Carsten Lepper spielt seit dem 14. März 2009 in der Welturaufführung von ‚Der Graf von Monte Christo‘ die Rolle des ‚Fernand Mondego‘ am Theater St. Gallen. Wir sprachen mit dem Darsteller über sein Verständnis von Schauspiel und die Entwicklung seiner Rolle.
um: Frank Wildhorns Stücke bestimmen derzeit die großen Musicalpremieren im deutschsprachigen, ja, im europäischen Raum. Was macht für Sie – auch aus Ihrer persönlichen Erfahrung – den Reiz seiner Musicals aus?
CL: Bisher hatte ich mit Frank Wildhorn noch nicht viel zu tun. Ich habe ab und zu ‚Dies ist die Stunde‘ auf
Galaabenden gesungen. Natürlich kenne ich die Musik vom Hören. Auch sieht man Kollegen bei diversen Aufführungen von ‚Jekyll & Hyde‘, weil es das meist gespielte Stück ist. Die Musik aus ‚Jekyll & Hyde‘ ist schon sehr populär, sie geht ins Ohr. Die Leute kommen aus dem Musical und es hat ihnen gefallen. Es ist blutrünstig, so eine Art Krimi, eine Gruselgeschichte, die zieht. Für mich war Wildhorns Musik neu. Sie ist unglaublich groß, nahezu riesig. Hier sitzen dreißig Musiker im Orchester. Das gab es in keinem der großen Musicalhäuser. Bei ‚Titanic‘ hatten wir 28, das war das bisher größte Aufgebot, das ich kenne. Und das Orchester in St. Gallen spielt fantastisch. Du merkst diese Energie schon, wenn die Show beginnt. „Dusch!“
Unlängst hat ein Journalist Frank Wildhorn gefragt, warum er seine Musicals nicht zuerst am Broadway bringt, sondern in Europa. Da hat er geantwortet, dass er in Amerika kein solch großes Orchester für die Umsetzung seiner Stücke zur Verfügung gestellt bekommt wie hier. Die verkleinern in Amerika alles wegen der Weltwirtschaftskrise. Und er bekommt nicht so große Orchester, die diesen „Bums“ dann richtig drin haben. Das aber täte seinen Stücken nicht gut. Ich glaube, selbst ‚Jekyll & Hyde‘ in Bremen war größer orchestriert als am Broadway. Ich denke deshalb, dass von der musikalischen Abteilung – also von ihm als Komponisten – Europa, der deutschsprachige Raum auch – interessanter ist. Die Weltwirtschaftskrise hat bei uns bei Weitem keine solchen Ausmaße angenommen wie in Asien oder Amerika. Außerdem gibt es Stücke, die zu bestimmten Ländern passen und anderswo gar nicht gehen: ‚Dracula‘ zum Beispiel lief in Amerika gar nicht, vier Wochen und dann haben sie es geschlossen. Die Geschmäcker sind von Land zu Land unterschiedlich. In Holland funktionierte ‚Mamma Mia‘ überhaupt nicht, das kann man sich auch nicht vorstellen. In Deutschland war das in Hamburg jahrelang der Riesenhit, in Holland dagegen lief das auf Tournee vier Monate äußerst schleppend. Doch um auf unser Stück hier zurückzukommen, mit dem Namen ‚The Count of Monte Christo‘ haben sie einen sehr guten Namen. Das Buch kennt man in Asien genauso wie in Amerika. Es ist weltberühmt und in alle Sprachen übersetzt. Und die Musik ist bombastisch und spricht, wie ich glaube, viele Menschen an. Manche sprechen von einem zweiten ‚Jekyll & Hyde‘, was die Qualität betrifft. Die Orchestrierung ist fantastisch. Sie drückt Dich in den Sitz. (lacht)
Musicalgesetze
CL: Was ich bei meiner Beschäftigung mit Musical gelernt habe und auch hier wieder finde, sind die Gesetze, wie ein Musical aufgebaut ist. Das wusste ich auch jahrelang nicht. Ich habe ja Schauspiel studiert und bin ins Musical gewissermaßen reingerutscht (grinst). Zum ersten Mal so richtig gespürt habe ich es, als ich ‚Rebecca‘ in Wien gemacht habe: Damals ist mir klar geworden, dass ‚Elisabeth‘ und ‚Rebecca‘ ähnlich aufgebaut sind. An einer Stelle ist der große Showstop. Wo zuvor ‚Ich gehör‘ nur mir‘ war, sang Mrs. Danvers jetzt ‚Rebecca‘. Es waren immer die gleichen Stellen. Wo ‚Milch‘ kam, war hier die Massenszene auf dem Golfplatz. Über diesen ähnlichen Aufbau habe ich lange mit Michael Kunze gesprochen. Er sagte: „Ja, es gibt so eine Art Gesetz.“ Zu diesen Musicalgesetzen gehört auch, dass am Ende einer Show, wie bei uns vor dem großen Showdown, sich der Protagonist, in diesem Fall ‚Der Graf von Monte Christo‘ besinnt und dass er zurückblickt. Hier ist das ‚Der Mann, der ich einst war‘. Außerdem sind das Lieder wie ‚Boote in der Nacht‘ und ‚Somewhere‘. Mit der ‚West Side Story‘ hat diese Entwicklung so richtig begonnen. Leonard Bernstein war der Erste, der das so richtig verinnerlicht hat. In diesen Songs kommen die Figuren zu sich zurück, „back to the roots“, bevor das Finale beginnt. Das ist sehr oft so.
