»The Show Must Go On!«: Premiere der Musicalgala am 27. Juni 2020 in Augsburg

Die Freilichtbühne am Roten Tor des Staatstheaters Augsburg
Foto: Ingrid Kernbach

Ein bisschen neidisch mögen andere Theater sein, wenn sie in Richtung Augsburg schauen. Denn dort hat man es der Hartnäckigkeit, dem Kampfgeist und der Beharrlichkeit des Staatsintendanten André Bücker und Operndirektor Daniel Herzog zu verdanken, dass es wieder eine Musicalgala mit dem Titel »The Show Must Go On!« gibt. Und zwar eine richtige Show mit Sängerinnen und Sängern, Tänzerinnen und Tänzern und einem Orchester. Und das mit Publikum!

Dies in der Zeit von Corona durchzusetzen und auch organisatorisch zu stemmen, ist schon eine ganz besondere Leistung. Dabei wurden jedoch sehr hohe Hygiene- und Sicherheitsstandards zugrunde gelegt.

Moderator und Sänger Alexander Franzen, Chris Murray und
Susanna Panzner bei dem Opening ›The Show Must Go On‹ Foto: Ingrid Kernbach

So haben die Musiker einen eigenen Eingang und Backstagebereich, getrennt von den Interpreten. Die Zuschauer mussten noch die ganze Zeit mit Masken sitzen, obwohl der Sicherheitsabstand sehr groß ist. Ab dem 1. Juli 2020 entfällt die Maskenpflicht für die Zeit, wenn man am Platz sitzt. Das Theater hat 2.000 Sitzplätze, verkauft werden maximal 550. Essen und Trinken darf man sich mitbringen, denn ein Catering oder eine Pause gibt es nicht. Ein bisschen nervig empfanden an der Premiere allerdings einige Zuschauer, dass ständig Ordnungspersonal hin- und her sprang, um die Leute aufzufordern, die Masken wieder aufzusetzen. Soviel zum Organisatorischen.

Insgesamt 17 Solisten sangen und tanzten, begleitet von den Augsburger Philharmonikern unter der Leitung von Justin Pambianchi. Dabei wurde das Ensemble des Staatstheaters von renommierten Musicaldarstellern wie Katja Berg, Susanna Panzner und Chris Murray kräftig unterstützt. Durch das Programm führte Alexander Franzen.

Später am Abend die Goldmünzentreppe, die für »Herz aus Gold« installiert wurde
Foto: Ingrid Kernbach

Das Opening war dann auch gleich der Titel der Show. Das ganze Ensemble kam mit dem Rocksong ›The Show Must Go On‹ von »Queen«auf die Bühne. Und was für eine Bühne! Wer das Theater am Roten Tor in Augsburg nicht schon kennt: Es handelt sich dabei um eine der schönsten und ältesten Freilichtbühnen Deutschlands, eingerahmt von einer alten Wallanlage und dem Roten Tor im Hintergrund.

Für die Produktion »Herz aus Gold« wurde eine Treppe aus Goldmünzen angelegt, die in verschiedenen Farben leuchtet und so einen besonderen Blickfang bildet.

Nach dem Eröffnungslied stellte Alexander Franzen das Ensemble vor und hielt ein kleines Plädoyer: »Kunst und Kultur sind wichtige Puzzleteile unserer Gesellschaft. Lassen Sie uns darauf achten, dass diese nicht verloren gehen. Theater muss sein.«

Gleichzeitig zitierte er aus dem Lied ›Sternenstaub‹ (»Einstein«, mit Musik von Stephan Kanyar und Text von Maren Scheel) folgende Worte: »Es ist alles verbunden, ist untrennbar, ist eins«, und bezog sich damit auf die heutige Zeit, in der wir Gefahr laufen, dass Kunst und Kultur verloren gehen. Für seine Eröffnung erhielt er immer wieder Zwischenapplaus. Denn all dem Gesagten kann man nur zustimmen.

