Wenn der Komponist zum Begleiter wird

Pia Douwes über die Konzertaufnahme 'Frank Wildhorn & Friends' und 'Rebecca'

Pia Douwes steht kurz vor ihrer Deutschlandpremiere als Mrs. Danvers mit ‚Rebecca‘ in Stuttgart, wo sie bereits in der Titelrolle von ‚Elisabeth‘ und als Milady de Winter in ‚3 Musketiere‘ zu erleben war.

Pia Douwes. Foto: Roy Beusker

Pia Douwes. Foto: Roy Beusker

Im Oktober erschien die Doppel-CD zu dem außergewöhnlichen Konzert ‚Frank Wildhorn & Friends‘ im Wiener Raimund Theater, bei dem Pia Douwes gemeinsam mit Broadway-Star Linda Eder und Thomas Borchert Lieder aus Musicals von Frank Wildhorn interpretierte.

um: Seit der Premiere 2002 im New Yorker Studio 54 gibt es das Konzertformat ‚Frank Wildhorn & Friends‘. Die Europapremiere war 2007 in Budapest. Seit wann gehören Sie zu den Solisten, und wie kam es dazu?

PD: Seit Frank Wildhorn mit ‚Frank Wildhorn & Friends‘ nach Europa kam, sind Thomas Borchert und ich dabei. Wir sind beide sehr gut mit ihm befreundet, und sein Manager Michael Staringer war früher mein PR Manager in Österreich. So hat sich das irgendwie entwickelt. Der erste Auftritt war in Budapest und danach auch in Graz mit zwei Darstellern aus Ungarn.

Für unser Wiener Konzert ist Linda Eder dazu gekommen. Sie wollte einfach die ganze Familie noch einmal sehen, da ihr Vater aus Österreich kommt. Linda lag daran, einmal ein Konzert in dessen Heimat zu geben, und damit zu zelebrieren, dass sie eigentlich Halbösterreicherin ist. Das Lied Vienna hat Frank Wildhorn extra für sie geschrieben. Dass sie es dann auch in Wien singen konnte, war für sie natürlich besonders schön.

um: Was charakterisiert die Arbeit von und mit Frank Wildhorn?

PD: Zuerst einmal muss ich sagen, dass er wahnsinnig gute Lieder für Frauen schreibt, man merkt, dass er Frauen liebt (lacht). Und das äußert sich wirklich in seiner Musik, indem er wunderschöne Songs schreibt, die auch toll zu singen sind. Die Texte sind sehr schön und er verfolgt musikalisch immer eine schöne Linie.

Ich denke, es zeichnet ihn auch aus, dass, wenn man mit ihm zusammenarbeitet, wie jetzt bei ‚Frank Wildhorn & Friends‘, er es auch genießt, wenn man seine Musik interpretiert.

Er sitzt dann am Klavier und schaut dich mit einem großen Lächeln an und genießt es, wenn man ihn ansieht, mit ihm singt und mit ihm Musik macht. Ich glaube, für ihn ist einfach zusammen Musik zu machen etwas sehr Schönes.

Das strahlt er auch aus, wenn er auf der Bühne ist. Er ist dann nicht in seinem Klavierspiel gefangen, sondern immer ganz bei dir und begleitet dich. Das finde ich sehr schön. Er wird zu einem Begleiter, jemandem, der mit dir zusammen etwas schafft. Auch in den Gesprächen mit ihm merkt man, dass es dann nicht um ihn geht, sondern um dich und das, was du aus seiner Musik machst.

um: Ihre Interpretation!

PD: Und er lässt einem da viel Freiraum. Wenn er merkt, dass du in eine ganz andere Richtung gehst, hilft er schon. Aber ich muss sagen, bei mir ist er immer ziemlich locker gewesen, weil ich gleich verstanden habe, worum es bei ihm geht.

um: Gab es Titel, die Sie besonders gern interpretiert haben?

PD: Erst einmal muss ich sagen, dass ich es sehr genossen habe, dieses Konzert zu singen. Es war nicht leicht, weil ich zehn neue Nummern einstudieren musste. Denn die Songs, welche Linda gesungen hat, habe ich meist in den vergangenen Konzerten gesungen.

Jetzt musste ich neue Titel einstudieren. Das war viel, da ich in dieser Zeit achtmal in der Woche ‚We Will Rock You‘ in Holland gespielt habe, und die Texte der Balladen sind lang, aber es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Dann hatten wir auch nur eine Probe. Wir haben einmal geprobt, und am nächsten Tag gleich das Staging mit dem Orchester gemacht. Einen Tag später war schon das Konzert.

An diesem Abend habe ich jeden Titel genossen und vor allem den Zusammenklang mit dem herrlichen Orchester der Vereinigten Bühnen Wien.

Ein Lied war besonders speziell für mich, und zwar Please Don´t Make Me Love You aus ‚Dracula‘, da ich die Nummer als Erste auf Englisch im europäischen Bereich singen durfte. Only Love (‚Rudolf‘) war sehr schön und einfach zu interpretieren.

