- 15. Dezember 2013
- St. Katharina in Blankenberg (bei Hennef)
- ‚Junge Singfonie‘ & ‚MusicAl Dente‘, Leitung: Chordirektor Wolfgang Harth
- Solistin: Wilma Harth (Sopran)
- Stargast: Chris Murray
- Am Piano: Stephan Kanyar
Seit 12 Jahren präsentiert Chordirektor Wolfgang Harth in der St. Katharina Kirche im historischen Städtchen Blankenberg im Bergischen Land ganz besondere Adventskonzerte: Weihnachtliche Lieder treffen auf Musical, Chanson und Pop. Dabei dienen die Lieder der Illustration einer Weihnachtsgeschichte, die Wolfgang Harth eigens konzipiert und dafür die Chorsätze anpasst und auch schon mal eigene Arrangements schreibt, wo es keine gibt.
Auch am 15. Dezember 2013 hieß es wieder ‚A Celebration of Christmas‘ mit den beiden Chören ‚Junge Singfonie‘ und ‚MusicaAl Dente‘ sowie Opern- und Konzertsängerin Wilma Harth, gleichzeitig selbst Chorleiterin, die gemeinsam mit den Sängerinnen und Sängern, solistisch und im Duett mit dem Stargast des Konzertprogramms zu hören war.
Wegen der großen Nachfrage fanden am gleichen Tag zwei ausverkaufte Weihnachtskonzerte mit Stargast Chris Murray (u. a. ‚Les Misérables‘, ‚Friedrich – Mythos und Tragödie‘, ‚Jesus Chris Superstar‘, ‚Rockoper ChristO‘, ‚Jekyll & Hyde‘, Stephan Kanyars ‚Shylock!‘, ‚The Scarlet Pimpernel‘ und Dirk Michael Steffans ‚Vom Geist der Weihnacht‘) statt, die von Pianist und Komponist Stephan Kanyar (‚Shylock!‘, ‚Die Erschaffung der Welt‘, ‚Lulu – Das Musical‘, ‚Frankenstein‘) am Flügel begleitet wurden, wobei dieser auch immer wieder kleine Soloteile hatte, beispielsweise in der wunderschönen irischen Ballade Danny Boy und in Irving Berlins White Christmas.
Schauspielerin und Sprecherin Lena Sabine Berg liest die bewegende Geschichte von Peter, der mitten im hektischen Weihnachtsgeschäft, bepackt mit vielen Geschenken für die Familie und verärgert darüber, dass er diese im letzten Moment kaufen müsste, weil er zuvor keine freie Minute hatte, mit einem kleinen Mädchen zusammenstößt. Nachdem er die Kleine, die Frau Berg mit leicht östlichem Akzent spricht, angeranzt hat, besinnt er sich und verspricht ihr Süßigkeiten als Entschuldigung für seine Grobheit. Gemeinsam illustrieren Chris Murray und Stephan Kanyar mit einem swingenden Jingle Bells, reich an rhythmischen Akzenten, die Freude, die das Mädchen mit den großen braunen Augen, die Peter nun anstrahlen, bei diesem Versprechen empfindet. Die Kleine ist nicht von hier, sondern eine Waise, die ihre Eltern im Krieg verloren hat und nun im fremden Deutschland bei einem Onkel untergekommen ist. Irgendwie klingt dies für ihn fast wie ein Gebet. The Prayer von David Foster, gesungen in einem emotionalen Duett von Wilma Harth und Chris Murray, illustrierte des Kindes Sehnsucht nach einem Ort der Sicherheit und nach einem Licht, das auf den Wegen sein Stern ist (Dem Programmheft lag eigens eine Übersetzung der aussagekräftigen Songs dieses Abends bei). Auf der einen Seite hat Peter Mitleid mit dem einsamen Kind, das alleine durch die fremde Stadt streift und vielleicht gar nicht weiß, was Weihnachten ist. Hierzu passte sehr schön der Song aus ‚The Phantom of the Opera‘, den der 9-köpfige Chor ‚Junge Singfonie‘, bestehend aus 6 Frauen und 3 Herren intoniert: Learn to Be Lonely.
Auf der anderen Seite ist ihm das Kind irgendwie lästig mit all seinen Fragen, mit denen es ihn löchert. Es versteht nicht, weshalb Peter keine Lust hat, Weihnachtsgeschenke zu kaufen und fragt, weshalb die Erwachsenen immer so rennen. Verbittert stößt er hervor, dass er Kindern die Zeit zum Spielen neidet. Seelenvolle und erstaunte Augen sehen ihn an: „Haben Erwachsene denn keine Zeit mehr zum Spielen? Ist es ihnen verboten?“Song aus ‚Tabuluga und die Suche nach der Vernunft‘ ihr Gefühl: Ich wollte nie erwachsen sein. Peter erklärt ihr, dass er das Geld verdienen muss, damit er seine kleine Familie ernähren kann. „Magst Du sie und mögen sie Dich?“auch Weihnachten. Wann haben er und seine Frau sich das letzte Mal bewusst wahrgenommen, fragt er sich. Chris Murray bringt an dieser Stelle einen sehr passenden, nachdenklich machenden Beitrag: Cat’s in a Cradle ist fast schon eine ergänzende Geschichte von einem Jungen, der seinen Vater zu verschiedenen Abschnitten seines Lebens immer wieder fragt, wann er für ihn Zeit hat. Aber der Vater hat nur wenig Zeit und wehrt ihn immer wieder ab. Am Ende seines Lebens wünscht sich der Vater, etwas von seinem Sohn zu haben, doch der hat jetzt keine Zeit für den Vater – denn er ist wie er geworden.
