‚Der Besuch der alten Dame‘ in Wien — noch 9 Tage bis zur Premiere

Am 19. Februar erlebt ‚Der Besuch der alten Dame‘ seine große österreichische Theaterpremiere im Wiener Ronacher.

Anlässlich der Presseprobe mit Regisseur und Hauptdarstellern am 10. Februar 2014 konnten wir Stimmen von Regisseur Andreas Gergen sowie von Pia Douwes, welche die Titelrolle der Claire Zachanassian verkörpert, undUwe Kröger, der ihre ehemalige große Liebe, Alfred Ill, spielt, einfangen.

Veränderungen von der Open-Air-Produktion in Thun zur Theaterproduktion in Wien

Claire Zachanassian (Pia Douwes) und ihre Bodyguards (v.l.): Peter Kratochvil, Dean Welterlen und Jeroen Phaff © Sonja Koch

Claire Zachanassian (Pia Douwes) und ihre Bodyguards (v.l.): Peter Kratochvil, Dean Welterlen und Jeroen Phaff © Sonja Koch

Andreas Gergen: Die Szenen funktionieren viel intimer. Wir finden andere gestische Mittel, die viel kleiner, viel filmischer, viel subtiler sind, als auf der Open-Air-Bühne. Wir haben ein anderes, viel realistischeres Bühnenbild.
Was in Thun sehr symbolisch funktioniert hat, funktioniert hier, im Theater, eher durch den Realismus. Das wiederum macht Lust auf große Gefühle, die hier, im Ronacher, sogar noch besser funktionieren und das Stück auch noch nachvollziehbarer für den Zuschauer machen.

Pia Douwes: Wir haben in Thun kein Bühnenbild gehabt. Es war Open Air, was einen Riesenunterschied macht. Hier haben wir die Geborgenheit eines Theater, in dem klarer wird, wo auf der Bühne der Fokus liegt. Außerdem verweht es weder den Gesang noch die Haare oder Kostüme und man wird auch nicht von wunderschönen Bergen im Hintergrund abgelenkt. Weitere Unterschiede sind das gewaltige Bühnenbild, es wurden neue Melodien geschrieben, und die Geschichte wurde heutiger.

Uwe Kröger: Hier in Wien kommt Baustein für Baustein zusammen. Die Darstellung wird im Theater räumlicher und konkreter. Durch das Bühnenbild im Theater wird die Produktion noch Thriller-artiger. Auch die Lichteffekte verstärken die Stimmung. Für mich war Thun ein Probedurchlauf. Jetzt kann ich die Rolle und Momente konkretisieren. Manche Szenen wurden leicht verändert und ein paar extra erklärende Szenen und Lieder eingebaut.

Die Herausforderungen des Stücks

Andreas Gergen: Die Herausforderung ist, in einem Musical, bei dem theatrale und andere Mittel hinzukommen, trotzdem den Geist Dürrenmatts einzufangen und auf seinen Spuren zu wandeln. Dürrenmatt hat seine Claire Zachanassian ambivalent gesehen und bevorzugte ihre Darstellung als zerrissene, empfindungsvolle, nicht nur eiskalte Frau. Hierfür ließen wir die Interpretation Christiane Hörbigers im Film in das Stück einfließen. Alfred Ill wird nicht von Anfang an als jämmerlicher Waschlappen dargestellt, er sucht im Zuge des Stückes nach verschiedenen Auswegen und macht seine Erfahrungen.

Pia Douwes: Für mich war es eine große Herausforderung, mit einem steifen Bein zu gehen, und noch eine größere Herausforderung, die rachsüchtige Claire Zachanassian zu spielen. Ich bin das absolut nicht! Ich glaube sehr stark an Vergebung, weil es eine der kräftigsten Energien im Leben ist. Deshalb war es eine schöne Herausforderung zu schauen: Warum wird eine Frau so? Sie ist ja nicht böse und sie war ja nicht böse. Sie war ein Sonnenschein und ist so geworden, weil sie von einer ganzen Gemeinde verbannt und verleugnet und von Alfred Ill verlassen wurde. Sie hat ein Kind verloren, einen Unfall gehabt und ist auf den Strich gegangen und hat sich infolgedessen zur rachsüchtigen Geschäftsfrau entwickelt. Die Menschen sind nicht so. Sie werden erst dazu. Meine Herausforderung war es, herauszufinden, warum kann sie nicht vergeben.