Pia Douwes bei der Präsentation des Musicals 'Rebecca' auf Schloss Hohenheim mit dem Titelsong. Foto: Stage Entertainment

Pia Douwes bei der Präsentation des Musicals ‚Rebecca‘ auf Schloss Hohenheim mit dem Titelsong. Foto: Stage Entertainment

Auch das temperamentvolle Viva aus ‚Carmen‘ habe ich sehr genossen. Mein Tanzpartner, Steven Seale, und ich haben am selben Tag die Choreographie dazu gemacht. Aus gemeinsamem Herumalbern ist eine Performance entstanden, von der alle sagten, dass es so auf die Bühne kommen muss. Das Ganze war sehr spontan und improvisiert, aber dadurch ist die Nummer richtig gut geworden, denke ich.

Dann gibt es noch ein Lied, das ich als Premiere in Europa gesungen habe, und das war Finding Wonderland aus ‚Wonderland‘.

How ‚bout a Dance, ein Song aus ‚Bonnie & Clyde‘, ist leider nicht auf der CD zu hören. Ihn fand ich auch toll, weil das eine sexy Tanznummer ist, die eine andere Seite, einen anderen Klang, von mir zeigte. Vielleicht nehme ich den irgendwann mal auf eine eigene CD drauf.

um: Sie feiern dieses Jahr Ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum. Thomas Borchert hat mit MG Sound – Hitsquad, welche diese hochklassige Konzert-CD herausgebracht haben, sein Jubiläumsalbum ‚If I Sing‘ aufgenommen. Auch Uwe Kröger hat etwas Ähnliches veröffentlicht.
Wäre eine solche Musical-CD nicht auch ein tolles Projekt für Sie? Wir sind ja viel im Genre unterwegs und hören immer wieder die Frage: Warum machen das nur die Männer?

PD: Gute Frage! (lacht) Ich habe anfangs nicht daran geglaubt, eine eigene CD zu machen, weil ich annahm, dass sich Musical-CDs nicht verkaufen. Dann hatte ich auch keine Zeit dafür gehabt. Und ehrlich gesagt dachte ich: „Wer wartet schon auf eine CD von mir?“
Mittlerweile denke ich darüber etwas anders. Ein eigenes Album wäre schon eine tolle Sache. Und ich merke auch, dass die ganze Musical-Fangemeinde so groß geworden ist und uns sehr treu ist. Und es ist klar, dass eine CD sich vor allem durch die Fans verkauft.
Ich habe ja das Album ‚Dezemberlieder‘ gemacht. Das waren zwar keine eigenen Lieder, aber mal eine CD, auf der ich solo zu hören bin, und ich habe meine ganze Liebe dort hineingesteckt.

um: Diese CD ist wunderschön, aber auch sehr speziell.

PD: Ja, das stimmt, ich zeige dort eine Seite von mir, die nicht viele kennen. Nun, ich habe zwei Ideen, von denen ich leider noch nicht erzählen kann, da noch nichts feststeht. Aber vielleicht ergibt sich mal etwas …

um: Mit Ihrer Rolle der Mrs. Danvers kehren Sie nach Deutschland zurück, und das mit einem Stück, welches das Musicalpublikum in Deutschland lange ersehnt hat. Michael Kunze sagte bei der Präsentation des Stückes im Interview mit United Musicals so schön, dass er Sie vor Augen hatte, als er die Texte für Mrs. Danvers schrieb. Auch wenn es schade ist, dass Sie die Rolle nicht bei der Wiener Uraufführung spielen konnten, ist vielleicht jetzt der richtige Zeitpunkt?

PD: Es ist natürlich schade, dass ich es damals nicht spielen konnte. Aber ich finde, dass Susan Rigvava-Dumas die Rolle wahnsinnig toll gemacht hat, und bin von ihrer Stimme sehr beeindruckt. Dass ich jetzt die Deutschlandpremiere spielen kann, ist auch wichtig für mich, denn ich wollte diese Rolle unbedingt verkörpern. Ich war eben anfangs vorgesehen dafür und bin jetzt einfach froh, dass es geklappt hat.
Ich finde es auch schön, dass ‚Rebecca‘ in Stuttgart spielt. Ich habe hier ja schon dreimal auf der Bühne gestanden, in ‚3 Musketiere‘, ‚Elisabeth‘ und mit unserem Projekt ‚Still Friends‘, gemeinsam mit Annika Bruhns. Und ich finde einfach, dass das Publikum hier ein besonders treues ist, außerdem fühle ich mich an diesem Haus sehr wohl.
Manchmal muss etwas warten, damit man auch reift, und dann ist irgendwann auch die Zeit dafür gekommen.

um: Sie arbeiten mit der Regisseurin der Wiener Uraufführung, Francesca Zambello, zusammen. Im Vorfeld wurde immer wieder betont, dass in Stuttgart die Wiener Fassung übernommen wird. Wie viele Freiheiten haben Sie, die Rolle zu interpretieren?

