, »Beste Komposition«, »Bestes Buch«, »Beste Liedtexte«) werden auch Preise für das jeweilige Ensemble vergeben. So werden auch »Beste Darstellerin«, »Bester Darsteller«, »Beste Nebendarstellerin« und »Bester Nebendarsteller« geehrt. Andere Kreativ-Kategorien sind »Beste Regie«, »Beste Choreographie«, »Bestes Bühnenbild«, »Beste Musikalische Gestaltung«, »Bestes Kostüm- und Maskenbild«, hinzu kommen Ehren- und Sonderpreise.

Mit dem diesjährigen Ehrenpreis der Akademie wurde die britische Regisseurin, Choreographin und Ballettmeisterin Anna Vaughan (posthum) gewürdigt.

Die Preisträger von »The Wave (Die Welle)« vom Landestheater Linz, das als »Bestes Musical« ausgezeichnet wurde mit Einzelpreisträgern Christoph Drewitz (»Beste Regie«, 5.v.l.) und Lukas Sandmann (»Bester Darsteller in einer Hauptrolle«, 2.v.l.)
Foto: Morris Mac Matzen

In diesem Jahr gewann »The Wave (Die Welle)« (Landestheater Linz) als »Bestes Musical« sowie in den Kategorien »Beste Komposition« & »Bestes Buch« (Or Matias), »Beste Regie« (Christoph Drewitz) und »Bester Darsteller in einer Hauptrolle« (Lukas Sandmann).

Das Musical »Goethe!« (Bad Hersfelder Festspiele) wurde in drei Kategorien ausgezeichnet: »Beste Liedtexte« (Frank Ramond), »Beste Choreographie« (Kim Duddy) und »Bestes Kostüm- und Maskenbild« (Claudio Pohle, Ute Mai, Stephanie Hanf).

 

Das Musical »Himmel und Kölle!« (apiro entertainment) konnte die Jury in zwei Ensemble-Kategorien überzeugen: »Beste Darstellerin in einer Nebenrolle« (Vera Bolten) und »Bester Darsteller in einer Nebenrolle« (Mark Weigel).

Der Preis für das »Beste Musikalische Arrangement« ging an Koen Schoots für »Wüstenblume« (Theater St. Gallen) die Produktion, die bereits eingangs erwähnt wurde.

Die Auszeichnung für »Beste Darstellerin in einer Hauptrolle« erhielt Karolin Konert (»Swing Street«, Stadttheater Fürth), für das »Beste Bühnenbild« wurde Michael D. Zimmermann (»Die Schattenkaiserin«, Tiroler Landestheater Innsbruck) ausgezeichnet. Der Preis für »Bestes Revival« ging an »Baby Talk« (Theater Bielefeld).

Preisträger des Sonderpreises für besondere Leistungen in der Corona-Pandemie (v.l.): Dominik Donauer, Roun Zieverink, Frank Blase
Foto: Morris Mac Matzen

In diesem Jahr wurde zudem ein Sonderpreis der Deutschen Musical Akademie ausgesprochen für Personen, die in der Zeit der geschlossenen Häuser finanziell und ideell andere unterstützt haben. Ausgezeichnet wurden dafür: Frank Blase (Unternehmer und Produzent von »Himmel und Kölle!«), Dominik Donauer (Künstleragentur artinia consulting) sowie Roun Zieverink (Pianist, Komponist, Arrangeur) für seine »Küchen-Konzerte«, die er im Lockdown täglich organisiert und gestreamt hat.

Der diesjährige Sonderpreis der Jury für »Beste Ensemble-Leistung« ging an »Himmel und Kölle!« (apiro entertainment, Köln).

Einziger Wermutstropfen des sehr kurzweiligen und flott durchmoderierten Abend war der Video-Schnitt, der die gezeigten Beiträge der Nominierten immer an den unmöglichsten Stellen abschnitt, so aber auch zum Lachen und der Unterhaltung der Zuschauer beitrug. Nennenswert sind auf jeden Fall die tollen Showmomente mit Auszügen aus den Shows, neben dem Obengenannten insbesondere das Ensemble von »The Wave (Die Welle« und Philipp Büttner mit seinem ›Willkommen und Abschied‹ aus »Goethe!«.

Finale der Verleihung des Deutschen Musical Theater Preis 2020/21 in Schmidts Tivoli in Hamburg
Foto: Morris Mac Matzen

In Schmidts Tivoli galt am Abend der Deutschen Musical Theaterpreis-Verleihung die 2G-Regel. Sicher war dies eine wirtschaftlich sinnvolle und nachvollziehbare Herangehensweise des Theaters und es zeigte auch die starke Verbindung zum Kultursenator der Stadt Dr. Carsten Brosda, welcher ebenfalls am Abend des 4. Oktobers anwesend war. Als freier und äußerst freiheitsliebender Redakteur, inzwischen auch geimpft, sorge ich mich, dass eine langfristige Spaltung für uns als Gesellschaft, die Kunst und die Branche im Ganzen starke Nachteile mit sich bringen wird. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich persönlich unpolitisch bin und ganz pur für die großartige Verbindung zwischen Menschen und mit Herzblut für die Kultur und gutes Musiktheater einstehe.

Hoffentlich heißt es schon ganz bald wieder in allen Häusern des Landes und für alle Menschen: »Herzlich willkommen in diesem Haus, lassen Sie sich begeistern von der Kraft der Fantasie, den Klängen der Musik und der Spielfreude der Darstellerinnen und Darsteller!«

Das Genre Musical ist vielseitig und geht unter die Haut, wie die diesjährige Preisverleihung unter Beweis gestellt hat!

Vorab aus blickpunkt musical 05/2021

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