Thomas Borchert
Foto: Karim Khawatmi
Inmitten der Pandemie feierte Thomas Borchert 2020 sein 30-jähriges Bühnenjubiläum. Geplant war am 9. Dezember die Premiere seines Jubiläumsprogramms »Der Vampir am Klavier«, das wie so viele Veranstaltungen auf 2021 verschoben werden musste.
blickpunkt musical: Wie sind Sie zum Klavier und zur Musik allgemein gekommen?
Thomas Borchert: Ich hatte das große Glück, dass meine Großeltern uns ihr Klavier vermacht hatten und interessierte mich schon früh dafür. Als ich vier Jahre alt war, spielte ich nach Gehör die Melodie von ›Freude schöner Götterfunken‹ darauf und fortan unterstützten meine Eltern mein Talent.
blimu: Sie hatten eine Rockband namens »Cakewalk«, mit der Sie recht erfolgreich waren. 1988 bekamen Sie den Musikpreis NDR Hörfest und waren gleichzeitig Preisträger des Bundesrockpreises in der Sparte Pop. Können Sie etwas näher auf die Zeit mit Ihrer Rockband eingehen?
TB: Das war eine tolle Zeit! »Cakewalk« hatte ihren Ursprung in einer Schüler-Band, die ich mit meinem Freund Georg Anfang der 80er Jahre gründete. Wir haben damals viel geprobt, die Songs alle selbst geschrieben und arrangiert und haben viele Konzerte gespielt. Kein Hamburger Club war vor uns sicher! Dass wir dann auch noch so einige Band-Wettbewerbe gewannen, war natürlich die Krönung unserer Arbeit.
blimu: Im selben Jahr, 1988, wurden Sie an der Stage School of Music, Dance and Drama in Hamburg aufgenommen. Wie kam dieser Sprung von der Rockband zum Musical zustande?
TB: Na ja, ich hatte mich schon immer für das Schauspielen interessiert und war schon in der Schule sehr aktiv in unserer »Schauspiel AG«. Dort konnte ich mich kreativ so richtig austoben, machte Theatermusik und spielte interessante Rollen. Nach meinem Abitur und dem anschließenden Zivildienst konnte ich mich nicht so recht entscheiden, was genau ich studieren möchte und da kam mir ein, von einer Mutter eines Freundes ausgeschnittener, Zeitungsartikel zu Hilfe. Da ging es um die Stage School of Music, Dance & Drama, eine Allround-Ausbildung nach dem New Yorker Vorbild und ich war sofort Feuer und Flamme.
blimu: Noch während Ihrer Ausbildung bekamen Sie 1990 Ihr erstes Musical-Engagement als Rum Tum Tugger in »Cats« in Hamburg. Was bedeutete Ihnen das damals und was bedeutet es Ihnen heute nach 30 Jahren, wenn Sie darauf zurückblicken?
TB: Damals dachte ich, dass das einfach nur ein spannender Ausflug ins Musicalgenre wäre und ich danach weiter an meiner Musik- und Schauspiel-Karriere arbeiten würde. Nun dauert dieser »Ausflug« schon 30 Jahre an! Spannend, wie das Leben so spielt … Aber natürlich bedeutet mir mein damaliges erstes Engagement sehr viel. Ich habe dabei sehr viel gelernt, vor allem Disziplin. Ich habe die Rolle sieben bis acht Mal in der Woche gespielt, musste Tanzen, Singen und mich selbst schminken. Außerdem ist »Cats« ein ausgesprochenes Ensemble-Stück, das nur funktioniert, wenn alle eng zusammenarbeiten und jeder den anderen unterstützt. Das war ein sehr gutes »Lehrjahr« für mich.
blimu: Welche Ihrer Musicalrollen mochten Sie am wenigsten bzw. mit welcher Musicalrolle konnten Sie sich am wenigsten identifizieren?
TB: Ich hatte (bisher) das Glück, ausschließlich Rollen zu spielen, die mir auch Spaß gemacht haben – vielleicht war die Herausforderung, die mir als Schauspieler und Sänger so wichtig ist, unterschiedlich groß. Aber letztendlich kommt es immer darauf an, was man aus einer Rolle macht und der kreative Weg dahin, die Findung der eigenen Interpretation, ist dabei das Spannendste.
Thomas Borchert als Edmond Dantès in »Der Graf von Monte Christo« (mit Dean Welterlen als Abbé Faria)
Foto: Toni Küng
blimu: Mit der Zeit hatten Sie sehr viele Engagements, wie zum Beispiel in den Musicals »The Rocky Horror Show«, »Elisabeth«, »Evita«, »Mozart!«, »Les Misérables«, »Das Phantom der Oper«, »Tanz der Vampire« und »Dracula«. Doch Broadway-Komponist Frank Wildhorn schrieb eigens für Sie ein Musical, »Der Graf von Monte Christo«. Wie kam es dazu und was für ein Gefühl war es, dass er extra für Sie komponierte?
TB: Frank sah mich in Wien in der Titelrolle von »Jekyll & Hyde« und zeigte sich begeistert von meiner Interpretation. Danach blieben wir in Kontakt, arbeiteten bei »Dracula« in St. Gallen und Graz zusammen und ich trat auch bei seinen »Frank Wildhorn & Friends«-Konzerten auf.