PD: Wir haben schon viel Freiraum und müssen nicht das Spiel der Kollegen aus Wien kopieren. Wiener Fassung meint die Inszenierung insgesamt, vor allem auch Bühnenbild und Kostüme. In der Rolleninterpretation habe ich schon Freiraum. Natürlich habe ich zuvor mit Michael Kunze gesprochen und mit der Regisseurin Francesca Zambello. Dennoch habe ich eine eigene Einstellung zu dieser Figur und denke, auch genug Erfahrung, um meine eigene Interpretation zu formen.

um: Was ist Ihnen besonders wichtig bei der Darstellung von Mrs. Danvers?

PD: Dass sie keine Karikatur wird, sondern ein Mensch bleibt. Sie ist in erster Linie eine Haushälterin, die ihr ganzes Leben im Dienst von Rebecca de Winter stand. Nichts, was geschieht, darf sich ihrer Kontrolle entziehen. Gerade wegen ihrer Position und Aufgabe in diesem Haus weiß sie genau, wo ihr Platz ist. Aber unter dieser Maske der Dienstbarkeit verbirgt sich anfangs eine riesige Trauer darüber, dass Rebecca gestorben ist. Mit der Ankunft der jungen Frau merkt sie, dass die Welt, die sie um Rebecca herum aufgebaut hat, langsam, Stück für Stück, zerstört wird. Als sie am Ende auch noch erfährt, dass Rebecca ihr gegenüber Geheimnisse hatte und das nicht verkraften kann, wird sie langsam wahnsinnig und ist zum Äußersten bereit.

um: Ist sie nur blind verliebt in ihre Herrin oder auch wahnsinnig, oder bedingt das eine das andere?

PD: Ja, ich glaube schon. Man kann das natürlich auf verschiedenste Weise interpretieren. Für mich spitzt sich alles zu, als sie erfährt, dass Rebecca sie nicht hundertprozentig in alles einbezogen hat, und dass aus ihrer Sicht alles umsonst gewesen ist. Das zerstört sie total, und erst dann wird ihr Wahnsinn spürbar.
Schon während des Stückes verliert sie ihren Halt immer mehr, und das lässt sie bösartig werden. Es ist wichtig zu wissen, dass sie ein Mensch ist, der festgefahren nach seinem eigenen Muster lebt, und da nicht mehr herauskommt.

um: Was denken Sie beim Anlegen der Rolle – ahnte oder wusste sie, dass Maxim Rebecca zu Tode brachte?

PD: Ja ich denke, sie ahnt es vielleicht. Aber mehr weiß sie erst, als die Informationen darüber sich häufen.

In ihrer Postion als Haushälterin hat sie in erster Linie ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie hat gelernt, dass nichts zählt, als seine Pflicht zu tun, und dass man sich keinen Fehltritt erlauben darf. Das war in dieser Zeit einfach so.

Deshalb ist die Dienstbarkeit und Loyalität gegenüber Maxim de Winter groß und wird sie immer bestimmen. Sie bleibt einfach auch loyal, weil sie die wahre Geschichte nicht kennt und auch nicht weiter hinterfragt. Ihre Priorität liegt darin, den Geist Rebeccas aufrecht zu erhalten und dafür Sorge zu tragen, dass das Leben auf Manderley so geordnet wie möglich abläuft.
Erst als sie die näheren Informationen zu Rebeccas Tod bekommt, fängt sie an, nachzudenken. Doch gerade daran zerbricht ihr Weltbild, und alles ist ohnehin schon zu spät.

um: Zum Abschluss noch eine Frage zu Ihren eigenen Plänen. 2010 gab es ‚Still Friends‘ mit Annika Bruhns. Wird es weitergehen mit diesem neuen Konzertformat?

Wir würden gerne. Da wir leider wenig Werbung machen konnten, weil wir das Projekt selbst getragen haben, möchte ich wieder meinen Fans danken, die immer gekommen sind.
Annika und ich würden das Projekt gerne ausbauen, aber dafür muss Zeit da sein. Wir müssen uns treffen können, und es muss Theater geben, die uns haben wollen. Ich denke, ein solches Konzert kann man auch in einem kleineren Rahmen machen – in einem intimeren Theater. Für uns war es ein schönes Projekt, das uns viel Freude gemacht hat. Es gab vorher, denke ich, auch noch keine Show, in der es um Freundschaft ging, so persönlich, wie zwischen uns.

Vielen Dank für die lebendigen Einblicke in Ihre Arbeit mit Frank Wildhorn und an der Rolleninterpretation für ‚Rebecca‘. Ein herzliches toi – toi – toi für die Deutschlandpremiere in Stuttgart!

Das Interview führte Barbara Kern