1995 wurde »Cyrano de Bergerac« nach Edmond Rostands Theaterstück über eine romantische Liebe im 17. Jahrhundert erstmals präsentiert. Schon damals überzeugte das Musical von Wolfgang Adenberg und Marc Schubring das saarländische Publikum. Es war der neue Intendant der Clingenburg Festspiele, Marcel Krohn, der den Wunsch äußerte, »Cyrano de Bergerac« aufzuführen und damit eine kleine Uraufführung anregte, die am 2. Juli 2009 auf der Clingenburg gefeiert wurde.
Lyrisches am rechten Ort
Die beiden Autoren überarbeiteten ihre erste Fassung und mit neuen Songs und Arrangements passte Marc Schubring seine Kompositionen für die Burgfestspiele an. Wolfgang Adenberg behielt bei seiner Überarbeitung des Textes Edmond Rostands Versmaß des Alexandriners bei. Aus einem Auftrag, Rostands Stück ins Deutsche zu übertragen, war dereinst die Idee des Musicals geboren worden. Die lyrische Fassung gibt der Sprache der französischen Romantik mit ihrem Reichtum an Bildern und Beschreibungen den passenden Rahmen. Sie zieht den Zuhörer hinein in die Welt der Gascognischen Kadetten, die sich Besseres dünken als die Musketiere, aber auch der geistreichen Gespräche und Schlagabtäusche zwischen Männern und Frauen.
Cyranos Welt
In dieser Welt transportieren keine Smileys in Chats oder SMS Shortcuts, sondern noch ausgesuchte Worte die Botschaft der Liebe. Wortgewandtheit ist eine Zierde. Es sind Cyrano de Bergeracs bildreiche Verse, die Christian Neuvillete Roxanes Herz gewinnen lassen. Der Mann mit der großen Nase, Draufgänger und Poet, macht sich zum Ghostwriter seines Rivalen. Roxane verliebt sich wohl in die schöne Larve des jungen Kadetten, ihre Liebe aber gilt der Seele. Zu spät erfährt sie, dass es die Erwiderungen der brennenden Liebe Cyranos waren, denen ihr Herz antwortete. Zu diesem Zeitpunkt ist Christian schon im Feld gefallen und Cyrano stirbt in ihren Armen.
Der Ton macht die Musik
Marc Schubrings Kompositionen fließen von heiteren kabarettistischen Tönen, die an eben solchen Rezitationen oder Ensemblegesängen hängen, in düstere Farben, die den Sarkasmus »Cyrano de Bergeracs« begleiten. Dazwischen schließen Klänge nahtlos an Dialoge an und hüllen Szenen ein mit großer dramatischer Filmmusik, die anklingt an den Komponisten Erich Wolfgang Korngold, dessen Schöpfungen den Schauspieler Errol Flynn auf seinem Weg durch Sherwood Forest oder auf der Brücke des Piratenschiffs umgaben. Während der erste Akt eher heitere Töne anschlägt, entwickelt sich das Stück im zweiten Stück zu einer Tragödie. Bei den Arrangements fällt auf, dass Schubrings Musik ganz ohne Geigenklänge auskommt, ohne dass man sie vermissen würde. 11 Musiker unter Leitung von Florian Caspar Seibel setzen seine Vorgaben gekonnt um. Das Orchester hat seinen Platz über der Spielfläche, so dass die Darsteller ihren Einsatz selbst finden müssen. Der Dirigent kann hier keinen Einfluss nehmen. Marc Schubrings Musik und Adenbergs Text bilden eine Einheit. Unterbrechungen im Ablauf gab es nur durch gelegentliches Wegschwimmen des Tones im Raum oder mangelnde Regie-Übergänge.
Atmosphäre und Ausstattung
Was in der Clingenburger Inszenierung an aufwendigem Bühnenbild fehlen mag, das ersetzt die Atmosphäre der Burg – nunmehr Ruine, die 1170 der Mundschenk des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa gegründet hat. Die Mantel- und Degengefechte zwischen Cyrano und den Schergen Graf Guiches scheinen ebenso hierher zu gehören wie der Minnesang unter dem Fenster Roxanes, den Cyrano Christian einflüstert. Schade, dass die Szenen auf der Brücke und dem Bergfried etwas im Dunkel untergehen, auch wenn alles sehr atmosphärisch wirkt. Die Darsteller, allen voran Michael Rast, als Cyrano de Bergerac, und Folke Paulsen, als Gegenspieler Graf Guiche, hatten jedenfalls sichtlich Spaß an Björn Brakelsbergs Fechtchoreographien. Ein kleines tänzerisches Highlight des Abends war Carlo Benz‘ Koch-Choreographie, die alle Blicke auf sich zog, während Meisterkoch Rageneau sein beschwingtes Lied zum Thema ›Liebe geht durch den Magen‹ zum Besten gab. Für die Kostümvielfalt sorgte Ulla Birkelbach – auch dafür, dass Roxane in ihren Kostümen heraussticht.
Wer spielt
Roxane-Darstellerin Inés Zahmoul bezauberte am Premierenabend mit ihrem lyrischen Sopran, der besonders in emotionalen Momenten seine Schönheit entfaltete. Alessandro Macrí überzeugte mit schöner warmer Tenorstimme und gewann im zweiten Akt an Ausdruck, wenn Christian begreift, dass seine Beziehung zu Roxane auf einer Lüge basiert und sie eigentlich in Wahrheit Cyrano liebt. Karl Straub steht als Ragueneau für das heitere Element des Stückes und übernimmt gleichzeitig die Funktion eines Erzählers. Mit Bühnenpräsenz und kabarettistischem Talent erfüllt er seine Rolle und erntete vor allem in den Szenen, die er zusammen mit Cyrano hat, manchen Lacher.
Michael Rast verkörperte Cyrano und ging ganz in seiner Rolle auf. Er war sarkastisch, überschäumend vor Freude oder Wut und gleich darauf wollte er sich vor der Welt verstecken und brannte vor verzweifelter Liebe. Der Darsteller, den man vor allem aus dem Fernsehen kennt, musste sich auch mit seinem Gesang nicht verstecken, doch dass seine Stärke im Schauspiel liegt, macht ihn zur idealen Besetzung des Cyrano, der viel Text zu bewältigen hat.
Insgesamt zeigte das Ensemble viel Spielfreude miteinander zu agieren, wie es glücklicherweise oft in Sommerproduktionen zu erleben ist.
Cyrano de Bergerac ist ein begeisterndes Stück mit mitreißenden Melodien, das auf der Clingenburg den passenden Rahmen gefunden hat. Man wünschte mehr Sommerproduktionen den Mut, Ausschau nach neuen Stücken zu halten, um sie einem interessierten Publikum zu präsentieren. Dieses reagierte am Premierenabend mit großer Begeisterung.
Ein besonderes Lob am Rande gilt auch dem Programmheft, das viele Informationen zur Geschichte des Stückes enthält und schön aufgemacht ist.