»Irma la Douce« auf der tribuene Berlin

Irma verführt

Die Prostituierte Irma (Katharine Mehrling) hat ihr gutes Auskommen im Pariser Milieu, als sie sich in den jungen Polizisten Nestor (Andreas Gergen) verliebt. Nestor wird Irmas »mec« und sie seine »poule«. Beide machen sich vor, dass sie trotz Irmas Beruf eine Beziehung haben können. Denn Irma kann sich zuerst nicht vorstellen, das Milieu zu verlassen. Nestor gibt vor, sich Irmas Liebe sicher genug zu sein, dass er ihre Freier akzeptiert. Doch bemerkt er allzu bald seinen Irrtum. Da kommt ihm gelegen, dass Irma von einem reichen Millionär erzählt, der eine Zeit lang ihr einziger Freier gewesen war. Kann nicht er, Nestor, in diese Rolle schlüpfen? … Dann gäbe es die Notwendigkeit von anderen Freiern nicht länger.

Nestor maskiert sich als reicher englischer Gentleman und wird Irmas großer Kunde, von dem sie Nestor immer wieder stolz berichtet. Während sie glaubt, ihren Geliebten zu ernähren, muss Nestor nun nachts arbeiten, um sie in der Maske des anderen so reich entlohnen zu können. Dazu kommt, dass er eine kuriose Eifersucht auf sich selbst, auf seinen Rivalen entwickelt. Als der Lord verschwindet und seine Kleider in der Seine gefunden werden, landet Nestor als angeklagter Mörder auf der Teufelsinsel. Derweil ist Irma schwanger, was bis zu Nestor vordringt. Eine Flucht von der Gefängnisinsel gelingt. Nestor lässt den Lord wieder auferstehen, wird freigesprochen und heiratet seine Irma. Der Beziehung zuliebe ist sie bereit, das Milieu aufzugeben.

Erzählt wird die ganze Geschichte von dem Kneipenbesitzer Bob Houtu (Uwe Dreves). Er blickt zurück auf die Beziehung von Nestor und Irma – in der Art eines »Es war einmal«.

Katharine Mehrling und ihre Männer
Foto: © UM)
 Darstellung und Darsteller

Am Anfang malt Nestor – alias Andreas Gergen – das Wort »Paris« mit weißer Farbe auf die Rückwand. Und drei Neonröhren stellen die französische Trikolore dar. Das sind die ersten Bilder für die Assoziation vom Milieu – dem Pariser Rotlichtviertel am Montmartre. Hinzu kommen an Requisiten Irmas grünes Bett, eine Wäscheleine und Getränkekisten. Das Lichtdesign passt sich mit seinen Farben Pink und Grün dem Milieu und Irmas Farben an. Mehr braucht es nicht, außer einer exzellenten Cast, einer Bühne und an Schlüsselstellen ein paar einfallsreichen Details. Solch ein Detail ist der blaue Stoff in der Fluchtszene von der Teufelsinsel. Die Wellen des Meeres schlagen so buchstäblich über dem Publikum zusammen.

Christian Struppecks und Andreas Gergens »Irma la Douce« bezieht den Zuschauer nicht nur in dieser Szene in das Geschehen ein. Die schräge Bühne scheint kein Ende zu haben, sondern ragt mitten in den Publikumsraum. Darsteller, die für die Szene nicht gebraucht werden, verschwinden nicht etwa von der Bühne. Nein – sie nehmen am Rand Platz, schauen einfach zu oder ziehen sich auch mal um. Egal auf welchem Platz man als Zuschauer sitzt – nichts entgeht einem. Die Bühne gewinnt durch diesen neuartigen Umgang mit den Brettern eine ungewöhnliche Tiefe.

Auf der schrägen Bühne gelingt mit wenigen Requisiten ein Abgrenzen der Räume. Hierbei kommen insbesondere die Getränkekisten zum Einsatz. Es entstehen verschiedene Ebenen. so dass zwei Szenen parallel gezeigt werden können. Beispielsweise schauen die Bauarbeiter Irma durchs Fenster beim Umziehen zu. Von der Logik her müssten sie dabei mit dem Rücken zum Publikum stehen. Die Szenenregie aber lässt den Bautrupp von hinten auftreten – von dort kommentiert er das Geschehen.

Das Bühnenbild ist auf das Nötigste reduziert. Die Darstellung liegt ganz allein bei den Darstellern. Allen voran natürlich bei der Dame, für die das Stück geschrieben scheint, Katharine Mehrling, die Irma mit französischem Charme und großer Bühnenpräsenz stimmlich wie darstellerisch in Szene setzt. Andreas Gergen spielt und singt seinen Nestor mit viel Humor und Leichtigkeit. Beide wiederum werden ins Bild gesetzt durch eine starke Cast, in der jeder Charakter im Gedächtnis bleibt. Leider waren manche Gesangsteile aufgrund von Tonproblemen schwer zu verstehen. Das aber ist auch unser einziger Kritikpunkt an diesem Premierenabend.

Christian Struppeck und Andreas Gergen haben gemeinsam mit ihrer auserlesenen Cast ein Stück auf die Bühne gebracht, das oft entgegen der ursprünglichen französischen Fassung mit großem Aufwand inszeniert wird. Sie haben das Musiktheater von Marguerite Monnot auf das Wesentliche – nämlich auf die Darstellung reduziert. Damit wurde jeder Kitsch vermieden, der bisherigen Inszenierungen anhaftet. Statt dessen gelang es der tribuene und dem Regie-Duo, das Stück mit unglaublicher Leichtigkeit und auf frische unaufdringliche Weise umzusetzen. Bravo!!