Endlich kauft Peter dem kleinen Mädchen die Süßigkeiten und es freut sich sehr (Joy to the World). Gemeinsam verzehren sie die süßen Geleestücke und Peter beobachtet die Einkaufenden. Er denkt an die Weihnachtsgeschichte und fragt sich, ob das Jesus-Kind wohl wollte, dass so sein Geburtstag gefeiert wird: Bethlehem wäre unter Geschenkpapier buchstäblich verschwunden. Was passt an dieser Stelle besser als der Choral Bethlehem aus Claude-Michel Schönbergs und Alain Boublils ‚Martin Guerre‘. Nach und nach traten die Mitglieder des Chores ‚MusicAl Dente‘ zu ihren Kollegen und durch das Kirchenschiff kamen weitere, die ihre mitgebrachten Kerzen am Fuß des Chores abstellten und sich dazu gesellten. An die 100 Sängerinnen und Sänger füllten die Kirche mit ihren guten, klar verständlichen Stimmen.
Während das Mädchen Peter unaufhörliche neue Fragen stellt, die ihn zwingen sich aus ihrem Blickwinkel sein Leben anzuschauen, behält er seine Fragen zuerst für sich. Ob sie Weihnachten kennt? Jay Althouses großes Spiritual Christmas Kum Ba Ya, das Gospel und afrikanische Tradition vereint, erklang, gesungen von beiden Chören.
Dann rutscht ihm heraus, dass er sein Leben manchmal hasst. Sie fragt ihn: „Was ist Hass?“Er versucht, es ihr zu erklären, scheitert aber. Schließlich sagt er: „Hass macht blind, es ist ein ganz böses Gefühl, fast als wäre man krank. Aber es hat auch mit Sehnsucht zu tun.“Endlich ein Wort, das sie kennt und sie erzählt von ihren bescheidenen, aber unerfüllbaren Träumen. Wilma Harth brachte mit ihrer klaren Stimme hierzu The Impossible Dream des ‚Man of La Mancha‘. Von Träumen erzählte auch Chris Murray in seinem gesanglichen Dialog mit Stephan Kanyar am Klavier mit White Christmas.
Als es beginnt zu schneien, schaut Peter auf die Uhr und sagte, er müsste jetzt nach Hause, aber die Kleine muss dringend zur Toilette. Ihm zurufend, dass sie wisse, wo diese im Kaufhaus zu finden sei, läuft sie los und Peter mit den Einkaufstüten hinterher. Schnaufend bleibt er in der großen Eingangshalle stehen. Da keine Sitzgelegenheit zu sehen ist, lässt er sich schließlich auf dem Boden nieder, um zu warten. Auf einmal sieht er alles aus dem Blickwinkel des kleinen Mädchens, die rennenden Beine, die schimpfenden Menschen auf Geschenkejagd im Weihnachtstrubel. „Was hat diese Hektik noch mit Weihnachten zu tun?“fragt er sich. Blind vom Licht der vielen Kerzen aus ‚Marie Antoinette‘ intoniert der Chor in einem speziellen Arrangement von Chordirektor Wolfgang Harth, das in der Kirche seine besondere Wirkung entfaltet und die Geschichte unterstreicht.
Mit einem Mal steht ein anderes kleines Mädchen vor Peter, das ihn mit großen blauen Augen ansieht und fragt: „Wie geht es Dir?“Peter sagt ehrlich: „Ich bin sehr müde.“Doch die Kleine redet schon weiter, sie wisse, dass es ihm nicht gut gehe, denn ihre Mutter sage, er sei obdachlos. Und man solle an Weihnachten nicht nur an schöne Geschenke denken, sondern auch an die Menschen, denen es nicht so gut geht. Sie zieht eine Münze aus der Tasche und dreht sie unschlüssig in den Händen. Schließlich fasst sie Mut, beugt sich nach vorne, streicht Peter mit der Hand über die Wange, streckt ihm die Münze hin, die er sprachlos nimmt und wünscht ihm: „Frohe Weihnachten.“ Dann läuft sie davon. Kein Lied könnte die Erkenntnis des Mannes besser zusammenfassen als Udo Jürgens‘ Es werde Licht mit Text von Wolfgang Hofer und adaptiert von Wolfgang Harth, der kritisch die Geschenkeflut in Kinderzimmern als Ersatz für die Liebe der Eltern beleuchtet und stattdessen mit den Stimmen beider Chöre Frieden in den Herzen wünscht – das nicht nur in der Weihnachtszeit. Er lächelt, als die Kleine zurückkommt von ihrem Ausflug und feststellt, dass ihm irgendetwas Freude macht. Peter erstaunt die besondere Gabe des Beobachtens und Zuhörens der Kleinen, etwas geschieht mit ihm. Wie auch das Herz des geizigen verbitterten Ebeneezer Scrooge in Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte das Gezeigte rührt. Davon sang Chris Murray in Was habe ich getan aus ‚Vom Geist der Weihnacht‘ und auch von der Angst, die Zeit nicht zurückdrehen zu können und seiner leisen Hoffnung, doch noch etwas ändern zu können.