Während der Proben zur Grazer »Dracula«-Produktion sagte er mir dann, dass er vorhabe, ein Musical für mich zu schreiben. Das konnte ich zuerst nicht glauben, aber als er mir ein paar Wochen später erste Song-Ideen für »Der Graf von Monte Christo« zuschickte, wurde daraus tatsächlich Realität. Ein Traum wurde wahr! Das Gefühl, als ich dann die ersten Songs im Studio einsang, war wirklich unbeschreiblich. Ich bin unglaublich dankbar für dieses großartige Geschenk!
blimu: Sie schreiben auch eigene Songs und haben sogar ein eigenes Wildschwein-Musical zu »Asterix und Obelix« geschrieben. Seit wann genau arbeiten Sie schon an eigenen Projekten und gibt es da ein besonderes Herzensprojekt?
TB: Das ›Wildschwein-Duett‹ habe ich ursprünglich für die »Tom & Jerry Show« geschrieben, die ich noch während der Ausbildung zusammen mit meinem Freund Jerry Marwig konzipierte und auf die Bühne brachte. Aber der Hintergedanke war tatsächlich ein »Asterix & Obelix«-Musical zu schreiben. Ich hatte damals sogar den Ehapa-Verlag angerufen, um mich nach den Rechten dafür zu erkundigen. Da wurde mir allerdings schnell klar, dass das ein etwas zu großer Fisch für mich war …
Aber der Wunsch, einmal ein eigenes Musical zu schreiben, ist geblieben und gerade jetzt schreibe ich gemeinsam mit Titus Hoffmann an einem spannenden Musiktheater-Projekt. Ist allerdings noch Top Secret!
blimu: Nun ist es ja recht überschaubar auf den Musicalbühnen Deutschlands geworden. Corona hat die Kulturszene beinahe zum Stillstand gebracht. Für mich, als großen Musicalfan, ist es fast unerträglich, kein Musical mehr auf der Bühne erleben zu dürfen. Diese Glücksmomente, den Gesang, den Tanz und die Musik live zu erleben und nach Hause mitnehmen zu können, das fehlt mir einfach ungemein
Sie als Künstler erleben diese besonderen Momente von der Bühne aus, die Begeisterung der Zuschauer, den Applaus, die Zugaben. Das ist all das, was momentan nicht wie gewohnt stattfinden kann. Wie erfahren Sie persönlich die Zeit der Covid-19-Pandemie?
TB: Eine furchtbare, eine düstere Zeit. Als »Live-Künstler« wird man seines Lebenselixiers beraubt. Diese Glücksmomente, in denen man mit seinem Publikum interagiert, diese ganz besondere Energie, die nur im Theater oder im Konzert entsteht, ist durch nichts zu ersetzen.
Plakat des Soloprogramms »Der Vampir am Klavier«
(c) Thomas Borchert
blimu: Gab es etwas, was Ihnen in dieser schwierigen Zeit geholfen hat?
TB: Ich habe mich darauf konzentriert, an verschiedenen Projekten, wie beispielsweise meiner neuen Solo-Show »Der Vampir am Klavier« und dem besagten Musical-Projekt, zu arbeiten. Aber auch unsere Bauernhof-Baustelle (wir sanieren derzeit einen Resthof in Schleswig-Holstein) hat mich ordentlich auf Trab gehalten.
blimu: Ihre Frau ist ebenfalls Musicaldarstellerin. Wie schwierig ist das zur Zeit, wenn beide Ehepartner in der momentan fast stillstehenden Musicalbranche tätig sind? Gibt es Unterstützung von der Künstlersozialkasse?
TB: Nein. Die gibt es leider nicht. Wir fallen als sogenannte »Soloselbstständige« ohne Betriebsstätte, bzw. nennenswerte Betriebskosten leider bisher durch jedes Raster.
Durch die Konzert- und Theater-Engagement-Ausfälle sind wir finanziell so ziemlich am Ende. Daher bin ich dankbar, dass ich momentan wenigstens ein wenig Kurzarbeitergeld für die derzeit nicht stattfindende Musicalproduktion »Zeppelin« (Uraufführung im Festspielhaus Neuschwanstein derzeit geplant am 10. Juni 2021, Anm. d. Red.) bekomme.
blimu: Was für Möglichkeiten sehen Sie persönlich in dieser schwierigen Situation für die Künstler, die auf das Live-Entertainment angewiesen sind?
TB: Sehr wenige. Vor allem, wenn es darum geht, auch Geld zu verdienen. Von ein paar Online-Konzerten kann man einfach nicht leben …
blimu: Was für Auswirkungen würde es, Ihrer Meinung nach, auf die Kulturszene haben, wenn sich Covid-19 noch weiter ausbreitet und weiterhin drastische Maßnahmen ergriffen werden?
TB: Die Kulturszene würde nach und nach sterben. Viele private Theater und Konzert-Clubs müssten schließen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt! Wichtig ist, dass wir Künstler zusammenhalten, weiter auf uns und die Wichtigkeit der Kultur aufmerksam machen. Dass wir nicht müde werden, die Möglichkeit der Ausübung unserer Berufe, auch und gerade in Corona-Zeiten, einzufordern! Kultur ist ja nicht nur ein netter Zeitvertreib und Gauklerei, sondern ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft und noch dazu ein ernstzunehmender Wirtschaftszweig.
blimu: Was planen Sie noch für die Zeit nach Corona? Gibt es eine Rolle, die Sie unbedingt (noch)mal spielen wollen würden oder ein noch zu realisierendes Projekt?
TB: Da die Premiere und auch weitere geplante Shows von »Der Vampir am Klavier« Corona zum Opfer gefallen sind, hoffe ich darauf, dass im nächsten Jahr mein neues »Baby« endlich das Licht der Welt erblicken kann!
blimu: Vielen Dank für das Interview und dass Sie sich dafür Zeit genommen haben. Wir hoffen mit Ihnen, dass die Theater bald wieder mit Leben erfüllt sind.