Uwe Kröger: Für mich war es eine Herausforderung, den Verfolgten, Gepeinigten zu spielen. Wir haben in Thun ‚Lola rennt‘ in ‚Uwe rennt‘ umbenannt, da ich das ganze Stück über auf der Bühne und auf der Flucht bin. Im Theater wird die Darstellung räumlicher, konkreter und zeitlicher durch die Bühnenwechsel, aber das Laufen in Thun war für mich wichtig zur Rollenfindung. Hier, im Ronacher, gibt es andere Auf- und Abgänge, es wird anders gespielt und „finegetunt“. Ich genieße hier im Theater das wunderschöne Bühnenbild, die wundervollen Requisiten und das fast filmische Set. Dieses aufwendige Bühnenbild birgt neue Aufgaben: Wie öffne ich die Tür? Wo muss ich hin, damit ich nicht erschlagen werde? Was mich besonders freut ist, dass ich hier, im Ronacher, einen wunderschönen Krämerladen im Vergleich zu den Kisten in Thun habe.

Die Situation 9 Tage vor der zweiten Premiere – nach Thun – mit dem Stück in Wien

Andreas Gergen: Es gibt noch viele Dinge zu organisieren, aber wir sind jetzt so weit, vor ein Publikum zu treten. Morgen geschieht dies endlich zum ersten Mal. Wir scheuen nicht die Reaktionen des Publikums. Wir werden Fragebögen verteilen und sehr wohl auf unser Publikum hören und jeweils am darauffolgenden Tag die eine oder andere Anregung auch in die Tat umsetzen. Bis zur letzten Preview sind wir in der Probenphase und erst am letzten Tag der Previews sprechen wir ein sogenanntes „Freeze“ für die Show aus. Das heißt, da wird die Show eingefroren und dann wird der Segen für die Show gegeben, und so behalten wir die Show dann für die Vorpremiere und die Premiere bei.

Mathilde und Alfred Ill (Masha Karell und Uwe Kröger) © Sonja Koch

Mathilde und Alfred Ill (Masha Karell und Uwe Kröger) © Sonja Koch

Eigentlich sind die beiden Produktionen nicht zu vergleichen. Es ist hier wie eine Uraufführung. Es sind neue musikalische Stücke dazu gekommen, neue Choreographien, neues Lichtdesign, neues Bühnenbild und infolgedessen wurde auch teilweise das Kostümbild verändert. Ich würde sagen, diese Produktion fühlt sich ganz anders an. Für mich sind es wirklich zwei paar verschiedene Schuhe.

Ich versuche den Druck, den es bei jeder Premiere gibt, nicht an mich heran zu lassen. Ich versuche, ihn als Spaß zu kompensieren, so wie man das auch als Darsteller auf der Bühne vor einer Premiere macht, dass man versucht, die Energie, die natürlich auch Nervosität und Stress mit sich bringt, ins Positive zu verkehren. Ganz oben steht die Sache und lenkt auch die Arbeit ab. Wir wissen natürlich auch, dass es ein Wettlauf mit der Zeit ist, aber wir sind genau dort, wo wir sein müssen in unserem Zeitplan.

Pia Douwes: Es ist sehr spannend! Wir haben ja schon in Thun gespielt. Da war ich nervös, ob alles funktioniert und ich hatte Angst, mich nicht in die Rolle eingefunden zu haben. Jetzt ist das eine andere Nervosität. Ich bin eher nervös, weil ich wieder in Wien bin und meine Familie und Freunde kommen. Vor denen zu spielen, ist immer gleichzeitig das Schlimmste und das Schönste.

Uwe Kröger: Für mich ist es ein ganz neues Stück und eine ganz eigene Premiere. Ich bin an sich ein sehr nervöser Mensch. Ich lege mir die Latte immer selbst sehr hoch und erreiche meine Ziele nicht immer innerhalb einer Szene bzw. Vorstellung. Man muss von A nach B nach C gehen. Pia ist da ähnlich. Wir sind ein gutes Team. Die eigentliche Nervosität wird bei mir 20 Minuten vor der Premiere ausbrechen. Aber Pia und ich haben mit den Jahren gelernt, die Nervosität zu akzeptieren, anzunehmen und uns gut vorzubereiten. Da gibt es kein Patentrezept. Gott sei Dank!