Judith Caspari (Anya) über »Anastasia«

Anya folgt ihrer Intuition und ihrem Herzen

Foto: Sandra Reichel

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Am 15. November 2018 feiert das Broadway-Musical »Anastasia« seine deutschsprachige Erstaufführung am Palladium Theater in Stuttgart. Am 8. August 2018 präsentierte Stage Entertainment die Besetzung der Titelrolle im Marmorsaal im Weißenburgpark in Stuttgart. Judith Caspari kam gerade vom Broadway, an dem Stück jetzt seit anderthalb Jahre läuft. Die gebürtige Kasslerin hatte sich in New York dem Originalteam vorgestellt und schon etwas auf ihre neue Rolle vorbereiten können.

United Musicals: Welches war Ihr erster Kontakt mit »Anastasia«?

Judith Caspari: »Anastasia« war der erste Kinofilm, den ich als Kind sehen durfte. Deshalb hat er mich sicher besonders beeindruckt. Ich war von der ersten Minute an in seinem Bann und begeistert von der Figur der Anya.
Später hat mich auch die wirkliche Historie der Romanows fasziniert. Ich interessiere mich generell für Geschichte und bin ein nostalgischer Mensch. Mich reizen beide Geschichten: die wahre und der langjährige Mythos um Anastasia: Ob sie noch lebt oder nicht? Wie Carline (Brouwer) finde ich auch das Geheimnis spannend, das Anya in sich trägt.

UM: Auch wenn der Mythos um Anastasia jetzt entlarvt wurde?

Foto: Sandra Reichel

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JC: (Lacht) Ja, auch dann. Es bleibt eine faszinierende Geschichte.

UM: Sie haben Ihre Ausbildung an Folkwang Universität in Essen gemacht, aber nicht im Bereich Musical. Wie war Ihr Weg?

JC: Das stimmt. Ich habe bis vor Kurzem Operngesang studiert und meinen Bachelor an der Folkwang Universität in Essen gemacht. Allerdings habe ich schon früh neben der Klassik in Crossover-Formaten mitgewirkt und in verschiedenen Musical-Rollen auf der Bühne gestanden. Die letzten zwei Jahre war ich im Jungen Ensemble des Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen. Im Rahmen dessen habe ich Chava in »Anatevka« gespielt, aber auch die Papagena in »Die Zauberflöte« und so zwischen Klassik und Musical variiert. Zur Zeit stehe ich auch noch als Maria in der »West Side Story« am Staatstheater Kassel auf der Bühne.

UM: Ich erinnere mich an eine Dokumentation, die ich zur Kasseler Fassung gesehen habe mit Ihnen als Maria. Neben dem gesanglichen Können und Ihrer angenehmen Stimmfarbe fiel auf, dass Sie gut verständlich waren und vor allem glaubwürdig spielten. Das ist leider nicht immer der Fall.

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JC: Ich möchte gerne Produktionen in der Klassik und im Musical vereinbaren. Ich bin ganz und gar nicht der Meinung, dass Musical einfache Musik hat und Oper das einzig Wahre ist. Mir ist wichtig, dass man von beiden Genres eine Ahnung hat und beide Formen gleich wert schätzt.

UM: Das haben Sie gewiss auch bei der Musik von »Anastasia«-Komponist Stephen Flaherty festgestellt – dass es keine einfache Musik ist. Haben Sie mit Ihm bei Ihrem Besuch
am Broadway persönlich arbeiten können?

JC: Bisher gab es nur ein kurzes Treffen. Wir haben in New York etwas Input von ihm und Lynn Ahrens bekommen sowie uns über die Rolle und das Stück unterhalten.

UM: Wie ist für Sie der Umgang mit den deutschen Texten von Wolfgang Adenberg. Aufs erste Hören der Titel ›Im Dezember vor Jahren‹ und ›Reise durch die Zeit‹ klangen diese auch gesungen gut. Das ist ja sehr wichtig – und nicht nur, dass die inhaltliche Adaption passt.

JC: Ja, das finde ich auch, denn es ist noch einmal eine andere Übersetzung als im Film. Ich finde sie auch sehr gelungen, zumal sich durch sie in manchen Textpassagen noch einmal ganz andere und neue Bilder eröffnen. So kann man das Stück ganz neu entdecken.

UM: Kommen wir zu Ihrer Rolle. Wer ist Anya für Sie?

JC: Anya ist eine junge Frau, die anfangs nicht weiß, wer sie ist. Sie kämpft buchstäblich um das tägliche Überleben. Dennoch spürt sie, dass mehr in ihr steckt und dass sie etwas unternehmen muss. Da ist eine Sehnsucht in ihr, die durch die Erinnerungen, die immer wieder kommen, gestärkt wird.

Judith Caspari (Mitte) mit Regisseurin Carline Brouwer (l.) und Pianist Peter Goller (r.). Foto: Sandra Reichel

Judith Caspari (Mitte) mit Regisseurin Carline Brouwer (l.) und Pianist Peter Goller (r.). Foto: Sandra Reichel

Schließlich folgt sie ihrer Intuition und dann auch ihrem Herzen. Unterstützt und herausgefordert wird sie von Dimitri und den beiden anderen Männern im Stück. Anyas Intuition sagt Ihr, dass in Paris etwas auf sie wartet und trotz aller Widerstände bricht sie dorthin auf. Das ist auch mutig, denn insbesondere im Musical wird deutlich, wie schwierig die politische Situation zu dieser Zeit war. Man konnte nicht einfach aus Russland ausreisen. Trotzdem fliehen die Drei nach Paris.

UM: Wie haben Sie die Auditions für »Anastasia« erlebt?

JC: Für mich waren die Auditions sehr angenehm. Ich bin Auditions aus der Klassik gewohnt und das ist noch mal anders.

Hier war es sehr persönlich und wir waren in einem eher kleineren Raum. Zudem habe ich erlebt, dass das Kreativteam mit mir arbeiten und mich kennenlernen wollte. Das war sehr spannend für mich und hat mir sehr geholfen, meine wahren Qualitäten zu zeigen. Daher freue ich mich schon sehr auf die Arbeit mit dem Team bei den Proben, insbesondere mit Carline. Ich bin sicher, ich kann vieles lernen.

UM: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen eine schöne Probenzeit!