Vom Roman zum Stück
um: Sie haben schon angesprochen, dass der Roman von Alexandre Dumas ein Klassiker ist, den jeder kennt. Wie würden Sie die Umsetzung des Buches im Stück erklären?
CL: Eins muss man sich klar machen: Der Roman ist ellenlang, etwas 1400 Seiten, glaube ich. Es gibt extrem viele Figuren und Nebenschauplätze. Wenn man ein Musical daraus macht, aber auch, wenn man den Roman in einem Schauspiel umsetzt, muss man sich entscheiden, was man erzählen will. Wir erzählen in unserem Stück wirklich den Hauptstrang: Das, worum es geht und was auch in den meisten Filmen immer dargestellt wird – wie Dantès durch einen Verrat eingekerkert wird, nach 18 Jahren wieder heraus kommt, wie er Mercédès erstmals begegnet und dann Rache an den drei Bösen nimmt, die ihm das angetan haben. Die Aufgabe eines Romans ist es zu erzählen, da gab es noch die Mutter und die Tante und den Onkel von dem…für das Theater ist das nicht notwendig, wie ich finde. Ich denke auch, wir würden den Zuschauer irgendwann überfordern, würden wir alles erzählen. Speziell im ‚Grafen‘ sind die Nebenschauplätze sehr groß, Allein die Geschichte um Villefort bietet Stoff für ein eigenes Stück und wird hier nur kurz angesprochen. Ich finde, der Hauptstrang der Geschichte wird bei uns gut erzählt. Er wird sehr anschaulich dargestellt. Etwas ist im Stück etwas anders – die Rache an den drei Bösewichten. Die Szene ist gar nicht lang, aber ich hätte mir gewünscht, dass wir etwas mehr Zeit gehabt hätten, die jeweiligen Figuren zu entwickeln. In den Filmen beispielsweise ist es so, dass ganz klar gezeigt wird, wie unterschiedlich der Graf von Monte Christo Rache an Danglars, Villefort und Mondego nimmt. Er nutzt ihre verschiedenen Begierden aus.
Bei uns geht es ganz klar ums Geld. Meine Eltern waren letzte Woche im Stück und sie sind ganz naive Zuschauer, die sich das anschauen, in dem ich mitspiele. Sie kennen nur den klassischen Film mit Richard Chamberlain. Das war ganz interessant: Meine Mutter sagte: „Ich war ganz irritiert, da ging es um Aktien und ich habe das gar nicht so schnell begriffen, weil es einfach sehr schnell geht.“ Ich verstehe aber auch, dass Frank Wildhorn und Jack Murphy versucht haben, unglaublich zu komprimieren, um nicht noch einen Akt dran hängen zu müssen.
Rollenhierarchie
Wir arbeiten alle an einer Sache und haben einen Riesenspaß, obwohl es im Stück eine klare Hierarchie durch die Rollenstruktur gibt. Vor allem ist da ‚Der Graf von Monte Christo‘: Thomas Borchert hat unglaublich viel zu tun, extrem viel zu singen. Dann kommt die ‚Mercédès‘, Sophie Berner, und dann kommen erst wir Drei Bösen. Das ist schon ganz klar.
um: Ist die Rolle der Mercédès auf der Bühne größer als im Roman?
CL: Ja, im Buch verliert man sie fast. Hier ist die Figur viel größer. ‚Mercédès‘ hat auch sehr exponierte Songs. Und das ist toll, Sophie Berner macht das ganz super. Sie ist ja noch ganz jung, ich glaube 24. Hier in St. Gallen hat sie im vergangenen Jahr mit ‚Cabaret‘ begonnen. Sophie Berner ist eine Persönlichkeit, ein toller Mensch.
um: Sie sagten gerade, im Rollenaufbau des Stückes kommt die Rolle des Fernand Mondego nach ‚Graf‘ und ‚Mercèdès‘. Dennoch ist sie bestimmend in beiden Teilen der Geschichte. Wie sehen Sie die Entwicklung Ihrer Figur?
