
»Feels Like Home«
Der Gastgeber des Abends in der Ankündigung
Heimisch dürfte sich Christian Alexander Müller in den Räumen des Chemnitzer Kabarettkellers inzwischen doch fühlen. Unter anderem darum trägt sein neuestes Programm wohl den Titel »Feels Like Home«. Verschiedene Konzerte, aber auch Produktionen einiger Kammermusicals brachte Müller in den vergangenen Jahren in den kleinen Saal. Seine im Jahr 2012 mit Geschäftspartnerin Nadine Wagner gegründete Produktionsfirma »Heartmade Productions« rief die Konzertreihe »Simply« ins Leben, mit der unter anderem Musicalgrößen wie Patrick Stanke, Roberta Valentini oder Maike Switzer nach Chemnitz kamen. Am 27. und 29. März 2015 präsentierte Müller nun wieder selbst ein Programm in der gemütlichen Atmosphäre des Kabarettkellers.
Mit Weste und Frack, weißen Turnschuhen, Händen in den Hosentaschen und einer Tasse Tee lotet er als Gastgeber Grenzen zwischen Stil sowie unpassender Privatheit und Klamauk in beide Extreme aus.
Was es zu hören gibt, ist aber jederzeit stilvoll. Mit vielseitigen Stimmfarben zeigt Müller in den differenzierten und stilsicheren Interpretationen sein Können. Er intoniert alle leisen und berührenden Klänge ebenso gut wie die kraftvollen Spitzentöne der Songs. Vollkommen ohne technische Verstärkung entsteht ein intimes Konzerterlebnis, dass dem Publikum die ganze Bandbreite der stimmlichen Möglichkeiten des Musicalsängers präsentiert.

Hervorragende Begleiterin – Marina Komissartchik
Foto: Karim Khawatmi
Stil in jeder Hinsicht beweist Pianistin Marina Komissartchik, welche den Abend hervorragend begleitet. Ihr Spiel ist stets angemessen, präzise und gut artikuliert. Auch sie zeigt hörenswert die Facetten ihres Instrumentalparts und trägt bedeutend zum Gelingen des emotionalen Abends bei.
Neben Müller und Komissartchik steht noch Angelina Biermann als musikalischer Gast auf der Bühne. Die junge Musicaldarstellerin und Schülerin von Christian Alexander Müller absolvierte in diesem Jahr ihren Masterabschluss an der Leipziger Musikhochschule. Auch sie kann mit ihrer Gesangsleistung voll überzeugen und macht neben den beiden erfahrenen Musikern einen hervorragenden Eindruck. In ihren Solos aus Jason Robert Browns »Lieder für eine neue Welt« und Disneys »Arielle, die Meerjungfrau« sitzt jeder Ton und sie kann mit ihrer souveränen Darstellung punkten.
Ebenso gut präsentiert sie die Duette mit Müller, die unter anderem aus Browns neustem Werk »The Bridges of Madison County« stammen. Beide singen sie ebenso klar wie intensiv und Biermann kann mit lyrischen Phrasen einen weiteren Teil ihrer Gesangskunst unter Beweis stellen.

Würdige Bühnenpartnerin – Angelina Biermann
Foto: Joerg Singer
Neben den eher unbekannten Kompositionen von Brown, dem erklärten Lieblingskomponisten des Gastgebers, erklingen noch weitere wohl ausgewählte Werke, die nicht jedem Hörer vertraut sein dürften. Gepaart sind diese mit einigen Dauerbrennern der Musicalliteratur. Insgesamt entsteht dadurch ein sehr abwechslungsreiches, tiefgründiges und dennoch kurzweiliges Programm.
Begonnen wird mit dem Titelsong des Abends ›It Feels Like Home‹. Der Song von John Bucchino entstammt keiner Show und ist im Stil eines Kunstliedes gehalten. Durch seine in sich geschlossene Form kann er wunderbar allein stehen. Schon dieser erste Titel lässt erahnen, womit das Programm aufwartet: intensiver und purer Kunstgenuss.
Es erklingen noch weitere Einzelsongs, zu denen ›How Did I End Up Here‹ von Scott Alan oder ›Anytime‹ aus dem Zyklus »Elegies« von William Finn gehören. Finn komponierte den Song für die Beerdigung einer Freundin. Zusammen mit weiteren emotionalen Titeln bilden sie den ›Song Cycle‹. Diese und andere Storys zu den Werken erzählt Müller sehr einfühlsam und bringt so auch den Zuhörern, die den originalen Text nicht verstehen, die Stimmung der Lieder nahe.
Mit den dargebotenen Songs wird eine intelligente Stückauswahl bewiesen, da sie für solch einen Rahmen komponiert wurden. Alle diese Lieder bestechen mit ihrer Intimität und Tiefgründigkeit, was einzelne Shownummern in diesem Ambiente schwerer erreichen könnten.
Dazu gesellen sich Titel aus, zumindest in Deutschland, noch eher unbekannteren Stücken, wie »If/Then« oder Sondheims »Company«. Eine weitere Nummer aus dem Schaffen Jason Robert Browns lässt Müller zu einem Höhepunkt des Abends werden. Mit ›Das Lied von Schmuel‹ gelingt es ihm, auch in der Konzertsituation, witzig und bildhaft die Geschichte des ›Schneiders aus Klimovich‹ zu erzählen. Genauso bemerkenswert ist ›If I Loved You‹ aus Rodgers‘ und Hammersteins »Carousel«. Hier schafft es der Musicaltenor perfekt sein Timbre zur Geltung zu bringen. Dazu kommt eine kluge Interpretation, die sich u. a. in untypischen, aber wohl überlegten Atmungen zeigt. Er singt mit vollem Klang, kann in den Höhen aufblühen, doch auch zeigen, wie geführt er die Stimme zurück nehmen kann.
Komplettiert wird der Abend mit Titeln aus den Kassenschlagern »West Side Story«, »Les Misérables« und »Das Phantom der Oper«. Diese Songs interpretiert er mit intelligenter Sprachbehandlung, differenzierter Klanggestaltung im Kopf- wie Brustregister und einfühlsamer Darbietung. So gelingt es Müller, bemerkenswerte Versionen von ›Something’s Coming‹, ›Stern‹, ›Bring ihn heim‹ oder ›Musik der Nacht‹ zu schaffen und neue Facetten der altbekannten Lieder zu zeigen.
Am Ende des Konzerts dürften sich auch die Gäste im Kabarettkeller sehr heimisch gefühlt haben, zumal sich Christian Alexander Müller als charmanter Gastgeber beweist. Dem Abend gelingt es, neue Einblicke in die Vielfalt der Musicalliteratur zu geben, sei es durch die Interpretationen der Standards oder das Weiten des Blicks auf versteckte Schätze.
Auf dem Weg zur persönlichen Heimat konnte das Publikum besondere Musik mitnehmen, um sich dort neu heimisch fühlen zu können… Feels Like Home.