Tanz mit Plexiglasscheiben bei ›Wunderbar‹ mit Susanna Panzner und Alexander Franzen (2.+1. v. r.)
Foto: Ingrid Kernbach

Nachdem er noch alle Darstellerinnen und Darsteller namentlich vorgestellt hatte, begann das eigentliche Programm mit einem Medley aus dem Musical »Kiss Me, Kate«, das eigentlich dieses Jahr in Augsburg hätte spielen sollen. Sehr schön gelöst die Tanzszenen bei ›Wunderbar‹, in dem die Paare mit einer Plexiglasscheibe zwischen sich tanzten und Küsse andeuteten (Choreographien: Mario Mariano). Solisten hierbei waren Elke Kottmair, Alexander Franzen und Susanna Panzner.

Katja Berg mit ›Milady ist zurück‹ (»3 Musketiere«)
Foto: Ingrid Kernbach

Mit ›Milady ist zurück‹ aus dem Musical »3 Musketiere« stellte dann Katja Berg ihre großartige Stimme unter Beweis. Es folgte ›Dies ist die Stunde‹ aus dem Musical »Jekyll & Hyde«, gesungen von Alexander Franzen. Leider entsprach das Lied nicht ganz seiner Tonlage. Schade. Ausdrucksstark und stimmgewaltig rockte Chris Murray mit ›Superstar‹ aus »Jesus Christ Superstar« von Andrew Lloyd Webber die Bühne.

›All That Jazz‹ (»Chicago«) – Susanna Panzner (Mitte) und Tanzensemble
Foto: Ingrid Kernbach

Weiter ging der bunte Melodienreigen mit ›A Whole New World‹ aus dem Musical »Aladdin«, gesungen von Manuel Dengler und Janina Moser, gefolgt von »All That Jazz« aus dem »Chicago«, interpretiert von Susanna Panzner, und tänzerisch großartig unterstützt vom Ensemble.

Ein weiteres Highlight auf dieser großen Bühne war ›One Day More‹ aus »Les Misérables«, zu dem alle Mitwirkenden aus verschiedenen Richtungen auf die Bühne kamen. Da diese mehrere Spielebenen hat, die durch die Treppe aus Münzen verbunden sind, war dies ein besonderes eindrucksvoller Anblick.

Alexander Franzen als Frank’N’Furter mit ›Sweet Transvestite‹ mit Tänzern mit Horror-Masken
Foto: Ingrid Kernbach

Und dann folgte das nächste Highlight in Person von Alexander Franzen als Frank’N’Furter mit ›Sweet Transvestite‹. Nachdem er in weißem Frack und langer Hose, aber schon auf hohen Absätzen, die Treppe herunter gekommen war, zogen Tänzerinnen mit schrillen Masken über Mund und Nase ihm die Hose herunter und er stand da in einer goldfarbenen, Rocky-Badehose und nacktem Oberkörper. Natürlich gab es für so viel Mut einen extra Zwischenapplaus.
Weiter ging es mit zwei Nummern aus ABBA-Musical »Mamma Mia!«, nämlich dem Titelsong, gesungen von Susanna Panzner, und ›The Winner Takes It All‹, interpretiert von Katja Berg, die vom Ensemble umrundet mit Taschenlampen angestrahlt wurde.

Große Emotionen bei ›Sternenstaub‹ (»Einstein«) – Chris Murray
Foto: Ingrid Kernbach

Mucksmäuschenstill wurde es im Theater bei dem Song ›Sternenstaub‹, gesungen von Chris Murray. Unfassbar seine Stimme, unglaublich zeitnah der Text, wunderbar das Bild mit beleuchteten Bäumen, in denen die Sterne tanzten. Ein absoluter Gänsehautmoment und »Das Highlight« des Abends.

Mit ›One Night only‹ aus »Dreamgirls« bewiesen dann die beiden Dreamgirls des Abends, Katja Berg und Susanne Panzner, gemeinsam ihre Stimmgewalt.