CL: Für mich hat die Rolle sogar eine sehr extreme Entwicklung: Ich muss so umswitchen – (deutet es mit den Händen an). Als es anfängt, ist Fernand Mondego ungefähr so alt wie Edmond Dantès, so 18 / 19. Der nächste Sprung, den ich habe, ist, wenn ich um Mercédès‘ Liebe buhle, nachdem Dantès aus dem Weg ist. Die größte Entwicklungsstufe kommt mit dem Zeitsprung. Wenn Edmond aus dem Gefängnis kommt, werde ich schön alt geschminkt (lacht), also älter. Eigentlich ist im Roman da noch einmal eine Zwischenzeit. Ich meine, bis der Graf von Monte Christo wirklich Rache übt, vergehen acht Jahre, bis er den Herrensitz kauft.
um: Sie meinen die Zeit, in der er im Roman erst noch durch die Welt reist und sich das Wissen über Gifte und auch seine Fähigkeit zu fechten erwirbt.
CL: Genau. Bei uns ist es so, dass der Abbé Faria, der alte Mann, der noch im Gefängnis stirbt, Edmond all das beibringt. Das ist sozusagen das „Alibi“ fürs Stück – dafür, woher er das alles weiß. Woher kann er plötzlich Sprachen? Woher kann er auf einmal so exzellent fechten? Der Abbé bringt ihm das bei. So erzählt es unsere Geschichte. Denn wir können ja nicht von all seinen Reisen erzählen. Da muss man raffen, selbst in Filmen wird gerafft, wo man es technisch eigentlich zeigen könnte. Zum Einen geht das im Theater nicht, zum Anderen ist es auch nicht entscheidend, denke ich. Außerdem würde es vom wesentlichen Handlungsstrang irgendwann ablenken. Unsere Geschichte ist gut komprimiert und in sich schlüssig – wie gesagt, der zweite Teil ist relativ kurz. Ich könnte mir vorstellen, wenn eine Wiederaufnahme oder ein Umzug an ein anderes Haus käme, dass man dann diese drei Gegnerstränge etwas differenziert. Das ist etwas kurz. Beispielsweise ist es bei Fernand Mondego, vor allem die Gier nach Ehre, die ihn antreibt, über Leichen zu gehen. Deshalb haben Dantès und er auch zum Schluss das große Gefecht. Es geht nicht darum, dass ich die Frau wieder haben will, obwohl ich sage: „Gib mir meine Frau zurück!“ Darum geht es gar nicht. Es ist, als wenn unten etwas abgeschnitten wird; er wird entmannt. Dass sie ihn verlässt und das in dieser Zeit…ist eigentlich undenkbar. Umso interessanter finde ich die Idee der neuen Verfilmung: Ich war sehr überrascht und fand es einen tollen Schachzug, dass Albert hier nicht von Mondego ist, sondern der Sohn von Dantès, und Mercédès ihn achtzehn Jahre zuvor nur schnell geheiratet hat, damit sie nicht in Schwierigkeiten kommt…es würde passen, weil es in die Zeit passt. Das finde ich super in dem Film.
Natürlich gibt es immer unterschiedliche Meinungen zu Szenen. Muss die jetzt sein, hätte man nicht etwas Wichtigeres erzählen können? Aber das ist bei einer Welturaufführung immer so. Warum geht ein Stück nicht sofort an den Broadway, sondern zuerst nach Canada ins Land, nach Seattle oder sonst irgendwo hin? Damit es ausprobiert wird. Und dann die Autoren sagen: „Die Szene kommt raus, hier schreiben wir etwas Neues.“
Herausforderung Fechten
um: Was ist für Sie persönlich die besondere Herausforderung am Stück?
