»Es ist einfach großartig, wieder spielen zu dürfen!« – Stephan Kanyar

Über die Musical-Gala(s) »The Show Must Go On!« des Staatstheater Augsburg und die Herausforderung der Covid-19-Auflagen

Vorab aus blickpunkt musical 04/2020

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Stephan Kanyar mit der Partitur zu »Herz aus Gold« anlässlich des CD Release
Foto: Ingrid Kernbach (Ausschnitt)

United Musicals: Herr Kanyar, nach längerer Zeit ohne öffentliche Veranstaltungen startet das Staatstheater Augsburg jetzt mit einer Musicalgala unter dem programmatischen Titel  »The Show Must Go On!« wieder, bei der Sie Musikalischer Leiter und Arrangeur sind.

Stephan Kanyar: Ich habe für die Theaterleitung den Abend entwickelt, die musikalische Einrichtung und die Orchestrierungen gemacht und war bei der Einstudierung dabei. Die musikalische Abendleitung wird aber ein Dirigent vom Haus (Justin Pambianchi) übernehmen.

UM: 22 Konzerte sind geplant. Wie muss sich der Zuschauer das vorstellen?

SK: Natürlich ist diesmal vieles anders. Vor und hinter der Bühne wurden sehr gute und sehr strikte Hygiene-Konzepte entwickelt, die es uns erlauben, tatsächlich jeden Abend vor 550 Zuschauern zu spielen.

Ein Hauptthema dabei ist natürlich die Distanz. Auch auf der Bühne. Vieles was wir an Liebesszenen und großen Chor- und Ensembletableaus gewohnt sind, lässt sich im Moment einfach nicht realisieren. Deshalb auch die Entscheidung: statt »abgespeckter« Versionen der geplanten Stücke »Kiss Me, Kate« und »Herz aus Gold« eine Musical-Gala zu spielen. In diesem Format kann man auf die aktuellen Gegebenheiten einfach viel leichter und besser reagieren.

UM: Was war Ihnen bei den Orchestrierungen des Abends besonders wichtig?

SK: Für mich ist es immer am wichtigsten, dem jeweiligen Stück und seinem Stil möglichst nah zu kommen und gerecht zu werden. Ob es jetzt eine soulige Disco-Nummer aus »Dreamgirls« oder etwas aus »Les Misérables« ist. Da bringt jede Nummer ihre eigenen Bedürfnisse und ihren eigenen Reiz mit. Man muss dem Titel dann gut zuhören und schauen wie man ihn auf die aktuellen Gegebenheiten anpassen kann, denn im Moment sind wir natürlich durch die Vorgaben auch eingeschränkt.

UM: Wo liegen die Schwierigkeiten im Hinblick auf Abstand halten im Orchester? Wie müssen wir uns die praktische Umsetzung der Proben dafür vorstellen?

SK: Auch da gibt es ganz klare Vorgaben, die im Vorfeld entwickelt wurden und an denen man sich dann orientiert. Bei »Herz aus Gold« hätten wir knapp 50 Musiker im Orchester gehabt. Das ist im Moment natürlich, aus Abstands- bzw. Platzgründen, nicht möglich. Wir haben dann verschiedene Konzepte und Besetzungen durchgespielt und sind jetzt bei 19 Musikern plus Dirigent, die die Gala begleiten werden. Im Vergleich zu 50 ist das zwar nicht viel, aber für eine Gala ist das ein ziemlich komfortabler Klangkörper.

Die Umsetzung auf den Proben ist dann relativ einfach: Es gibt einen vorgegebenen und im Hygienekonzept festgeschriebenen Sitzplan. Es gibt strikte Vorgaben, wie lange geprobt und wie lange gelüftet werden muss, und es gibt Vorgaben, wo Masken zu tragen sind. Das ist natürlich für uns alles neu und ein bisschen ungewohnt, aber abgesehen davon probt man wie immer.

»Herz aus Gold« auf der Freilichtbühne am Roten Tor 2018
Foto: Jan Pieter Fuhr

UM: Wie viele unterschiedliche Programme wird es geben? Sicher keine 22, oder?

