»Chicago« auf der Freilichtbühne am Roten Tor in Augsburg

Zwischen Zellenblock und Zirkusvorstellung

 

Der Zellenblock
Foto: Ingrid Kernbach

Velma Kelly (Sidonie Smith) und
Mama Morton (Marianne Larsen)
Foto: Ingrid Kernbach

»Chicago« gehört sicher zu den meistgespieltesten Musicals überhaupt. Die Uraufführung fand 1975 in New York statt, das sogenannte »Revival« feierte 1996 ebenfalls in New York, wo es bis heute ununterbrochen läuft, seine Wiederauferstehung. Von dort aus zog das Stück in die Welt. In Deutschland wurde das Musical von John Kander & Fred Ebb zum ersten Mal 1977 gespielt, und zwar im Thalia Theater Hamburg mit Katja Ebstein in der Rolle der Roxie Hart und Judy Winter als Velma Kelly. Regie führte Helmut Baumann, der gemeinsam mit Erika Gesell das Stück auch in die deutsche Sprache übertrug.

Die Revival-Version, die auch im Londoner West End ensuite spielt, hat ihren Platz auf relativ kleiner Bühne, eher im Nachtclubformat, wobei das Orchester mit auf der Bühne sitzt. Inzwischen, so auch in Augsburg, wird jedoch auch eine viel buntere Version gespielt.

Hier wurde nicht nur das Bühnenbild der großen Bühne des Theaters am Roten Tor angepasst (Bühnenbild: Harald B. Thor), auch die berühmten Choreographien von Bob Fosse wurden von Gaines Hall, der auch Regie führte, neu interpretiert. Besonders auffällig die vielen Stepptanzszenen.

Amos Hart (Pascal Herington) hört fassungslos der Geschichte seiner Frau Roxie (Katja Berg) zu
Foto: Ingrid Kernbach

 

Die Geschichte des Stücks ist sicher den meisten bekannt, ebenso wie die Songs wie ›All that Jazz‹ oder der ›Zellenblocktango‹. Das Stück, das 1926 in Chicago spielt, handelt von Roxie Hart, die ihren Liebhaber erschießt. Zunächst will ihr Mann Amos die Schuld auf sich nehmen, als er jedoch erkennt, dass es kein Einbrecher war, den Roxie erschossen hat, widerruft er sein Geständnis und seine Frau wandert ins Gefängnis.

Dort bestimmt Mama Morton das Schicksal der Gefangenen. Und war bisher noch Velma Kelly der Liebling der Presse, wird es nun, mit Hilfe von Mary Sunshine, der »Starreporterin« Roxie.

Marionettenspiel mit Billy Flynn (Alexander Franzen) und Roxie (Katja Berg)
Foto: Ingrid Kernbach

Der windige Anwalt Billy Flynn ist der Liebling der Frauen, aber gleichzeitig einzig und allein auf seinen Vorteil aus.
Billy übt mit Roxie den Text für die Verhandlung ein und spricht quasi für sie. Aber leider ist diese Szene, in der Roxie quasi eine Marionette ist, in Augsburg ein bisschen schwierig zu erkennen, da Billy hinter ihr steht und für das Publikum verdeckt ist.

Dafür ist der Zellenblock mit seinen Insassinnen dank der riesigen Bühne fantastisch anzuschauen und auch die Gerichtsverhandlung, die sich wie eine Zirkusnummer abspielt, ist, mit den vielen bunten Kostümen (Aleksandra Kica), ist ein wahrer Hingucker.

Insgesamt geht es im Stück um Liebe, Mord, Gier und Intrigen. Und während die wirklichen Mörderinnen frei kommen, endet es für die einzig Unschuldige mit einer Hinrichtung.
Von Kennern des Stücks ein bisschen vermisst wurde das musikalische Intro zu Beginn des zweiten Akts.

[gtrow][gtcolumn size=“1″]

[/gtcolumn][gtcolumn size=“1″]

[/gtcolumn][gtcolumn size=“1″]

[/gtcolumn][gtcolumn size=“1″]

[/gtcolumn][/gtrow]

Roxie Hart (Katja Berg)
Foto: Ingrid Kernbach

Velma Kelly (Sidonie Smith)
Foto: Ingrid Kernbach

‚Zirkusdirektor‘ Billy Flynn (Alexander Franzen)
Foto: Ingrid Kernbach

Großartig gecastet sind die Darsteller/innen, allen voran Katja Berg als Roxie. Ihre Mimik und ihr ausdrucksvolles Spiel machen das Anschauen zum Vergnügen.

An ihrer Seite geht Sidonie Smith als Velma Kelly leider ein bisschen unter.

Ebenso großartig ist Alexander Franzen als Billy Flynn. Ihm nimmt man sowohl den Frauenheld (›Ich bin nur für Liebe da‹) als auch den gierigen Anwalt unbesehen ab.

Amos Hart (Pascal Herington) als ‚Mr Zellophan‘
Foto: Ingrid Kernbach

 

Pascal Herington als Roxies Ehemann Amos ist in der Rolle des verschusselten Dussel, den niemand wirklich wahr nimmt, total überzeugend und hinreißend.

Auch die wunderbare Marianne Larsen als Mama Morton und Cedric Lee Bradley als Conférencier überzeugen.

Mary Sunshine (Chris Kolonko)
Foto: Ingrid Kernbach

Chris Kolonko, bekannt als Dragqueen und Travestiestar, kommt als Mary Sunshine leider ein bisschen zu kurz in dieser Produktion. Denn der Gag, dass Mary Sunshine eigentlich ein Mann ist und am Ende enttarnt wird, fiel leider aus, genau wie einige Shows, die wegen des schlechten Wetters nicht gespielt werden konnten.

Unterstützt wurden die Darsteller von dem Opernchor und Ballett des Staatstheaters Augsburg.

Insgesamt war »Chicago« auf der Freilichtbühne in Augsburg jedoch einen Besuch wert und bot einen Abend voller vergnüglicher Unterhaltung mit großartigen Tanzszenen und toller Musik, live gespielt von den Augsburger Philharmonikern unter Leitung von Justin Pambianchi. Jetzt bleibt für 2022 nur zu hoffen, dass statt der coronabedingten 550 wieder 2.100 Zuschauer das schöne Theater besuchen dürfen und Petrus dann »Ein Herz aus Gold« hat und es nicht so häufig regnet.