Peter will das Mädchen nach Hause bringen und frag sie, wo sie wohnt. Als sie ihm erzählt, dass sie direkt neben dem Bahnhof lebt, ist er erschrocken – „aber irgendwo muss ich doch leben“, sagt sie. Peter kommt der Stall von Bethlehem in Erinnerung, der auch die letzte Bleibe war für zwei, die sonst nichts gefunden hatten. Mit den letzten Sonnenstrahlen in den Kirchenfenstern brachte der große Chor die Hymne Morning Has Broken, die durch die Version von Cat Stevens berühmt wurde, in einer Adaption von Wolfgang Harth zu Gehör.
Peter fährt die Kleine bis zum Asylantenheim. Bevor sie geht, hat sie noch eine Frage: „Hast Du Zeit zum Spielen mit Deinem Jungen?“ Sofort antwortet er: „Natürlich“, aber das stimmt nicht. Er sieht ihr nach – da kommt sie noch einmal zurück und wünscht ihm frohe Weihnachten. Als sie geht, weint er, die Begegnung mit dem kleinen Mädchen hat ihn verändert. Chris Murrays sanfter Vortrag von Danny Boy zu Stephan Kanyars empathischem Spiel wird an dieser Stelle zu einem stillen Gebet. Mit teilweise geschlossenen Augen sinniert er über Licht und Schatten auf der Welt.
Peter kommt zu Hause an und lässt die Einkaufstaschen mit den Geschenken für seinen Sohn im Wagen. Unter den Baum legt er nur die Geschenke für seine Frau. Dann geht er mit einem Kinderbuch in der Hand zu seinem Jungen. Wie groß er geworden ist! Davon singt auch Wilma Harth, die sichtlich emotional berührt Durch meine Finger rinnt die Zeit aus dem ABBA-Stück ‚Mamma Mia!‘ etwas hoch ansetzt.
An diesem Weihnachtsabend bei Peter und seiner Frau gibt es keine Fotos von einem Jungen mit der neuesten Spielkonsole, sondern einen Vater, der seinem Sohn den ganzen Abend Geschichten vorliest, bis er müde wird. Billy Joels Lullabye als Duett zwischen Chris Murray und Wilma Harth illustriert diese Stimmung.
Schließlich geben die Erwachsenen einander ihre Geschenke. Peter nimmt seine Frau an den Händen und dankt ihr, nicht nur für die Geschenke – dafür, dass sie für ihn da ist, dass sie ihn liebt: You Raise Me Up (beide Chöre). Er führt sie zum Tisch und stellt eine Kerze in die Mitte. Irgendwo hat er diese tiefbraunen seelenvollen Augen heute schon einmal gesehen. Wie konnte ihrer beider Liebe nur so selbstverständlich werden. Er fragt sie: „Wie geht es Dir?“ und beide weinen.
Den offiziellen Abschluss nach dem Ende dieser bewegenden Weihnachtsgeschichte macht das von Chris Murray, Wilma Harth und beiden Chören gesungene sehnsuchtsvolle Einmal aus Alan Menkens ‚Der Glöckner von Notre Dame‘.
Danach nimmt Chris Murray das Mikrophon und erklärt, am Ende dieses so aussagekräftigen Programms wolle er keine rhythmische Stimmungszugabe geben, sondern er wolle einen persönlichen Beitrag leisten. Die ABBA-Gründer Benny Andersson und Björn Ulvaeus haben nach dem Auseinandergehen der erfolgreichen Gesangsformation ihr Wissen in die Förderung junger schwedischer Komponisten gesteckt. Einer von ihnen ist Per Erik Moraeus, der das Traditional Koppången geschrieben hat. Der Song geht nicht nur Chris Murray zu Herzen, der das Publikum vor dem Vortrag einstimmt mit der Erzählung des Inhalts und eine ganz besondere Atmosphäre schafft – so dass nach dem schlichten und gleichzeitig strahlend schönen Gesang ein Moment Stille herrscht, ehe die Kirche vor Applaus bebt. Unterstützt wurde er von den Sängerinnen und Sängern, die ihren Einsatz mit der Herstellung der Geräuschkulisse eines Schneesturms hatten.
Den Abschluss machte O Holy Night, da es für den Stargast bei keinem Weihnachtskonzert fehlen darf. Damit lockerte die Stimmung wieder auf, zumal hierbei etwas organisiert werden musste. Gemeinsam und heiter wurde in das Notenbuch von Wilma Harth geschaut und am Klavier von Stephan Kanyar improvisiert.So endete ein rundum gelungenes weihnachtliches Konzert, dessen mehr als zwei Stunden geistiges und musikalisches Genießen im Fluge vergangen sind.