Die Dreamgirls des Abends: Susanne Panzner und Katja Berg mit ›One Night only‹ (»Dreamgirls«)
Foto: Ingrid Kernbach

Ein bisschen unverständlich war die Moderation danach, in der Alexander Franzen zwar noch viel Musik versprach, die komme, doch eigentlich kamen nur noch vier Nummern aus dem Musical »Herz aus Gold«.

Das Musical handelt vom Leben des Jacob Fugger. Zu seinen Lebzeiten war er der reichste Mann der Welt und bescherte der Stadt Augsburg Wohlstand und Reichtum. Das Musical wurde von Stephan Kanyar komponiert sowie Andreas Hillger geschrieben und sollte dieses Jahr wieder aufgenommen werden. Nun ist es auf 2021 verschoben. Die Hauptrollen spielen Chris Murray, Katja Berg und Katharina Wollmann.

›Du durftest mich nicht zwingen‹ – Katharina Wollmann (links) und Katja Berg (r.)
Foto: Ingrid Kernbach

Mit den Liedern ›Nach oben‹ (Chris Murray), ›Du durftest mich nicht zwingen‹ (Katja Berg und Katharina Wollmann), ›Wo bin ich geblieben‹ (Katja Berg) und dem Titelsong ›Herz aus Gold‹ (Chris Murray) ging der offizielle Teil des Programms zu Ende.

›You’ll Never Walk Alone‹ – Chris Murray
Foto: Ingrid Kernbach

Aber natürlich forderte das begeisterte Publikum Zugaben. Und so folgte, wie passend für diese Zeit, ›You#ll Never Walk Alone‹ mit Special Guest Kate Allen. Als optisches Highlight waren die Darsteller mit LED-Regenschirmen ausgestattet. Da das Publikum noch weitere Zugaben forderte, gab es dann als allerletzten Titel den ›Time Warp‹ aus »The Rocky Horror Show«, bei der alle fröhlich mit machten, denn Platz hat man ja – »dank Corona« – genug, sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerbereich.

Es war ein großartiges Erlebnis: nach langer Zeit eine so bunte Musicalgala mit Sängern

›You’ll Never Walk Alone‹ – Kate Allen
Foto: Ingrid Kernbach

und Tänzern, mit einem mehr als 10 begeisterten Musikern, für die Stephan Kanyar die Orchestrierungen verfasst hatte. Man konnte es den Zuschauern, aber auch den Mitwirkenden anmerken, wie sehr alle es genossen hatten. Und man kann wirklich nur Danke sagen, dass es Intendant André Bücker geschafft hat, dies zu ermöglichen.

Gratulation an das Staatstheater Augsburg zu dieser gelungenen Veranstaltung. Wir wünschen allen Mitwirkenden und den Besuchern noch viele schöne Shows ohne Regen. Die Musicalgala »The Show Must Go On!« ist im Juli noch an fast 20 Terminen zu sehen. Ein Besuch lohnt sich!

2021 stehen dann die Musicals »Kiss Me, Kate« und »Herz aus Gold« auf dem Spielplan.

Fakten
Musikalische Entwicklung und Einrichtung & Orchestrierung: Stephan Kanyar

›You’ll Never Walk Alone‹ – Katja Berg
Foto: Ingrid Kernbach

›You’ll Never Walk Alone‹ – Susanna Panzner
Foto: Ingrid Kernbach

Musikalische Leitung (vor Ort): Justin Pambianchi
Szenische Einrichtung: André Bücker
Choreographie: Mario Mariano
Dramaturgie: Daniel Herzog

Moderation: Alexander Franzen
Mit den Gästen: Katja Berg, Alexander Franzen, Chris Murray und Susanna Panzner
Vom Haus: Adrian Burri, Christian Bindert, Simon Tobias Hauser, Florian Koller, Elke Kottmair, Manuel Dengler, Janina Moser, Timothy Roller, Bettina Schurek, Helena Sturm, Katharina Wollmann
Special Guest: Kate Allen

Augsburger Philharmoniker