Riccardo Greco im Interview zu »Jesus Christ Superstar« im Um!bau in St. Gallen:
»Für mich persönlich kam dieser Lockdown gerade zur richtigen Zeit«

Foto: Nico Stank

United Musicals: Ist dies das erste Mal, dass Sie »Jesus Christ Superstar« spielen?

Riccardo Greco: Ich habe »Jesus Christ Superstar« schon einmal in Wien im Ronacher gespielt, ich glaube 2012, mit Drew Sarich als Jesus. Da war ich im ersten Akt Simon und im zweiten Peter. Das war ein bisschen schizophren, aber es hat funktioniert. Es waren diese Ostervorstellungen, die in Wien immer gespielt werden.
Damals habe ich schon gedacht, ich möchte irgendwann mal Jesus spielen. Und jetzt ist es passiert.

UM: Wenn Sie in dieser Inszenierung Ihre Rolle beschreiben sollen, was ist das Besondere daran?

RG: Wie spielt man Gottes Sohn? Gibt es da ein Richtig oder Falsch? Ich bin sehr religiös erzogen worden, hatte einen guten Zugang zu dem Ganzen. Ich habe zusammen mit meinem Papa in meiner Jugend die Bibel studiert. Aber unsere Inszenierung ist sehr, sehr modern. Unser Jesus ist ein Social Media Star, er ist ein Rockstar und seine Prophezeiung vermittelt er durch seine Posts und seine Rocksongs. Die Apostel, Maria Magdalena sind seine Follower, Fans, Bandkollegen, Rowdies, Groupies. Jesus ist in dieser Inszenierung drogenabhängig, im Laufe des Stücks entscheidet er sich aber, sich seinem Schicksal zu stellen und klar zu werden.
Er nimmt Drogen, weil der mit diesen Prophezeiungen, dass er seinen eigenen Tod vorhersieht, nicht umgehen kann.
Das ist eine der härtesten Rollen, die ich jemals gespielt habe. Und wir spielen auch ohne Pause. Eine Pause vor ›Gethsemane‹ wäre super, aber dank Corona ist dies leider nicht möglich. Und ich merke, dass mir das einiges abverlangt. Vor allem wäre es gut, vor ›Last Supper‹ und ›Gethsemane‹ die Pause zu haben. Da durchzuspielen kostet viel Kraft. Und ich werfe mich wirklich mit Herz und Seele rein. Das verlangt sehr viel von mir als Darsteller, aber auch persönlich nimmt mich das sehr mit. Vielleicht auch weil ich den Bezug in meiner Jugend hatte und die Bibel für mich nicht nur ein einfaches Buch ist. Aber ich finde, dass dies eine ganz besondere Inszenierung geworden ist mit einer ganz fantastischen Cast.

UM: Ist »Jesus Christ Superstar« nach dem Lockdown das erste Musical, das Sie spielen? Und wie fühlt es sich an, vor so wenigen Zuschauern zu spielen?

RG: Nach dem Lockdown ist dies tatsächlich das erste Stück, das ich wieder vor Publikum spiele. Zuvor hatte ich noch ein Konzert in Braunschweig. Im Moment spielen wir vor 50 Leuten, die nächsten Vorstellungen im Juni dann schon vor 100. Das wird dann noch ein bisschen ein anderes Gefühl sein. Wir freuen uns sehr, dass wir wieder spielen dürfen. Man merkt auch an der Resonanz des Publikums, wie dankbar die Zuschauer sind. In St. Gallen haben sie sich richtig getraut, zu applaudieren und zu jubeln. Sie wollten gar nicht nach Hause. Wir mussten immer wieder rauskommen. Das ist schon sehr schön. Und wir sind auch sehr dankbar. So viele Darsteller haben Stücke geprobt und können diese nicht vor Publikum spielen. Und wir dürfen! Wir freuen uns alle sehr.

UM: Spielen Sie zum ersten Mal in der Schweiz?

RG: Das ist tatsächlich mein erstes Mal auf einer Schweizer Bühne. Ich hatte zwar schon einmal ein Konzert in der Schweiz, 2005 oder 2006. Aber ein Musical habe ich hier noch nie gespielt und ich liebe St. Gallen. Es ist wunderschön hier und die Schweizer sind sehr, sehr herzlich und haben mich überall mit offenen Armen empfangen.

Riccardo Greco in der Titelrolle von »Jesus Christ Superstar« St. Gallen 2021
Foto: Andreas J. Etter

UM: Welche Rollen spielen Soziale Medien für Sie privat?