CL: Für mich als Darsteller ist die größte Herausforderung das Fechten. Das Gefecht am Ende des Stückes…ich habe 1,30 Min, aber volles Rohr. Es ist einfach sehr schnell, aber Jochen Schmidtke, unser Fight Captain, hat uns – Thomas Borchert und mir – das so toll beigebracht. Ich hatte vor zehn Jahren das letzte Mal einen Degen in der Hand, habe anderthalb Jahre lang auf der Schauspielschule die Grundlagen gelernt, vor allem aber habe ich es verlernt. (lacht) Ich hatte einfach keine Zeit mehr dafür. Du ziehst von dieser in die nächste Stadt, da bleibt man nicht beim Fechten. Du holst es wieder hoch, wenn Du es brauchst, so wie hier. Aber für mich war das – wie für Thomas Borchert – völlig neu. Und die gemeinsame Arbeit war spitze. Wir haben jeden Tag zwischen ein und zwei Stunden gefochten (grinst). Da weißt du, wo dir die Beine hängen…in der ersten Woche waren wir richtig fertig, ich vor allen Dingen. Der Kampf hat insgesamt zehn Phasen und jede dieser Phasen hat auch einen Namen, damit wir wissen, wo wir gerade sind. Wenn der Fight Captain sagt, wir machen jetzt mit der und der Phase weiter, können wir mittendrin einsteigen und müssen nicht wieder ganz von vorn anfangen. In den ersten Wochen habe ich zwei Phasen gelernt und ich dachte manchmal : ‚O mein Gott, ich schaff‘ das niemals in sechs Wochen, dieses ganze Ding!‘ Und dann irgendwann ist der Knoten geplatzt, plötzlich ging es und ich konnte mich schneller auf die Choreographie einstellen. Aber es macht einen Riesenspaß. (strahlt).
„Wir durften alles probieren.“
um: Du hast bisher nicht unter Andreas Gergen gespielt. Wie würdest Du die Zusammenarbeit mit ihm charakterisieren? Jeder Regisseur arbeitet ja ganz anders.
CL: Absolut. Und ich kann nur sagen: „Hut ab!“ Andreas Gergen hat keine Angst vor großen Gefühlen, auch keine Angst vor großen Gesten. Es gab nichts, was wir nicht ausprobieren konnten. Selbst wenn er erst gesagt hat: „Das fand ich jetzt nicht so gut, aber lass es uns probieren.“ Dann konnten wir es erproben. Manchmal haben wir ihn überzeugt und manchmal haben wir dabei selbst gemerkt: „Oh, das ist wirklich nichts. Lass uns etwas anderes machen!“
Dadurch, dass die Musik und auch die Geschichte so groß sind, müssen wir auch die Emotionen verdoppeln: Zum Teil singst du eine Emotion, zum Teil sprichst du den Text emotional und spielst auch noch auf diese Weise. Das ist im Schauspiel eigentlich verpönt. Der Schauspieler spielt immer dagegen, macht eine Sache klein, damit es nach außen groß wirkt. Aber wenn man sooo eine Musik hat, die mit Pathos erzählt, dann musst du als Darsteller auf ihr reiten, gefühlsmäßg noch einen draufsetzen. Das haben wir gemacht und gerade für mich war das am Anfang schwer. Ich versuche immer sehr naturalistisch zu spielen und ganz nah an die Figur heranzukommen, so dass es wirklich von mir kommt. Nicht, dass die Leute denken: ‚Oh, der sagt aber brav seinen Text auf.‘
um: Ist das so etwas wie Ihre Bühnenphilosophie?
CL: Genau so ist es. Hier ist Andreas Gergen sehr zugänglich gewesen und hat mit mir zusammengearbeitet. Erst habe ich ganz zurückhaltend gespielt, ich habe so gesprochen wie hier jetzt am Tisch, so mit Ihnen, ganz ruhig, nicht laut, und das obwohl dieser Mondego eine laute, extrovertierte Person ist. (lacht) Das sieht man auch an den Kostümen, die extrem farbenfroh sind. Er war so ein Mann, der wirklich mit der Mode gegangen ist. Was ich ganz erstaunlich fand, die Herren hatten früher ein Hemd an und zwei geschlossene Westen darüber. Dabei blitzte die untere Weste nur oben, hier am Revers so ein bisschen raus, und die Westen hatten zwei richtig unterschiedliche Farben. Das war früher so. Die Männer müssen ja extrem geschwitzt haben im Sommer, zumal sie dann noch einen Rock darüber trugen.
Doch zurück zu unserem Regisseur. Er hat mir die Möglichkeit gegeben, dass ich von klein alles aufbauen konnte und dann musste ich es aber größer und größer machen,…so dass es dann zum Schluss das wurde, was es jetzt ist. Es gibt aber immer noch Szenen, wo ich es so halte, wie ich es möchte, weil ich es sonst nicht mehr bin, sondern nur noch eine Schablone, die ich vor mir herschiebe. Dann ist es nur noch ein Darstellen, nicht mehr ein Versuchen zu sein. Ich versuche als Schauspieler, in meiner Figur zu denken: Woher komme ich? Wohin gehe ich? – diese ganzen alten „Stanislawski-Dinger“ (Konstantin Stanislawski, gestorben 1938, russischer Schauspieler, Schauspiellehrer, Regisseur und Theaterreformer: Mit dem Ziel einer individuellen Rolleninterpretation verlangte er vom Schauspieler, in seinem eigenen Erleben Gefühlssituationen zu finden, um glaubwürdig zu spielen.)
