Das Musical von Dirk Michael Steffan und Michael Tasche hat eine der bewegendsten Weihnachtsgeschichten als Grundlage, ‚A Christmas Carol‘ von Charles Dickens, in der drei Weihnachtsgeister in der Nacht vor Weihnachten den geizigen, verhassten und einsamen Pfandleiher Ebeneezer Scrooge in einen großzügigen, liebenswerten und glücklichen Menschen verwandeln. Dass jeder Mensch zu jeder Zeit fähig ist, sich zu ändern, ist auch die Botschaft des Musicals, das seit seiner Uraufführung im TheatrO CentrO in Oberhausen (2001) jedes Jahr an einem anderen Standort in Deutschland gastiert. Immer wieder wurden Texte überarbeitet und auch die Orchestrierung angepasst. Bereits 2009 war es im Capitol Theater in Düsseldorf zu sehen, wohin es in dieser Spielzeit mit der Besetzung der Weltpremiere zurückkehrt – mit Kristian Vetter als Scrooge und Peter Trautwein als Marley.
Kristian Vetter geht in der Rolle des rücksichtslosen Geizhalses bis an die Grenze zur Karikatur, dabei gelingt ihm die Gratwanderung, Scrooge, trotz der deutlichen Überzeichnung, nicht zu einer unsympathischen Witzfigur werden zu lassen. Immer wieder lässt Vetter sichtbar werden, dass Scrooge wohl verbittert und von den Menschen enttäuscht ist, aber kein Herz aus Stein besitzt. Ebenso stark, wie er den kauzigen Alten spielt, sind die Momente, in welchen Kristian Vetter mit der inneren Auseinandersetzung (Was habe ich getan), Verzweiflung (Ein Leben lang II) und nicht zuletzt mit seinem prägnanten hohen Bariton, in den er viel Wärme zu legen vermag, berührt. Nur deshalb ist glaubhaft, dass die Menschen sich am Ende über den neuen liebenswerten Scrooge freuen.
Peter Trautwein durchbricht als Jacob Marley die vierte Wand und zieht mit seinem Schicksal des an die Erde geketteten Geistes (Ich bin ein Geist) das Publikum in die Geschichte hinein. Er erfüllt seine Aufgabe, seinen Freund Ebeneezer vor einem Schicksal wie dem seinen zu bewahren, mit Verve und charmantem, humorvollen Spiel voll sprechender Mimik, sodass sein Marley zu weit mehr als nur einem Erzähler der Geschichte wird. Gesanglich harmnoniert der gestandene Bariton, der auch im Opernfach unterwegs ist, sehr schön mit Vetter, aber auch mit Stefanie Hertel, welche in diesem Jahr in der Rolle des Engels der Weihnacht zu sehen ist.
Dieser ersetzt in Dirk Michael Steffans und Michael Tasches Stück die drei Weihnachtsgeister der Dickens’schen Vorlage und zeigt Scrooge die vergangene, gegenwärtige und eine mögliche zukünftige Weihnacht, wobei in dem Familienmusical auf die grausigen Bilder dessen verzichtet wird, was geschehen könnte, wenn Scrooge sich nicht ändert. Stattdessen zeigt der Engel Scrooge, wie sich die Menschen über einen verwandelten Scrooge freuen, um dem unsicher Zögernden, welcher sich selbst nicht traut, einen letzten Anreiz zu geben, sich zu ändern.
Stefanie Hertel erweist sich in der Doppelrolle Engel/Belle gesanglich als großer Gewinn. Sie beweist, dass sie nicht auf die Art, Schlager zu singen, reduziert werden kann und überzeugt mit glockenklarer, kraftvoller Gesangsstimme. Auf der Drehbühne fühlt sie sich am Premierenabend noch etwas unsicher und ihre Schauspielpartien im zweiten Teil ihrer Doppelrolle, als Scrooges einzige Liebe Belle, wirken etwas hölzern, als ob zu wenig Zeit war, um in Personenregie an der Rolle zu arbeiten. Das ist umso bedauerlicher, da der Engel nicht, wie noch in früheren Produktionen im Hintergrund steht und beobachtet und leitet, sondern vorne an der Rampe steht und agiert. Am sichersten wirkt Stefanie Hertel, wenn ein starker Spielpartner sie fordert, wie beispielsweise Patrick Adrian Stamme als Junger Srooge, der mit ihr zusammen die Szene und das schöne Duett Ein Leben lang hat.
Insgesamt weist das Ensemble gute Tänzer und Sänger auf. Schauspielerisch und gesanglich fällt vor allem Julia Felthaus als Mrs Cratchit/Mrs Pillbox auf. Der junge Bennet Pappe mit seinem Kindersolo Hoch am Himmel und seiner enormen Spielfreude gehörte schon zur Besetzung von ‚Kein Pardon!‘ im Capitol Theater Düsseldorf.
Bewegend in seiner strahlenden Freundlichkeit verkörpert Michael Zaremba das Schicksal von Timmy, der allen Menschen Gutes wünscht, auch wenn er selbst sehr krank ist. Zaremba wirkt von seiner Statur und Stimme schon etwas zu erwachsen für die Rolle, die allerdings auch einiges an schauspielerischer Fähigkeit verlangt.
Inszeniert hat das Musical in diesem Jahr Craig Simmons, der bereits 2003 in Oberhausen, 2006 in Berlin wie auch 2007 in Duisburg Regie führte. Er katapultiert das Stück mit rasantem Tempo in den Tanzchoreographien und lebendigen Aktionen auf der Bühne in unsere Zeit, wobei er beim Auftreten der Geister Anleihe bei der Ewigkeit-Choreographie von ‚Tanz der Vampire‘ nimmt. Durch die Lichtgestaltung von Manuel de Costa wird das Stück auch den heutigen Sehgewohnheiten angepasst: Movinglights mit farbigen Lichtkegeln beleuchten die Szene wie in einer großen Show und abgesehen von der Friedhofsszene gegen Ende ist die Bühne hell erleuchtet. Manchmal ersehnt man in diesem immens schnellen Ablauf mit seinen flüssigen Übergängen einen Moment des Innehaltens, um die berührende Geschichte und die immer wieder ansprechenden Songs des Weihnachtsmusicals auf sich wirken lassen zu können. Mit Was habe ich getan in Akt 1 und Wie ein Wunder wie auch Ein Leben lang in Akt 2 gibt es auch Augenblicke größerer Stille.