RG: Keine große! Wäre ich nicht in diesem Beruf, hätte ich vermutlich keinen Instagram Account. Dann wäre ich auch kein Sänger und dann würde mich das auch nicht interessieren. Als Sänger jedoch muss man sich bis zu einem gewissen Grad selbst vermarkten, und wenn man eigene Musik schreibt, dann braucht man die Sozialen Medien, aber ich empfinde es als puren Stress. Viele Leute sind dir böse, wenn du nicht sofort antwortest. Dann gibt es versteckte Nachrichten und einen allgemeinen Ordner bei Instagram und dann hab‘ ich noch eine Facebook Seite, eine öffentliche und eine private. Meine private Seite benutze ich so gut wie gar nicht mehr. Nur um meine Verlobung bekannt zu geben, dazu hab‘ ich sie mal benutzt, aber sonst muss ich sagen, stressen mich Soziale Medien sehr.
Ich bewundere die jüngere Generation, die das liebt. Die filmt sich den ganzen Tag. Aber wenn ich mal so einen Takeover mache oder meinen Followern verspreche, was zu filmen, danach brauche dann wieder eine Pause. Ich pflege meine privaten Freundschaften, und das fällt mir schon schwer. Und dann noch Soziale Medien – das ist für mich eine Herausforderung. Aber ich weiß, dass es zu meinem Job gehört. Ich wurde auch schon bei Auditions gefragt, wieviel Follower ich habe. Also es ist wichtig. Ich finde es auch nicht verwerflich, denn das ist die Zeit, in der wir leben.

UM: Wie haben Sie den Lockdown erlebt? Hatte er auch etwas Positives für Sie?

RG: Für mich persönlich kam dieser Lockdown gerade zur richtigen Zeit. Ich habe davor fünf lange Jahre in Linz gearbeitet, dort über 30 Produktionen gespielt, danach sofort »Catch Me If You Can« und »Ghost« gleichzeitig. Das hat mich sehr viel Kraft gekostet. Der Lockdown kam dann in den letzten 2 Wochen von »Ghost« und der kam wie gerufen. Ich war zu der Zeit mit meinen Kräften am Ende, stand kurz vor einem Burn-out. Ich habe während des Lockdowns sehr viel neue Energie getankt und anders würde ich jetzt Jesus gar nicht wuppen können. Und vor allem habe ich meine Spielfreude wiedergefunden, denn die ging damals total verloren. Ich hatte Blackouts, konnte mir die Texte nicht mehr merken, war ständig krank. Und das waren klare Zeichen meines Körpers, auf die ich nicht gehört habe. Während des Lockdowns konnte ich mich erholen, das war Balsam für die Seele.
Insofern hatte der Lockdown auch etwas Positives. Ich hatte Zeit, in meinem Zuhause in Hamburg anzukommen, ich hatte Zeit, die ich mit meinem Verlobten verbringen konnte, unsere Beziehung zu festigen. Wir haben uns verlobt in dieser Zeit. Das hat uns noch näher zusammen gebracht.

UM: Was Ihre Pläne für die Zukunft?

RG: Wir suchen gerade nach einer Eigentumswohnung oder einem Häuschen, wir überlegen, ob wir ein Kind adoptieren und was dafür erforderlich ist. Ich bin jetzt 33, meine innere Uhr tickt. Und auch im Job hat sich viel ergeben. Viele Regisseure sind auf mich zugekommen und haben angefragt, aber ich habe diesmal auch sehr oft auf mein Herz gehört. Ich habe einige Produktionen und Konzerte abgesagt, weil ich mich nicht sofort wieder überfordern wollte. Ich möchte in Zukunft Sachen machen, die mich aber trotzdem herausfordern, die mir Spaß machen, aber nicht Angst. Ja, ich bin während des Lockdowns reifer geworden, vor allem auch in meinem Job. Ich hatte vorher die Mentalität, zu allem JA zu sagen, ich war ein Workaholic, wollte alles verbinden, was möglich war. Und das ging auch bis zu einem gewissen Punkt. Aber jetzt habe ich gemerkt, ich habe nur diesen einen Körper. Ich möchte eine Familie gründen, ich möchte heiraten, ich möchte ein Zuhause haben. Dann ist es egal, ob ich in andere Städte reise, wenn ich ein Zuhause habe, in das ich zurückkehren kann.
Und das sind dann auch meine Pläne für die Zukunft. Ich will einfach glücklich sein, sowohl in meinem Privatleben als auch in meinem Beruf. Und ich bin sicher, das lässt sich kombinieren. Natürlich, wenn das mit der Adoption klappt und wir ein Kind bekommen, gibt es andere Kompromisse. Dazu bin ich auch bereit. In nächster Zeit gibt es noch einige Produktionen, auf die ich mich freue und ich werde auch die nächsten Jahre noch richtig reinhauen. Es gibt noch einige News, die ich in nächster Zeit verkünden darf. Darauf freue ich mich sehr. Genau das sind die Pläne für die Zukunft: Gesund bleiben, glücklich sein.

UM: Vielen Dank für das offene Gespräch und toi, toi, toi für die Zukunft. Mögen sich Ihre Wünsche erfüllen.

Am 2. März 2022 feiert »Jesus Christ Superstar« Wiederaufnahme im Um!bau-Theater St. Gallen.