Es gibt noch etwas, für das Andreas Gergen ganz wesentlich mitverantwortlich ist: Ich freue mich jedes Mal auf die Kollegen hier im Haus. Die Cast ist nicht nur toll, sondern wir haben richtig Spaß miteinander. Ich habe noch nie in einer Probenzeit so viel gelacht wie hier. Wir konnten manchmal nicht mehr, uns liefen die Tränen, weil so bescheuerte Situationen entstanden sind. Es gab nie ein Schreien vom Regisseur oder von irgendeinem Anderen im Kreativteam. Das habe ich noch nie erlebt…noch nie! Noch dazu bei einer Welturaufführung, wo die Verantwortung besonders groß ist. Es gab keine ernsthaften Auseinandersetzungen. Klar, hat man ein paar Tage vor der Premiere gemerkt, wie angespannt alle sind. Da konnten durch eine Fehlkoordination im Hause Proben nicht so stattfinden, wie sie stattfinden sollten. Das gibt es eben – wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Aber dank der Rundum-Situation war es so: „Okay, da können wir halt nichts machen.“ Wir aus dem Ensemble waren ohnehin sehr gut studiert und die Technik rotiert hinten. Das glaubt man kaum. Die Techniker rennen und machen wirklich viel, obwohl alles von außen sehr schlicht wirkt, gibt es trotzdem viel zu tun.
Für mich ist das Ganze auch ein bisschen wie ein Zurückkommen. Ich war ja schon hier. Vor sieben/acht Jahren habe ich hier ‚Kuss der Spinnenfrau‘ gespielt. Für mich ist die Bühne von St. Gallen nicht neu. Und das war so schön: Zwei Wochen vor der Premiere haben wir angefangen, mit den Bühnentechnikern zu proben, damit wir die Abläufe kennen, mit dem Orginal Bühnenbild und so – eben mit den technischen Proben. Und da kam ein Techniker auf mich zu: „Carsten! Und dein Kuss der Spinnenfrau. Weißt Du noch, als das Gitter runtergefallen ist.“ Die wussten das noch alles. Das ist jetzt acht Jahre her. Hallo!
um: Leider ist ja das Zusammenspiel von Darstellern und Technik nicht immer so harmonisch, wie Sie es jetzt beschreiben.
CL: Nein. Das stimmt, es ist nicht immer positiv. In Wien beispielsweise ist es ganz anders. Da sind beide Bereiche klar getrennt. Die sind auch nett, aber da sitzt man nicht in der gleichen Kantine zusammen. Hier ist alles gemixt: Da sitzen ein paar Chorleute mit Thomas (Borchert) und ’nen paar Technikern zusammen. Es ist alles mehr wie eine Familie.
Bühnentechnik
um: Sie haben gerade von einer aufwändigen Bühnentechnik gesprochen. Wir sehen das Stück erst heute Abend. Wie müssen wir uns das Set vorstellen?
Allein der Bühnenaufbau ist enorm. Es wurde ein komplettes Portal aus einem Barockrahmen rundherum gebaut, das allein jedes Mal auf und ab gebaut werden muss. Es verschönert deutlich das sonst sehr schlichte moderne Theater. Dahinter ist dann eine Schräge von 9%. Und dann sind da zwei Wagen und von oben kommen ein paar Bilder. Es ist nicht viel, aber das Licht macht extrem viel. Wir haben sehr einprägsame Projektionen. Es ist so ein bisschen Andreas Gergens Steckenpferd, mit Projektionen zu arbeiten. Das Ganze war ein gewagtes Spiel, aber die Kritiken regional und überregional sind toll – bis in die ‚Züricher Zeitung‘. Ich habe keine schlechte Kritik gelesen und mich wahnsinnig für alle Beteiligten gefreut. Wir ziehen hier an einem Strang, von Thomas Borchert bis zum Kleinsten im Ensemble. Jeder hat seine Aufgabe. Wichtig ist, auch den Chor zu erwähnen, der super gearbeitet hat. Die Chorleute mussten zum Teil tanzen. Sie haben toll mitgearbeitet und richtig Spaß daran, was man ihnen anmerkt.
um: Nun freuen wir uns noch mehr auf den Besuch bei ‚Der Graf von Monte Christo‘.
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch.
Das Interview führte Barbara Kern.