SK: Nein. Wir haben einen starken Abend entworfen, den wir 22-mal zeigen werden, mit den Highlights aus ganz unterschiedlichen Musicals.

UM: Werden die auftretenden Künstler wechseln?

SK: Die Künstler bleiben, wie auch das Repertoire, gleich. Wir haben (inklusive Solisten und Ensemble) tatsächlich 16 Darsteller, die Abend für Abend auf der Bühne stehen werden. Das Staatstheater Augsburg hat allen Gästen, die für die Sommerproduktionen gebucht waren, einen Platz in dieser Gala gegeben. Das erlaubt uns auch, ein paar Ensemble-Nummern zu machen, die man auf Musical-Galas nicht so oft hört.

UM: Was sind die Herausforderungen an so einem Abend?

SK: Die größte Herausforderung war es sicher, ihn überhaupt möglich zu machen. Das Staatstheater hat sich da mit einer Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit dahinter geklemmt, die ich wirklich bewundere. Es war ein langer Weg, die Konzepte zu entwickeln und die entsprechenden Stellen und Ämter mit ins Boot zu holen. Dafür muss man dem Staatsintendanten André Bücker und seinem Operndirektor Daniel Herzog großen Respekt zollen.

UM: Worauf freuen Sie sich besonders?

SK: Es ist einfach großartig, wieder spielen zu dürfen. Jetzt wo wir wieder Musik machen dürfen, fällt mir erst richtig auf, wie sehr mir das in den letzten Monaten tatsächlich gefehlt hat. Und dass ich bei diesem ersten Abend seit dem Shutdown dann auch noch mit so einem tollen Team arbeiten darf, ist natürlich besonders schön. Mit den Augsburger Philharmonikern verbindet mich ja das Zusammenwirken an »Herz aus Gold« und ich bin wirklich froh, wieder mit ihnen arbeiten zu können. Dazu kommen großartige Solisten wie Katja Berg und Chris Murray und ein wirklich gut aufgelegtes und engagiertes Ensemble. Viel besser kann man es nicht treffen.

UM: Wie ist es Ihnen persönlich in der erzwungen »spielfreien Zeit« ergangen?

SK: Das war für mich – wie für alle – natürlich ein Schock, als plötzlich alles dicht gemacht wurde und, in meinem Fall, nach und nach praktisch das ganze Jahr abgesagt wurde. Da einen Weg zu finden, wie ich als Komponist mit dieser Situation am besten umgehe, hat etwas gedauert. Ich brauchte Zeit, um mein Arbeitsfeld und mich neu zu kalibrieren und an die veränderten Umstände anzupassen.
Natürlich habe ich die Zeit der sozialen Isolation genutzt, um anstehende und geplante Stücke fertig zu schreiben und wir haben auch online – jeder im jeweiligen Home-Studio – ein paar Demos fertig machen können.
Positiv war, dass plötzlich auch Zeit für all jenes da war, wofür im Alltag normalerweise eben keine Zeit ist: Ideen, die ich schon länger mit mir herumtrage wirklich durchzuformulieren, um zu schauen, wie viel Potenzial da wirklich in den Themen steckt, die in der Schublade ruhen, und auch mal abwegigere Stoffe und Projekte wirklich fertig zu denken. Das hat mir viel Freude gemacht und war im Ergebnis zum Teil sehr überraschend.

UM: Gibt es außer »The Show Must Go On!« weitere Projekte? Arbeiten Sie an einem neuen Musical?

SK: Ich arbeite natürlich auch wieder an anderen Projekten. Das nächste konkrete Projekt ist ein Konzert mit Máté Kamarás, das ich Anfang Juli für Sound of Music – Concerts spielen werde und welches dann als Stream zu sehen sein wird. Es geht also tatsächlich, langsam wieder weiter.
Pläne für neue Musicals gibt es natürlich auch. Ich arbeite derzeit mit verschiedenen Autoren an einigen spannenden und vielversprechenden Projekten.

UM: Vielen Dank für diese Einblicke in Ihre Arbeit unter Corona-Bedingungen. Wir wünschen Ihnen und allen Mitwirkenden der Musical-Gala »The Show Must Go On!« erfolgreiche Theaterabende vom 27. Juni bis 31. Juli 2020.

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